Merkel-Berater Weidmann:Denker im Hintergrund

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Oberste Maxime: Unauffälligkeit. Seit fünf Jahren ist Jens Weidmann der Wirtschaftsberater Angela Merkels. Wechselt er im Sommer zurück zur Bundesbank?

Nico Fried

An manchem Freitagabend dürfte Jens Weidmann auch mal an das Leben danach denken. Meistens sitzt er am Ende einer Woche mit 50, 60 oder mehr Arbeitsstunden am Berliner Flughafen und wartet auf eine Maschine nach Frankfurt. Er wird selten gestört, denn er wird selten erkannt. In seinem Job ist Unauffälligkeit Prinzip. Seit fünf Jahren ist Weidmann der Wirtschaftsberater Angela Merkels. Er hat eine Finanz-, eine Wirtschafts- und eine Währungskrise mitgemacht. Er hat geholfen, die Hypo Real Estate und Opel zu retten, derzeit geht es um den Euro. Er ist jetzt 42. Was soll eigentlich noch kommen?

Seit fünf Jahren berät Jens Weidmann Kanzlerin Angela Merkel, jetzt hat er gute Chancen auf einen Job bei der Bundesbank. (Foto: picture-alliance/dpa)

Angela Merkel hat ihre Macht in konzentrischen Kreisen organisiert. Den wichtigsten Zirkel um die Kanzlerin bilden ihre Büroleiterin Beate Baumann und ihre Medienberaterin Eva Christiansen. Dieser Kreis ist so eng, dass er mit der Kanzlerin fast schon eins geworden ist, eine politische Verklumpung, salopp gesprochen. Einen zweiten Kreis bilden Merkels Vertraute aus der CDU. Mindestens so wichtig ist aber der Kreis ihrer Berater. Und auf dieser Umlaufbahn wirken Zentrifugalkräfte, die nun auch an Jens Weidmann zerren.

Der promovierte Volkswirt könnte im Sommer zur Bundesbank wechseln. Der Bund hat das Vorschlagsrecht für die Nachfolge eines ausscheidenden Vorstandsmitglieds. Für Weidmann wäre es eine Rückkehr: Vor seinem Ruf ins Kanzleramt war er Leiter der Abteilung Geldpolitik in der Bundesbank, bei deren Präsident Axel Weber er auch studiert hatte. Für die Kanzlerin aber wäre es das Ende einer Beratertruppe, die sich durch Loyalität auszeichnete und zu einer verschworenen Gemeinschaft zusammenwuchs.

Merkels früherer Regierungssprecher Ulrich Wilhelm hat schon beim Bayerischen Rundfunk angefangen. Als nächstes wechselt der Leiter der Europa-Abteilung, Uwe Corsepius, nach Brüssel. Ginge auch Weidmann, dann bliebe noch Christoph Heusgen, Merkels Außenpolitiker, der auch an einem internationalen Posten interessiert sein soll, nachdem es für eine Fußballer-Karriere bei seinem Lieblingsverein FC Bayern zu spät ist. Keiner geht im Streit. Aber dass sie nun früher oder später alle gehen, gilt als ausgemacht. Wenn Merkel sie nicht adäquat ersetzen kann, hat sie ein Problem mehr.

Kompetenz und Rastlosigkeit für Einfluss und Nähe

Merkels ungewöhnliche Berater ordneten sich vollkommen dem politischen Wohl der Kanzlerin unter: Sie dachten vor und dachten nach, beides meist im Hintergrund. Wenn die politischen Entscheidungen gefallen waren, blieben sie sitzen für die Details. Sie hatten die Worte und Zahlen parat, wenn sie der Kanzlerin fehlten. Sie boten Kompetenz und Rastlosigkeit und bekamen Einfluss und Nähe zur Macht. Wahrscheinlich wird kein Job danach so aufregend.

Frankfurt wäre nicht schlecht für Weidmann, den freundlichen Mann mit der tiefen Stimme und einem guten Sinn für Humor. Mit seiner Frau und zwei Kindern wohnt er im hessischen Umland. Zur Kommunion seiner Tochter kam er einst zu spät, weil er auf Reisen mit Merkel von isländischer Vulkanansche zu einer Odyssee durch Europa gezwungen wurde. Künftig könnte er einfach die S-Bahn nehmen. Das Leben danach hätte also auch gute Seiten.

© SZ vom 02.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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