Internationaler Währungsfonds:Ringen um die Macht

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IWF-Chefin Lagarde will die Rolle des Internationalen Währungsfonds erheblich erweitern: Die Organisation könnte gar die Funktion einer Weltzentralbank übernehmen. Dummerweise fehlt dafür das Geld, zumindest in Europa. Darum könnte nun China ins Spiel kommen. Wieder einmal.

Nikolaus Piper

Als sich Christine Lagarde im Frühsommer um den Posten der Geschäftsführenden Direktorin des Internationalen Währungsfonds bewarb, gab es ein besonders dummes Argument für die Wahl der Französin: Der IWF brauche an der Spitze unbedingt einen Europäer oder eine Europäerin, denn es gehe jetzt ja darum, die europäische Schuldenkrise zu lösen, und das könne eben eine ehemalige Finanzministerin aus Paris viel besser als ein ehemaliger Notenbankpräsident aus Mexiko.

Madame Lagarde will, das ist bei der Jahrestagung von IWF und Weltbank klar geworden, die Rolle des IWF bei der Lösung der Finanzkrisen stärken. (Foto: REUTERS)

Wenn dieses Argument intern beim IWF überhaupt eine Rolle gespielt haben sollte, dann dürfte es das Leben von Lagarde seit ihrem Amtsantritt eher erschwert haben. Tatsächlich ist ja die Europa-Krise derzeit das mit Abstand wichtigste Thema für den IWF, aber die Europäer treten dabei als Bittsteller und als Sündenböcke auf, nicht als Problemlöser. Schließlich sind sie es, die - als reiche Industrieländer - bisher nicht in der Lage sind, die Krise dauerhaft zu entschärfen. Ende August forderte Lagarde erfrischend deutlich die europäischen Banken auf, sich mehr Eigenkapital zu besorgen. Der Hinweis auf das Offensichtliche hat manch einen in Europa schockiert, dürfte aber die Glaubwürdigkeit der neuen IWF-Chefin in der internationalen Finanzwelt erhöht haben.

Madame Lagarde will, das ist bei der Jahrestagung von IWF und Weltbank klar geworden, die Rolle des IWF bei der Lösung der Finanzkrisen stärken. Sie setzt damit den Kurs ihres Vorgängers Dominique Strauss-Kahn fort. Und das bedeutet in erster Linie: Der Fonds soll mehr Kapital bekommen. "Unsere Kreditkapazität von 400 Milliarden Dollar sieht heute komfortabel aus, aber sie verblasst angesichts des möglichen Finanzbedarfs gefährdeter Länder", sagte sie.

Die Frage ist, wo dies Geld herkommen soll. Als Reaktion auf die Finanzkrise hat der IWF bereits seinen Kreditrahmen auf ein Vielfaches seiner früheren Größe ausgeweitet. Zudem beschlossen die 187 Mitglieder im vergangenen Jahr eine Verdoppelung der Quoten - vergleichbar einer Kapitalerhöhung bei einer normalen Bank - auf knapp 800 Milliarden Dollar. Aber diese Erhöhung wird frühestens Ende 2012 von allen Mitgliedern ratifiziert sein. Jetzt geht es darum, ob kapitalstarke Länder, in erste Linie China und Japan, Kreditlinien an den Fonds ausweiten. Indirekt könnte also erneut die Volksrepublik als Retter Europas ins Spiel kommen.

Ähnlich wie Strauss-Kahn will Lagarde dabei die Rolle des IWF auch in der Sache erheblich erweitern: Der Fonds soll nicht mehr nur, wie im Falle Griechenland, mit Beistandskrediten bereitstehen, wenn ein Land am Rande der Zahlungsunfähigkeit steht, sondern in der Lage sein, solche Länder mit Liquidität zu stützen, die zwar nicht insolvent sind, aber Gefahr laufen, von der Schuldenkrise angesteckt zu werden und Probleme mit der Geldversorgung bekommen. Das könnte sogar Euro-Länder wie Spanien oder Italien betreffen. Der IWF würde dadurch ein wenig die Rolle eines "Lenders of Last Resort", einer Weltzentralbank übernehmen. Dafür aber reichen, trotz aller Ausweitung, die heutigen Mittel des Fonds bei weitem nicht.

Der Ökonom Raghuram Rajan aus Chicago hat vorgeschlagen, den Rettungsschirm der Euro-Zone EFSF mit einem neuen Kreditprogramm des IWF zu kombinieren und so ein machtvolles Instrument zu schaffen, das jeder Panik auch in einem großen Land vorbeugen kann. Das Instrument läge zwar in den Händen des IWF, die Europäer würden jedoch den größeren Teil des Risikos tragen. Gut möglich, dass die großen IWF-Mitglieder auf solche Ideen zurückgreifen werden.

All die Überlegungen über eine noch stärkere Rolle des IWF in der Euro-Krise sind auch ein Eingeständnis der europäischen Politik: Wir können unsere Probleme nicht alleine lösen. Das dürfte für den Einfluss des alten Kontinents innerhalb des IWF nicht folgenlos bleiben.

© SZ vom 27.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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