Krieg der Banker:Die Rache des Widerlings

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Eine Lehrerin in den USA bezeichnet Lehman-Banker als schmierig - und spricht damit dem ganzen Land aus der Seele. Jetzt fordert ein Banker nach den "linken Schmähreden" ihren Rauswurf.

Moritz Koch

Hugh "Skip" McGee III. ist außer sich. Ein "Sleazeball" soll er sein. Er und all seine Kollegen. Unerhört. Und dann noch die Sache mit dem Sketchverbot. Football-Spieler dürfen sich nicht mehr als Frauen verkleiden? Amerika, Land der Freiheit, was ist aus dir geworden!

Erst schimpfte eine Lehrerin auf die Banker, dann entschuldigte sie sich. Doch das reichte nicht. (Foto: Foto: dpa)

Höchste Zeit für eine Revolte der schweigenden Mehrheit und einen Protestbrief, adressiert an das Kuratorium der Kinkaid School in Houston, Texas, einer der feinsten Privatschulen in USA. Dort besucht McGees Sohn John Ed die Oberstufe - und muss einen täglichen Kampf gegen "linke Beschimpfungen" und "politische Korrektheit" führen.

Hugh McGee ist einer der Topverdiener an der Wall Street. Der 49-Jährige ist Chef der Investmentabteilung von Barclays Capital in New York. Sein Brief, datiert vom 11.November 2009, fünf Seiten lang, ordentlich unterteilt mit Zwischenüberschriften und Gliederungspunkten, lässt tief in die gekränkte Bankerseele blicken.

In erster Linie geht es um die Umtriebe von Leslie Lovett. Die Lehrerin, schreibt McGee, habe die Unverfrorenheit besessen, in Gegenwart seines Sohnes die Behauptung aufzustellen, dass "Barclays und Lehman irgendwie eine Menge Geld mit der Lehman-Pleite verdient" hätten.

Ausdruck der öffentlichen Meinung

Zur Erinnerung: Die Investmentbank Lehman Brothers war im vergangenen September in die Insolvenz gestürzt. Daraufhin hatte die britische Bank Barclays Filetstücke der Bank aus der Konkursmasse gefischt und viele der havarierten Lehman-Manager angeheuert, auch Hugh McGee.

Frau Lovetts Verdächtigungen waren Ausdruck der öffentlichen Meinung. Lehman ist in den USA zum Inbegriff der Selbstherrlichkeit der Wall Street geworden. Der frühere Lehman-Chef Richard Fuld hatte bis zuletzt daran geglaubt, dass Regierung und Notenbank seine Bank retten würden. Eigene Fehler kann er bis heute nicht erkennen.

Diese Mischung aus Arroganz und Anspruchsdenken hat Banker in Amerika verhasst gemacht. Bei Frau Lovett klingt das so: Banker seien "Sleazeballs", also schmierige Widerlinge. Und unehrlich sowieso. McGee junior schossen die Tränen in die Augen, als er das hörte. Der Bankersohn stellte seine Lehrerin zur Rede. "Er sagte ihr, dass sein Vater rund um die Uhr gearbeitet habe, um 11.000 Arbeitsplätze zu retten, und dass sie absolut keine Ahnung davon hätte, worüber sie redet", schreibt Hugh McGee.

Offenbar hat der tapfere Auftritt des Jungen Eindruck bei Lehrerin Lovett hinterlassen, jedenfalls schrieb sie John Ed eine E-Mail und entschuldigte sich. Doch dem zornigen Vater ist das nicht genug.

Die "linken Schmähreden" der Lehrerin seien "weder akkurat noch Teil des Lehrplans", zetert er in dem Brief. Darum müssten die Kuratoren handeln. Hugh McGee fordert, dass der Lehrerin gekündigt wird; wörtlich schreibt er, sie solle "terminiert" werden. Und nicht nur sie. Auch Schulleiter Donald North und der Direktor Michael Saltman sollten ihre Posten räumen - schließlich hätten sie den armen John Ed mit einem Sketchverbot "erniedrigt".

Das kam so: John Ed und seine Kameraden aus dem Footballteam wollten sich vor einem Match als Cheerleader verkleiden und dem Publikum einheizen. Doch kurz vor dem Auftritt wurde der Sketch gestrichen. Natürlich steckte wieder einmal Frau Lovett dahinter. Sie hatte sich über "negative Geschlechterklischees" beklagt. McGee ist empört: North und Saltman seien vor der feministischen Furie eingeknickt.

Am Ende seines Briefes schreibt der Banker, er hoffe und bete, "dass die Kuratoren verantwortlich handeln". McGee ist es gewohnt, seinen Willen durchzusetzen.

Anfang des Jahres, auf dem Höhepunkt der Finanzkrise, gelang es ihm nach Angaben der angesehenen Internetseite Daily Beast, ein Gehalt von 25 Millionen Dollar auszuhandeln. Barclays will diese Zahl nicht bestätigen. Auch zu dem Protestbrief ihres Starmanagers schweigt die Bank lieber.

© SZ vom 05.12.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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