HSH Nordbank:Hamburger Tollhaus

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Skandalbank HSH: Die Aufsichtsräte beraten nun über die Spitzelaffäre - auch wenn diese gar nicht auf der Tagesordnung steht.

Kristina Läsker, Hamburg

Wenn sich Top-Manager zur Sitzung treffen, stehen wirklich wichtige Themen oft gar nicht auf der offiziellen Tagesordnung. Denn die könnte ja nach außen sickern und für Aufregung sorgen. Zumindest bei der HSH Nordbank möchten das viele gern vermeiden. An diesem Donnerstagmorgen um halb zehn treffen sich die Aufsichtsräte des skandalgeschüttelten Instituts in Kiel. Auf ihrer Tagesordnung stehen nur normale Belange. Es gibt keine Hinweise auf all die Affären, mit denen die Landesbank zuletzt in Verruf geraten ist.

HSH Nordbank: Affären, die selbst hart gesottene Kontrolleure schockieren. (Foto: dpa)

Dabei sind es Affären, die selbst hart gesottene Kontrolleure schockieren. Auf der Agenda steht jedenfalls nichts von der Bespitzelung von Bankvorständen in Hamburg. Nichts zu vermeintlich untergeschobenen Kinderpornos in New York. Nichts zu den Razzien bei der von der HSH beauftragten Spitzelfirma Prevent.

Dabei hatte sich der Aufsichtsratschef und ehemalige Deutsch-Banker Hilmar Kopper nach der letzten Sitzung am 26.September schützend vor Bankchef Dirk Jens Nonnenmacher gestellt und ihm vollmundig das "uneingeschränkte Vertrauen" aller 20 Kontrolleure ausgesprochen. Der 75-Jährige versprach, eine "renommierte Anwaltskanzlei und eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft" damit zu beauftragen, die Vorgänge um Nonnenmacher und andere Top-Banker lückenlos und schnell zu durchleuchten.

Gutachten offenbar fertig

Es spricht einiges dafür, dass die Aufsichtsräte am Donnerstag mehr erfahren könnten - im inoffziellen Teil der Sitzung. Denn angeblich hat die von Kopper beauftragte amerikanische Anwaltskanzlei Wilmer Hale ihr Gutachten bereits fertig gestellt. Das verlautet aus dem Umfeld der Bank. Demnach liegt der Staatsanwaltschaft in Kiel eine Teil-Auswertung der US-Anwälte vor. Diese befasse sich mit Bankchef Nonnenmacher und dem inzwischen beurlaubten Chefjuristen der HSH, Wolfgang Gößmann, heißt es - und mit ihren Rollen bei der Bespitzelung von Kollegen. Die Sprecherin der Kieler Staatsanwaltschaft wollte das nicht kommentieren.

Hintergrund der Affäre ist der Rauswurf des HSH-Vorstands Frank Roth im April 2009. Dieser war nach nur elfmonatiger Amtszeit fristlos gefeuert worden, weil er angeblich vertrauliche Unterlagen an Journalisten verschickt hatte. Vor gut zwei Monaten waren aber Hinweise aufgetaucht, wonach die Bank - damals schon unter der Führung von Nonnenmacher - angeblich gezielt am Rauswurf von Roth gearbeitet haben könnte. Festgehalten ist das in einem Gesprächsprotokoll zwischen Detektiv Arndt U. von der Sicherheitsfirma Prevent und dem HSH-Betriebsratschef Olaf Behm.

Das Protokoll verrät Abenteuerliches: Der Detektiv hatte laut diesen Aufzeichnungen in Roths Vorstandsbüro Wanzen installiert und dessen Privatwohnung in Hamburg durchsucht. Auch die Telefonanlage will er angezapft haben. Außerdem bekannte sich der Detektiv ursprünglich dazu, dass er "und nicht Herr Roth" die Bankpapiere versandt habe, was zum Rauswurf Roths führte.

Aussagen widerrufen

Inzwischen hat der Detektiv seine Aussagen widerrufen. Doch die Kieler Staatsanwaltschaft scheint sie für glaubhaft zu halten. Die schleswig-holsteinischen Fahnder hatten Ende Juni das ursprünglich von der HSH gegen Roth angestrebte Strafverfahren eingestellt. Es fehlten schlichtweg die Beweise für einen unterstellten Geheimnisverrat. Inzwischen haben die Kieler erneut die Initiative ergriffen und ein neues Ermittlungsverfahren eröffnet. Dieses Mal gegen die Bank. Sie verdächtigten die HSH nun der "falschen Verdächtigung", sagte Oberstaatsanwältin Birgit Heß.

Da es darum geht, dass die Bankspitze womöglich eine ganze Behörde genarrt hat, sind die Fahnder nicht zimperlich. Vor knapp zwei Wochen durchsuchten etliche Polizisten die drei Büros von Prevent in Hamburg, München und Frankfurt nach Spuren. In Kiel wird die Prevent AG derzeit als Zeugin geführt.

Mithilfe der beschlagnahmten Laptops und Unterlagen wollen die Fahnder klären, wer bei der HSH die Detektive beauftragt hat - und was sie genau tun sollten und durften. Ins Visier der Fahnder gerät neben Ex-Chefjurist Gößmann immer wieder HSH-Chef Nonnenmacher. Beide hatten zuletzt beteuert, an keinerlei illegalen Aktionen beteiligt gewesen zu sein. Doch der Vertrag mit Prevent trägt Nonnenmachers Unterschrift. Der auf Wirtschaftskriminalität spezialisierte Dienstleister soll nach SZ-Informationen im Jahr 2009 mehr als sieben Millionen Euro von der Nordbank erhalten haben. Eine gigantisch hohe Summe für normale Sicherheitsleistungen.

Ob Nonnenmacher auch Spitzel auf unliebsame Kollegen angesetzt hat, dürfte die Kontrolleure daher dringend interessieren. Denn lange können sich die Aufsichtsräte bei der Aufklärung nicht mehr Zeit lassen. Täglich wächst der Druck der Haupteigner der Bank, Schleswig-Holstein und Hamburg, sowie der zuständigen Politiker. Nachdem zwei parlamentarische Untersuchungsausschüsse zur HSH bisher ins Leere gelaufen sind, wollen sie endlich die Verursacher der Affären zur Rechenschaft ziehen.

© SZ vom 21.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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