Matthias Graf von Krockow:Oppenheims diskreter Bankier

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Rote Zahlen - für die Privatbank Sal. Oppenheim war das nahezu undenkbar. Jetzt meldet Chefbankier Matthias Graf von Krockow die ersten Verluste seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs.

C. Dohmen

Elf Jahre führt Matthias Graf von Krockow nun die Privatbank Sal. Oppenheim. Jahraus, jahrein verkündete der Zwei-Meter-Mann gute Ergebnisse, erst am Kölner Stammsitz, nach dem Umzug dann am Luxemburger Konzernsitz. An diesem Dienstag aber wird es eine Premiere geben: Erstmals seit seinem Amtsantritt wird der Sprecher der persönlich haftenden Gesellschafter bei der Bilanzpressekonferenz einen Verlust verkünden. Und für das laufende Jahr wird er vermutlich nur einen mäßigen Gewinn prognostizieren.

Matthias Graf von Krockow führt die Privatbank Sal. Oppenheim seit elf Jahren - jetzt muss er zum ersten Mal Verluste melden. (Foto: Foto: Michael Dannenmann)

Sicher hätte der traditionsbewusste Bankier den 220. Geburtstag von Sal. Oppenheim gern anders gefeiert. Stattdessen muss er die Bank durch die schwerste Wirtschaftskrise seit 80 Jahren führen und die Frage beantworten, womit sie eigentlich künftig Geld verdienen will. Denn inzwischen lassen viele reiche Kunden die Finger von riskanten Geschäften, statt Aktien kaufen sie lieber sichere Staatspapiere - daran können ihre Vermögensverwalter aber kaum etwas verdienen. Schon jetzt muss Krockow sparen: Mindestens hundert der 4200 Stellen dürften gestrichen werden.

Krockows Vorgänger, deren Bildnisse wie das von Alfred Baron von Oppenheim an verschiedenen Stellen im Kölner Stammsitz hängen, haben das Haus erfolgreich durch die Geschichte manövriert. Nun ist Krockow gefragt, der aus einem verarmten pommerschen Adelsgeschlecht stammt, sich seinen Lebensunterhalt während seines Betriebswirtschaftsstudiums selbst verdiente, später bei amerikanischen Instituten das Bankgeschäft lernte, sich hocharbeitete - und dann nach der Heirat der Oppenheim-Enkelin Ilona Baronesse von Ullmann zum Kreis der persönlich haftenden Gesellschafter des Bankhauses stieß.

Robust wie Kölnisch Wasser

"4711", so fassen manche die Historie der Privatbank in Anlehnung an das gleichnamige Kölnisch Wasser zusammen: Vier Revolutionen habe die Bank überlebt, sieben Kriege und elf Regierungen. Man muss in den Oppenheim-Büchern weit zurückblättern, um Verluste zu finden, nach dem Zweiten Weltkrieg wurde immer Geld verdient. Von diesem Mythos der Unverwundbarkeit profitiert die Privatbank, der viele vermögende Kunden ihr Geld anvertrauen. Gerade in Deutschland sitzt die Angst der Familien mit altem Vermögen nach zwei Währungsreformen des vergangenen Jahrhunderts tief. Doch inzwischen ist auch bei Sal. Oppenheim das Vertrauen angeknackst.

Will man etwas über die jetzigen Probleme wissen, dann wird man im aktuellen Geschäftsbericht in der Rubrik "Beteiligungen und Finanzgeschäfte" nachlesen müssen. Insbesondere beim Handel mit Aktien und bei der Emission von Zertifikaten hat das Institut hohe Summen abschreiben müssen. Im ersten Halbjahr 2008 verdiente die Bank gerade noch 30 Millionen Euro. Kurz darauf, im September, kam dann die Pleite der US-Investmentbank Lehmann mit ihren dramatischen Folgen für die Geldwirtschaft.

Sorgenkind Arcandor

Hinzu kommen hohe Millionenverluste von Oppenheim aus der Beteiligung an dem Bonner Immobilienkonzern IVG. Und dann ist da noch das Sorgenkind Arcandor. Groß war die Verwunderung, als die Bank Ende September beim insolvenzbedrohten Essener Handelskonzern (Karstadt, Quelle, Thomas Cook) eingestiegen war. Kolportiert wird, die Rettung sei Krockow ein Herzensanliegen gewesen. Andere vermuten, er habe der langjährigen Bankkundin Madeleine Schickedanz aus der Bredouille helfen wollen.

Jedenfalls gehört zu Krockows engsten Weggefährten der Bauunternehmer Josef Esch, der wiederum Testamentsvollstrecker von Frau Schickedanz ist. Einen Privatkredit von 300 Millionen Euro sollen die Bankiers der Quelle-Erbin gewährt haben. Als Sicherheiten sollen sie jedoch keine Arcandor-Aktien bekommen haben, sondern vor allem Immobilien der Millionärin. Zusätzlich bewilligten sie einen Kreditrahmen, von dem 30 Millionen Euro bislang abgerufen worden sind. Damit füllten die Kölner eine Kreditlücke, welche die bisherigen Hausbanken von Arcandor nicht mehr schließen wollten. Eine Pleite von Arcandor wäre schmerzhaft für Oppenheim. Deswegen hat Krockow seinen Vorstandskollegen Friedrich Carl Janssen als Aufsichtsratschef nach Essen geschickt. Der räumt dort nun auf.

Ein Zeichen haben die 40 Eigentümer der Bank gesetzt: Erst bewilligten sie 200 Millionen Euro und stärkten damit die Eigenkapitalbasis der Bank, die zuletzt geschrumpft war. Zusätzlich bewilligten sie bei der Gesellschafterversammlung Ende Dezember einige Millionen aus ihrem Privatvermögen für eine Gesellschaft, welche die Beteiligungen und das Geschäft mit Private-Equity-Dachfonds übernimmt. Damit gewinnt die Bank mehr Bilanzierungsspielraum. Unverständlich ist einigen Beobachtern jedoch, warum die Bank mit diesen Nachrichten wochenlang hinter dem Berg hielt. Irgendwann sickerten die Informationen dann durch, ebenso wie die von einem möglichen Verkauf der Tochtergesellschaft BHF-Bank. Plötzlich kochte die Gerüchteküche über den Zustand von Oppenheim hoch, von "Schicksalstagen" war die Rede.

Schlappe mit BHF

Tatsächlich hatte die Bank von den Analysten des Konkurrenten Rothschild prüfen lassen, was sie für ihre BHF-Bank bekommen könnte. Wenn mit Bankgeschäften künftig weniger Geld zu verdienen ist, sollte man die Tochter vielleicht verkaufen, so könnte das Kalkül gelautet haben. Und hatte Oppenheim nicht häufig wirtschaftliche Trendwenden für Verkäufe genutzt, sich beispielsweise frühzeitig aus dem Versicherungs-, Hypotheken- oder Kreditgeschäft zurückgezogen?

Die BHF - das war der Coup von Krockow. Er hatte die Filetstücke der Bank vor fünf Jahren von der niederländischen ING Diba erworben; damit stieg Sal. Oppenheim zur größten europäischen Privatbank auf. Gerne erzählte Krockow wenig später, welche üppigen Preise Konkurrenten für die BHF nun bieten würden. Doch jetzt, in Zeiten der Bankenkrise lagen die Gebote weit unter der Schmerzgrenze von einer Milliarde Euro. So ruderte Oppenheim zurück. Jedenfalls sieht die Bank nun keinen Grund mehr für einen Verkauf der BHF.

Vielleicht gingen die Partner mit dieser Nachricht diesmal an die Öffentlichkeit, weil sie über die vorangegangene öffentliche Diskussion erschrocken waren. Es sei ein schlechtes Zeichen, wenn Oppenheim die BHF zum Schnäppchenpreis abgeben würde, hatte es geheißen. Plötzlich gab es Zweifel an der Robustheit der Bank. Doch so ist das mit der Öffentlichkeit. Die Bankiers schätzen sie, wenn sie gute Zahlen zu verkünden haben oder politische Forderungen aufstellen; wie etwa jene zur Privatisierung der Sparkassen vor einigen Jahren. Ansonsten wickeln sie die Bankgeschäft lieber ganz diskret ab.

© SZ vom 28.04.2009/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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