Grundsteuer:Zahltag für Besitzer von Immobilien

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Jedes Jahr fließen Milliarden in die Kassen der Kommunen, doch vielen reicht das nicht. Mehr als jede dritte will die Abgabe erhöhen. Der Unmut darüber wächst.

Von Simone Gröneweg

Die Bürger aus Bergneustadt machen mobil. Mit 6000 Einsprüchen und einer Demonstration vor dem Düsseldorfer Landtag reagierten sie auf eine geplante Erhöhung der Grundsteuer für ihren Ort. Schon jetzt rangiere Bergneustadt mit einem Hebesatz von 959 Prozentpunkten bei der Grundsteuer B an der Spitze des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen, beschwerten sich die empörten Bürger. Eine weitere Anhebung wollen sie verhindern.

In den Haushalten der Städte und Gemeinden ist die Grundsteuer eine wichtige Einnahmequelle. Insgesamt nahmen Kommunen in Deutschland 2014 etwa zwölf Milliarden Euro damit ein. Den Löwenanteil - nämlich elf Milliarden Euro - brachte die Grundsteuer B, die für bebaute und bebaubare Grundstücke sowie Gebäude erhoben wird. Das Geld stammt also von Immobilien- und Grundstückseigentümern. Mieter zahlen ebenfalls, denn die Eigner können die Ausgaben als Nebenkosten auf sie umlegen.

Etwa 38 Prozent der Kommunen planen, ihre Hebesätze für die Grundsteuer zu erhöhen. Das ergab eine Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young (E&Y) im vergangenen Jahr. Die Berater hatten 300 deutsche Kommunen befragt und die Verschuldungssituation von Kommunen mit mindestens 20 000 Einwohnern analysiert. Etwas mehr als die Hälfte der Kommunen würden 2015 mit einem Defizit abschließen, lautete die Prognose.

Die Finanzämter nutzen bei der Berechnung alte Einheitswerte, das könnte sich bald ändern

Sparen, ohne dass die Bürger es merken, ist schwierig. Relativ einfach lässt sich noch das frühere Abschalten von Straßenbeleuchtungen durchsetzen. Bei gravierenden Maßnahmen sieht es anders aus. "Die Schließung eines Schwimmbades zieht in der Regel Proteste nach sich", meint Hans-Peter Busson, Partner bei Ernst & Young. Die moderate Erhöhung von Steuern und Gebühren sei dagegen weniger augenfällig und werde eher akzeptiert, ergänzte er.

Grundeigentümer müssen in Deutschland Grundsteuer zahlen. Wie hoch diese ausfällt, hängt letztlich davon ab, in welcher Gemeinde man zu Hause ist. (Foto: Johannes Simon)

So verwundert es nicht, dass etliche Kommunen die Grundsteuer hochsetzen. Wie viel der einzelne Immobilieneigentümer zahlen muss, hängt vom jeweiligen Hebesatz der Kommune ab. Kathrin Andrae leitet das Referat Öffentliche Finanzen beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und hat festgestellt: "Seit zwei Jahren gibt es eine erhebliche Dynamik. Viele erhöhen die Hebesätze, sodass der durchschnittliche Satz in Deutschland bei etwa 440 Prozent liegt."

Vor allem die Gemeinden in Nordrhein-Westfalen würden sich hervortun, meint Andrae: "Dort existieren vier oder fünf Gemeinden, deren Hebesatz über 800 liegt." Dazu gehört auch das finanziell klamme Bergneustadt mit etwa 19 000 Einwohnern. Das Land Nordrhein-Westfalen unterstützt die Gemeinde zwar finanziell, im Gegenzug hat sich die Kommune aber zu einem rigorosen Sparkurs verpflichtet. Der Bürgermeister weiß allerdings nicht mehr, wo er noch den Rotstift ansetzen soll: "Der Etat ist ausgepresst wie eine Zitrone, nennenswerte Einsparungen sind nicht mehr herauszuquetschen", wird er zitiert.

Beim Immobilienverband Deutschland (IVD) beobachtet man den bundesweiten Trend zu Erhöhungen kritisch. "Einige Kommunen erhöhen zum Teil exzessiv", beklagt Hans-Joachim Beck, Steuerexperte beim IVD. Das sei sicherlich ihrer Finanznot geschuldet, aber mitunter würden die Kommunen sogar von den Bundesländern durch den kommunalen Finanzausgleich dazu gezwungen, ergänzt er.

Auch die kommunalen Spitzenverbände Bayerns haben mit dem Finanzminister im vergangenen Jahr entschieden, dass Gemeinden mehr Grund- und Gewerbesteuern an den Kreis abgeben müssen. Das bedeutet, der landesweite Nivellierungshebesatz, mit dem man die Kreisumlage jeder Gemeinde berechnet, wurde angehoben. Wer unter dem Satz liegt, muss mehr an den Kreis abgeben, als er einnimmt. Im Ergebnis müssen die Gemeinden mehr Steuern von ihren Bürgern verlangen, wenn sie nicht selbst draufzahlen möchten. "Auf diese Weise wollen die Länder reichere Gemeinden dazu bringen, ihren Hebesatz ebenfalls anzuheben und ärmere Kommunen zu unterstützen", erklärt Andrae.

Die Steuer birgt noch weiteren Zündstoff, denn sie wird nach einem extrem umstrittenen Verfahren berechnet. Die Finanzämter nutzen als Berechnungsgrundlage Einheitswerte, die noch aus den Jahren 1964 und 1935 stammen. Die betagten Daten machen das Ganze ungerecht, denn die Wertentwicklung der vergangenen 50 Jahre wird nicht berücksichtigt. Der Bundesfinanzhof bewertete die aktuelle Grundsteuer darum als nicht mehr verfassungskonform. Nun ist das Bundesverfassungsgericht gefragt. Es soll über die Steuer urteilen, was allerdings noch etwas dauern wird. Ein Entscheidungstermin sei derzeit noch nicht absehbar, teilte die Pressestelle mit.

Die Unzulänglichkeiten sind bekannt, und darum ringen Fachleute und Politiker seit Jahren um eine mögliche Reform der Grundsteuer. In einem letzten Gutachten pflückte das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) die verschiedenen Modelle auseinander und appellierte an die Politik, ein Modell zu nutzen, das den Flächenverbrauch besser steuert (siehe Interview links). Die Präsidenten des Deutschen Mieterbundes und des Naturschutzbundes Deutschland erklärten ebenfalls, dass sie für die Einführung einer sogenannten Bodensteuer sind. "Hierdurch könnten baureife Grundstücke zu einer Bebauung mobilisiert und Investitionen, zum Beispiel in energetische Sanierung, Ausbau und Aufstockung, würden nicht bestraft", begründen sie ihre Forderung.

Die große Herausforderung: Es wird Verlierer und Gewinner unter den Bundesländern geben, manche werden danach mehr Geld einnehmen, andere weniger. Aber alle müssen der Reform ihren Segen geben. Zuständig ist die Finanzministerkonferenz. Die Vertreter haben sich mittlerweile wohl auf eine Variante geeinigt, lediglich Bayern soll noch nicht überzeugt sein. Beim anvisierten Modell sollen angeblich Grund und Boden mit dem Verkehrswert in die Besteuerung einfließen, die Bebauung wird ebenfalls berücksichtigt - angeblich ist die Nutzfläche maßgeblich. "Beim Grund und Boden sind es wohl die Bodenrichtwerte", erklärt Beck. Die stammen aus amtlichen Kaufpreissammlungen, die von bundesweit existierenden Gutachterausschüssen geführt werden. Setzt sich eine solche Variante durch, müssten vor allem Eigner in teuren Gegenden mit einer höheren Steuer rechnen.

© SZ vom 05.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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