Jörg Asmussen:Der böse Bube

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Weil Finanzminister Peer Steinbrück nicht zu packen ist, hat sich der HRE-Untersuchungsausschuss auf Staatssekretär Jörg Asmussen eingeschossen. Jetzt muss er aussagen.

Claus Hulverscheidt

Da sitzt er also. Der Mann, der Kanzler, Minister und Hunderte Abgeordnete an der Nase herumgeführt haben soll, der Mann, von dem es heißt, er habe ganze Koalitionsverträge manipuliert und den Gläubigerbanken des maroden Immobilienfinanzierers Hypo Real Estate (HRE) die Milliarden zugeschoben. Monatelang hatten FDP, Grüne und Linke nach jemandem gesucht, der dieser vermaledeiten Finanz- und Wirtschaftskrise endlich ein Gesicht gibt. Nun, nach vier Monaten HRE-Untersuchungsausschuss, scheint dieses Gesicht gefunden: Es ist das von Jörg Asmussen.

Jörg Asmussen muss vor dem HRE-Untersuchungsausschuss aussagen. Seine Kritiker haben sich längst auf ihn eingeschossen. (Foto: Foto: dpa)

An einem Donnerstag im Juli sitzt dieser Asmussen im Cafe Spreegold im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg und rührt in seinem Milchkaffee. Wäre das raspelkurze Haar nicht schon ein wenig ergraut, der 42-Jährige mit den jugendlichen Gesichtszügen würde glatt als einer der vielen Studenten durchgehen, die im Viertel umherschwirren. Stattdessen aber ist er der böse Bube in einem Polit-Krimi - eine Rolle, die ihm zum eigenen Leidwesen wie auf den Leib geschneidert ist: In nur zwölf Jahren stieg Asmussen im Bundesfinanzministerium vom Referenten zum Staatssekretär auf. Er saß im Aufsichtsrat der beinahe zusammengebrochenen Bank IKB, und er gehörte gleichzeitig dem Verwaltungsrat der Bankenaufsicht Bafin an, die die IKB kontrollieren sollte. Er bereitete die Zulassung hoch spekulativer Hedgefonds in Deutschland vor, und er war an der Lockerung der Verhaltensregeln für Banken, Investmentfonds und Beteiligungsgesellschaften beteiligt.

Für Verschwörungstheoretiker ein klarer Fall: Sie halten den Vater von zwei kleinen Kindern für ein von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann in die Politik eingeschleustes U-Boot, das die Order hat, die Gesetzgebung im Sinne der Banken zu beeinflussen. Als Beleg für diese These wird gern ein Aufsatz angeführt, der im Oktober 2006 in der Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen erschien und mittlerweile an alle Zeitungsredaktionen des Landes gemailt wurde. Darin schreibt der vermeintliche Autor Asmussen unter anderem, dass den Banken "keine unnötigen Prüf- und Dokumentationspflichten" auferlegt werden dürften, "wenn sie in 'gängige' ABS-Produkte mit gutem Rating investieren".

ABS-Produkte - das sind jene Zockerpapiere, die die Finanzkrise mitverschuldeten, und die jetzt Volker Wissing, Gerhard Schick und Axel Troost in Rage bringen: Es könne doch wohl nicht sein, so klagen die Vertreter von FDP, Grünen und Linken im Untersuchungsausschuss einhellig, dass ausgerechnet der Beamte, der die Zulassung der Krisenpapiere mit betrieben habe, heute der oberste Krisenmanager der Republik sei. Hier werde der Bock zum Gärtner gemacht.

Beteiligt ja, aber nicht entschieden

Treffender wäre wohl das Bild vom Sack, der geschlagen wird, weil man sich an den Esel nicht herantraut. Zwar war Asmussen sehr wohl an der Erarbeitung vieler Gesetze beteiligt, die Entscheidungen aber trafen andere: Angela Merkel etwa, Peer Steinbrück, Hans Eichel. Nach Eichel fragt heute niemand mehr, Merkel bleibt ein Auftritt vor dem Ausschuss erspart, weil FDP-Chef Guido Westerwelle es sich mit der Wunsch-Koalitionspartnerin nicht verscherzen will. Allein Steinbrück muss am Donnerstag als Zeuge aussagen - aber mehr der Form halber.

Hinzu kommt: ABS-Papiere galten in den wirtschaftlich trüben Jahren 2002 und 2003 parteiübergreifend als grandiose Idee, um die Geldversorgung der Wirtschaft sicherzustellen. Vor diesem Hintergrund ist auch der Aufsatz in der Fachzeitschrift zu verstehen, der aus damaliger Sicht vor allem Binsenweisheiten enthielt und im Übrigen gar nicht von Asmussen verfasst wurde. Autor war vielmehr ein Referent, der aber keine Prokura hatte, die offizielle Linie des Ministeriums nach außen zu vertreten. Deshalb setzte man den Namen des Abteilungsleiters in die Autorenzeile.

Wissing, Schick und Troost wussten schon bei Einsetzung des Untersuchungsausschusses, dass sie es kaum schaffen würden, am Ende einen echten Hochkaräter zum Rücktritt zu zwingen. So wurde Asmussen zum größten gemeinsamen Nenner. Das ist insofern bemerkenswert, als sich noch vor Jahren kein einziger Bundestagsabgeordneter finden ließ, der auch nur ein schlechtes Wort über ihn sagen wollte. "Er hat Sachverstand und denkt strategisch", applaudierte die Grünen-Finanzexpertin Christine Scheel damals, und ihr FDP-Kollege Carl-Ludwig Thiele schwärmte gar vom "einzigen fähigen Beamten der Regierung". Wenn die Liberalen überhaupt etwas an Asmussen auszusetzen hatten, dann, dass seine Ideen noch nicht liberal genug waren.

Auch heute bezeichnet manch führender Grünen- und FDP-Politiker den Umgang des Ausschusses mit Asmussen als "Sauerei"- allerdings nur hinter vorgehaltener Hand. Einer der wenigen Parlamentarier, der damals wie heute offen zu SPD-Mitglied Asmussen steht, ist Unionsfraktionsvize Michael Meister. Asmussen habe sich in der Krise bewährt und gute Arbeit geleistet, sagt er. "Man sollte daher aufhören, ihm Knüppel zwischen die Beine zu schmeißen."

Ständig unter Verdacht

Interessant ist, dass Asmussen im Laufe seiner Karriere schon mehrfach für ein Trojanisches Pferd gehalten wurde - wenn auch nicht als das des Josef Ackermann. Nach seinem Eintritt ins Ministerium 1996 galt der Ökonom zunächst als Zögling des liberalen Abteilungsleiters Klaus Regling. Das machte ihn verdächtig, als Oskar Lafontaine 1998 das Haus übernahm. Dennoch wurde er Referent des neuen Staatssekretärs Heiner Flassbeck. Eine Doppelstrategie: Asmussen sollte Flassbeck das Regieren zeigen, Flassbeck Asmussen auf Linie bringen. Als dann wenige Monate später Eichel den geflohenen SPD-Vorsitzenden ablöste, hing dem jungen Referenten plötzlich der Ruf des Lafontainianers an.

Auch Asmussen selbst hat Fehler gemacht. So räumt er ein, dass man EU-weit die Finanzmarktregeln liberalisiert habe, ohne zugleich eine europäische Aufsicht zu schaffen. Die Regierungen hätten so den Überblick über die zunehmenden globalen Verflechtungen der Banken verloren. "Jeder hat den Baum angeguckt", sagt Asmussen, "aber keiner den Wald." Auch den Vorwurf, dass es nicht sinnvoll ist, wenn derselbe Vertreter des Bundes im Aufsichtsrat einer Bank und im Verwaltungsrat der Bafin sitzt, lässt er gelten: "Eigentlich ist das kein Interessenkonflikt, weil es im Verwaltungsrat der Bafin nicht um Aufsicht geht, sondern um so profane Dinge wie Stellenpläne und den Behördenhaushalt. Aber das kriegt man öffentlich nicht erklärt."

Den zentralen Fehler aber beging Asmussen an anderer Stelle: Er übernahm zu viele Aufgaben, delegierte zu wenig und entschied zu viel im kleinen Kreis. So ist aus heutiger Sicht kaum verständlich, dass im Laufe des Jahres 2008 regierungsintern niemand auf die Idee kam, einen Krisenstab einzurichten, der einen Fall wie die Pleite einer deutschen Großbank einmal theoretisch durchspielt.

Informell gab es einen solchen Stab. Er bestand aus Asmussen, Bundesbankchef Axel Weber und Merkels Wirtschaftsberater Jens Weidmann. Alle drei kennen sich aus ihrer Zeit an der Universität Bonn: Asmussen und Weidmann waren damals Studenten, Weber ihr Dozent. Asmussen vergaß jedoch, seine Mitarbeiter einzubinden, was dazu führte, dass der Informationsfluss von unten versiegte und sich viele Referate überflüssig vorkamen. "Die hatten das Gefühl, dass sie nur für den Papierkorb arbeiten, weil die da oben ohnehin allein entscheiden", sagt ein langjähriger Ministeriumsmitarbeiter. So konnte es kommen, dass den Staatssekretär vor Beginn der HRE-Rettungsverhandlungen niemand über den dicken Ordner informierte, der im Ministerium bereits zum Fall Hypo Real Estate lagerte. An diesem Mittwoch wird Asmussen erstmals die Gelegenheit erhalten, seine Sicht der Dinge vor dem Untersuchungsausschuss darzulegen. Er wird sich verteidigen, erklären und - so klug ist er - auch Fehler einräumen. Nach dem Gesicht der Krise aber wird die Opposition wohl weiter fahnden müssen.

© SZ vom 19.8.2009/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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