Kommunikationstechnik:"Ein Smart Home ist nicht weniger sicher"

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Der Dortmunder Forscher Rüdiger Kays über die Gefahren durch Angriffe aus dem Internet, konkurrierende Standards und Lebenszyklen. Und über die für Verbraucher ziemlich verwirrende Vielfalt von Systemen.

Interview von Thorsten Riedl

Vor den Komfort hat die Elektronik die Mühe gesetzt: Wer ein Smart Home zu Hause installieren will, ob im Neu- oder Altbau, sollte das System sorgfältig planen. Professor Rüdiger Kays vom Lehrstuhl für Kommunikationstechnik der TU Dortmund nennt die wichtigsten Schritte.

SZ: Sie arbeiten schon seit den 90er-Jahren am Thema Smart Home. Wieso dauert der Weg in die Praxis so lange?

Rüdiger Kays: Früher habe ich am Thema für ein Unternehmen aus der Unterhaltungsindustrie geforscht, heute im Rahmen meines Lehrstuhls an der TU Dortmund. Der Vergleich zum Auto liegt nah: Auch das wird smarter - aber im Gegensatz zum Hausbau gibt es dort einen Systemintegrator, der alles vereint. So etwas fehlt im Haus. Viele verlieren den Überblick in der Masse der konkurrierenden Produkte und Standards.

Jeder Anbieter will seine Ideen in den Markt drücken. Auf der Strecke bleibt im Moment der Kunde. Was tun?

Das Smart Home muss noch smarter werden, um in den Haushalten endgültig anzukommen. Es mangelt an Lösungen, die einfach zu bedienen sind und alles miteinander verbinden, von der vorhandenen Musik und den Filmen bis zur Gebäudetechnik. Es gibt viele verschiedene Lösungen auf dem Weg zu einer umfassenden Lösung - und verbindende Elemente, im Fachjargon "Gateway" oder "Bridges" genannt, die verschiedene Kommunikationstechniken miteinander verbinden können.

Gateways helfen, Unterschiede verschiedener Systeme zu überbrücken?

Genau. Im Lichtbereich beispielsweise wird traditionell oft ein Standard namens Zigbee eingesetzt, bei der Heizung dagegen Z-Wave - und so zieht sich das durch die verschiedene Elemente eines Smart Home. Mit einem Gateway lassen sich unterschiedliche Standards und Produkte verschiedener Hersteller zu einem Smart-Home-System zusammenführen.

Stets mit dem Netz verbunden?

Nicht unbedingt. Alle Daten über die Cloud, also über Rechenzentren außerhalb des eigenen Heims zu übertragen, steht auf der Wunschliste der Anbieter sicher ganz oben - notwendig ist es nicht. Statusfunktionen können von außen einsehbar sein, etwa über das Smartphone: Ist der Herd aus, die Haustür geschlossen? Ein zuverlässiges und robustes Smart Home muss aber auch autark funktionieren und wird so sicher. Internetzugang braucht es in der Regel nur für Komfortfunktionen.

Wie groß ist denn die Gefahr von Angriffen aus dem Internet?

Es existiert kein technisches System, das mit entsprechendem Aufwand nicht an-greifbar wäre - und das wird es auch nie geben. Der Hauptangriffspfad verläuft über das Internet. Hier gilt das Prinzip der Datensparsamkeit: Nicht jeder Motor eines Rollladens braucht einen Netzzugang. Selbstverständlich muss hausintern auch eine verschlüsselte Funkübertragung ein-gesetzt werden. Man sollte aber auch bei all der Panikmache nicht vergessen: Ein Smart Home ist nicht weniger sicher als ein konventionelles Heim. Die meisten Einbrüche werden mit stumpfer Gewalt aus-geführt. Das smarte Zuhause kann da sogar helfen, zum Beispiel, indem es die Anwesenheit der Bewohner simuliert.

Wie schwer ist es, einen Altbau im Nachhinein smart zu machen?

Das hängt vom Geldbeutel ab. Bei einem Privathaus muss gut überlegt sein, was sich rentiert. Am besten eignet sich ein System auf Funkbasis, denn es ist einfach und stufenweise nachrüstbar und lässt sich den Lebensgewohnheiten anpassen. Ein Haus lebt ja mit einer Familie, Räume ändern sich, Lieblingsplätze variieren.

Gebäude und Hightech haben unter-schiedliche Lebenszyklen. Was gilt es da zu beachten?

Installationselemente im Haus werden in der Regel erst bei einem Wechsel des Be-sitzers oder einer grundlegenden Renovierung verändert. Da können Jahrzehnte ver-gehen, bis ein Lichtschalter getauscht wird. Und jeder kennt Häuser, in denen noch Drehschalter ihren Dienst tun, die ein Jahrhundert auf dem Buckel haben. Das sieht völlig anders aus in der Welt der Smartphones, wo wir uns daran gewöhnt haben, uns alle zwei bis drei Jahre in ein neues Gerät einzuarbeiten. Jeder Anbieter wird zwar sagen, dass sein System zukunftssicher ist - aber da stecken Mikroprozessoren drin. Und Chiphersteller haben eine andere Denke als Konstrukteure eines Lichtschalters. Helfen kann auch bei diesem Problem ein Gateway, der die Mittlerfunktion zwischen Geräten unter-schiedlichen Alters übernimmt.

Werden Besitzer von einem Smart Home noch abhängiger von Strom und Internet? Ohne funktioniert ja nichts mehr.

Das ist doch heute schon so: Ohne Strom bleiben elektrische Rollläden unten und die Heizung aus. Diese Abhängigkeit ändert sich künftig nicht. Und das Internet kommt im Zweifelsfall über das Mobilfunknetz, das gegen Ausfälle besser geschützt ist. Also, keine Angst: Mit dem Smart Home ändert sich gar nicht so viel.

© SZ vom 03.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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