Reden wir über Geld (30): Rudi Fischer:"Ich bin überbezahlt"

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Der 20-jährige Profi-Videospieler Rudi Fischer über Preisgelder von einer halben Million Dollar, sein Luxusleben in Las Vegas und Freunde, die bei Lidl schuften.

A. Mühlauer, T. Riedl, J. Schmieder

Vor einer Haustür im schwäbischen Meitingen parkt ein 5er BMW, drinnen, neben dem Bett, liegt eine goldene Uhr - Statussymbole, die sich Rudi Fischer seit gut einem Jahr leisten kann. Der 20-Jährige nennt sich "The Tactical" (Der Taktiker) und reist als Profi-Videospieler um die Welt. Gerade war er fünf Wochen in Los Angeles. Keiner schlägt so schnell zu wie er - zumindest im Videospiel. Ein Gespräch über Gewalt und Geld, skeptische Eltern und Angst vor der Zukunft.

Ein Zocker mit Erfolg: Rudi Fischer vor seinem Arbeitsgerät. (Foto: Foto: Stefan Puchner)

SZ: Herr Fischer, reden wir über Geld. Wie haben Sie es geschafft, vom Computerspielen leben zu können?

Rudi Fischer: Erst mal: Ich spiele nicht Computer, ich zocke auf der Videospielkonsole X-Box das Spiel "Dead Or Alive 4", bei dem sich zwei Kämpfer k. o. zu schlagen versuchen. Ich war in Europa der Erste, der davon leben konnte. Und das nicht schlecht.

SZ: Wie verdienen Sie damit Geld?

Fischer: Ich spiele mit einem Team in einer weltweiten Videospieler-Liga. Jeden Monat bekomme ich mein Gehalt überwiesen - wie ein Profi-Fußballer. Wer die Liga gewinnt, kriegt zusätzlich ein Preisgeld von einer halben Million Dollar. Pro Team spielen zehn Leute, das heißt: Jeder kriegt 50000 Dollar. Leider haben wir es dieses Jahr nicht geschafft.

SZ: Woher hat die Liga das Geld?

Fischer: Das ist wie beim Fußball oder anderen Sportarten. In den USA und in Asien gibt es Geld von Sponsoren aus der Spieleindustrie, und die großen Wettkämpfe werden live im Fernsehen übertragen. Dafür zahlen Menschen wie Rupert Murdoch Millionen.

Auf der nächsten Seite: Drei Stunden am Tag spielen, dann schlafen, essen, einkaufen.

SZ: In Deutschland kann man Sie im Fernsehen noch nicht sehen.

Medaillen, die Rudi Fischer bei Wettkämpfen gewonnen hat. (Foto: Foto: Stefan Puchner)

Fischer: Doch. Eurosport 2 überträgt schon. In Deutschland wird das Ganze noch groß werden. Das sieht man diese Tage schon auf der Games Convention, der größten Videospiele-Messe Europas in Leipzig.

SZ: Ihr Geld haben Sie sich mit Gewaltspielen erarbeitet. In Thailand hat ein 18-Jähriger ein Spiel in die Tat umgesetzt und einen Taxifahrer erstochen.

Fischer: Wer so etwas wie der Typ in Thailand macht, hat Probleme mit seiner Familie, mit Freunden oder dem sozialen Umfeld. Videospiele sind sicher nicht ausschlaggebend.

SZ: Aber sie können wie beim Attentäter von Erfurt mit dazu führen, dass Menschen plötzlich Amok laufen.

Fischer: Solche Leute haben andere Probleme. Und wenn die dann noch Videospiele zocken, kann das einen beeinflussen, aber anstiften tut es nicht.

SZ: Bei Ihrem Spiel geht es darum, den Gegner krankenhausreif zu prügeln. Wollten Sie bei einem Streit im echten Leben schon mal zuschlagen?

Fischer: Nein, noch nie.

SZ: Wie hoch ist Ihr Gehalt im Monat?

Fischer: Das mag ich nicht sagen. Nur so viel: Es wird immer mehr. Angefangen habe ich mit 2000 Dollar im Monat. Wenn alles gutgeht, ist nächsten Monat schon das Doppelte oder Dreifache drin. Dazu kommen die Preisgelder von Turnieren, ein paar Tausender meist. Das ist so eine Art Bonus für mich.

SZ: Viel Geld für einen 20-Jährigen. Was tun Sie dafür?

Fischer: Spielen. Meist nicht mehr als drei Stunden am Tag.

SZ: Nur drei Stunden! Was machen Sie die restliche Zeit?

Fischer: Schlafen, essen, einkaufen, und dann gehe ich noch ins Fitness-Studio. Am späten Nachmittag spiele ich dann ein bisschen mit meiner Konsole im Internet.

SZ: Was sagen Ihre Eltern dazu?

Fischer: Die schlafen gerade. Hatten beide Nachtschicht. Mein Vater arbeitet im Stahlwerk, meine Mutter ist Krankenpflegerin. Ich sage manchmal zu ihnen: "Haha, ihr geht so hart arbeiten. Und ich spiele ein paar Stunden am Tag und verdiene mehr Geld als ihr."

SZ: Ist das gerecht?

Fischer: Für das, was ich mache, bin ich überbezahlt. Am Anfang waren meine Eltern skeptisch. Als ich dann bei der Europameisterschaft 3000 Euro und zwei Flachbildfernseher gewonnen habe, haben sie gemeint, als Hobby könne ich es schon machen. Richtig geglaubt, dass man mit Spielen Geld verdienen kann, haben sie erst, als ich ihnen meinen Kontoauszug gezeigt habe.

Auf der nächsten Seite: .."eine verdammt gute Zeit: Casino, Stretch-Limousine, Champagner, Stripclub.."

SZ: Was machen Sie mit dem Geld?

Fischer: Das liegt auf dem Sparbuch. In zwei Jahren will ich eine Eigentumswohnung kaufen.

SZ: Wo?

Fischer: Hier in Meitingen. Für meine Eltern. Ich übernehme dann das Haus, in dem wir jetzt leben.

SZ: Sie waren gerade fünf Wochen in Los Angeles, sehen viel von der Welt. Warum wollen Sie ausgerechnet in einer 11.000-Seelen-Gemeinde leben?

Fischer: Weil es meine Heimat ist. Geboren wurde ich in Russland. Die Eltern meines Vaters sind Deutsche, die wurden im Krieg dorthin verschleppt. Dann sind sie hier in die Nähe von Augsburg gezogen. Ich bin in Meitingen aufgewachsen, alle meine Freunde leben hier.

SZ: In Bayern wohnen Sie in einem beschaulichen Vorstadt-Einfamilienhaus mit Garten. Wie leben Sie, wenn Sie unterwegs sind?

Fischer: Das ist schon ein anderer Lebensstandard. Ich bin drei Monate im Jahr im Ausland, um auf Wettkämpfen zu spielen. Ich wohne dann in luxuriösen Apartments mit Swimmingpool, gehe jeden Tag in Restaurants essen. Im Herbst fahre ich mit anderen Spielern meines Teams aus Frankreich, Schweden und Amerika nach Las Vegas zum Feiern.

SZ: Um dort das erspielte Geld wieder zu verspielen?

Fischer: So reich bin ich noch nicht, dass ich mein Geld in Vegas verballern könnte. Aber wir haben dort eine verdammt gute Zeit: Casino, Stretch-Limousine, Champagner, Stripclub - das ganze Programm eben.

SZ: Und trotzdem wollen Sie wieder zurück nach Meitingen?

Fischer: Früher habe ich davon geträumt, so leben zu können. Einfach nicht aufs Geld schauen zu müssen - das ist schon was Tolles. Aber wenn es zur Gewohnheit wird, ist das nichts Besonderes mehr. Richtig glücklich macht dieser Luxus nicht. Aber ab und zu macht es Spaß. Wenn ich danach wieder nach Hause komme, ist das ein krasser Unterschied.

SZ: Sind Sie dann wieder Asket?

Fischer: Das nicht. Man nimmt schon was vom schönen Leben mit nach Hause. Ich trinke eben manchmal Champagner statt Bier. Und wer mit mir abends weggeht, hat es auch nicht schlecht. Ich gebe öfters mal einen aus.

SZ: Was sagen Ihre Freunde zu Ihrem Erfolg?

Fischer: Meine richtig guten Freunde gönnen mir das. Klar, es gibt Neider. Die reden dann hinterm Rücken schlecht über einen. Vor allem im Internet.

SZ: Was machen Ihre Freunde?

Fischer: Von denen war noch keiner in Hollywood. Einer arbeitet bei Lidl, ein anderer im Stahlwerk. Ich weiß, dass sie hart für ihr Geld schuften. Wenn ich erzähle, wie es in den USA so war, sagen sie: Für so ein Leben müssen wir lange arbeiten, und du kriegst das nebenbei.

Auf der nächsten Seite: "Wenn ich daheim sitze, ist mir schon sehr langweilig."

SZ: Für viele Ihrer früheren Klassenkameraden haben Sie sicher einen Traumjob.

Fischer: Ja. Wenn ich mir meine Abschlussklasse ansehe, sind viele noch in der Ausbildung, andere arbeitslos. Ich kann sagen, dass ich von denen mit meinen 20 Jahren am meisten erreicht habe.

SZ: Früher galten Videospieler als Nerds, die sich in ihr Zimmer einschließen und von der Außenwelt abkapseln. Ist das heute anders?

Fischer: Total. Heute zockt so gut wie jeder, der in meinem Alter ist - egal ob am PC, mit der Playstation oder der X-Box. Ein Nerd ist heute einer, der 24 Stunden am Tag spielt.

SZ: Sie spielen drei Stunden. Ansonsten machen Sie nicht gerade viel am Tag. Wären da nicht die Reisen ins Ausland, sähe Ihr Leben ziemlich langweilig aus.

Fischer: Stimmt schon. Wenn ich daheim sitze, ist mir schon sehr langweilig.

SZ: Was machen Sie dann?

Fischer: Mal 'ne DVD gucken oder so.

SZ: Sie könnten ja arbeiten gehen.

Fischer: Nur um die Zeit totzuschlagen? Das habe ich nicht nötig. Blöd ist nur, dass meine Freunde abends nicht mehr Lust haben, mit mir auszugehen.

SZ: Warum das?

Fischer: Na, weil die abends fertig sind von der Arbeit.

SZ: Wie lange, glauben Sie, können Sie vom Konsolenspielen noch leben?

Fischer: Ich spiele jetzt seit einem Jahr professionell. Mal schauen, mit 30 werde ich sicher nicht mehr die gleichen Reflexe haben wie heute.

SZ: Dann gehören Sie zum alten Eisen. Wie lange halten Sie noch gegen junge Spieler mit?

Fischer: Das weiß ich nicht. Solange ich Lust drauf habe und gut spiele.

SZ: Haben Sie keine Angst, ohne das Spielen in ein Loch zu fallen?

Fischer: Ich weiß, dass es irgendwann aus ist. Aber bis dahin kann ich sagen: Ich habe mein Leben gelebt. Zur Sicherheit gehe ich zur Abendschule. Ich habe den Qualifizierten Hauptschulabschluss und will noch die mittlere Reife und das Fachabitur machen. Dann will ich Manager in der Spiele-Industrie werden. Mal schauen, ob das klappt.

SZ: Wenn Sie heute nach Ihrem Beruf gefragt werden, was sagen Sie dann?

Fischer: Das haben mich die vom Finanzamt auch mal gefragt. Ich habe denen gesagt: "Ich spiele X-Box und bekomme dafür Geld." Der Finanzbeamte hat zuerst ziemlich blöd geguckt. Dann hat seine Kollegin gemeint, dass sie letztens in der Lokalzeitung über einen Computerspieler gelesen habe. Da hab ich gesagt: "Das bin ich." Also haben sie mich als professionellen Computerspieler eingetragen. Jetzt zahle ich brav meine Steuern und kann meine Videospiele als Arbeitsmaterial absetzen.

© SZ vom 22.08.2008/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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