Grundsteuer:"Ein bürokratisches Monster"

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Die Reform der Grundsteuer nimmt konkrete Formen an. Doch der aktuelle Entwurf erntet viel Kritik - aus unterschiedlichen Richtungen.

Von Peter Blechschmidt

Was lange währt, wird nicht grundsätzlich gut. Das meinen jedenfalls die Kritiker der kürzlich vom Bundesrat angestoßenen Reform der Grundsteuer. Die Phalanx reicht von einem breiten Zusammenschluss aus Mieterbund, Naturschützern und dem grünen Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer bis zu den Bundesländern Bayern und Hamburg. Seit vielen Jahren wird das geltende System der Besteuerung von Grund und Boden als unzeitgemäß betrachtet; der Bundesfinanzhof hält es sogar seit dem Jahr 2009 für verfassungswidrig.

Seit 2011 knobeln Beamte in den Finanzministerien der Bundesländer an einem neuen Modell, das verfassungskonform, gerecht und aufkommensneutral sein soll. Jetzt glaubt die Mehrheit der Länder, den Stein der Weisen gefunden zu haben. Ende September haben Hessen und Niedersachsen im Auftrag zwölf weiterer Länder einen entsprechenden Gesetzentwurf im Bundesrat eingebracht. Lediglich Hamburg und Bayern tragen den Vorstoß nicht mit. Derzeit wird über das Vorhaben in den Ausschüssen des Bundesrats verhandelt - hinter verschlossenen Türen. Wann es von der Länderkammer beschlossen und dem Bundestag, der ebenfalls zustimmen muss, zugeleitet werden kann, ist offen.

Die Länder haben es eilig. 2017 wird mit einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gerechnet, und niemand zweifelt daran, dass die Karlsruher Richter das geltende Recht kippen werden. Im Bereich der alten Bundesrepublik gelten Einheitswerte aus dem Jahr 1965. Im Osten dienen gar Zahlen von 1935 als Berechnungsgrundlage. Mit der verfassungsmäßig gebotenen Steuergerechtigkeit hat dies, da sind sich alle Beteiligten einig, nichts zu tun. Die Länder befürchten deshalb für ihre Kommunen den Wegfall einer bedeutenden Einnahmequelle. Ihnen beschert die Grundsteuer alljährlich Einnahmen von 13,5 Milliarden Euro.

Die Coronakrise gefährdet auch Hausfinanzierungen. (Foto: imago/Caro)

Dabei dürfte es schon schwierig genug werden, rechtzeitig Ersatz für die bestehende Regelung zu schaffen. Das Bundesverfassungsgericht räumt üblicherweise zwei oder drei Jahre Frist für eine Neufassung von Gesetzen ein. Bis das der Einfachheit halber "Hessen-Modell" genannte Verfahren greifen kann, würden jedoch mindestens zehn Jahre vergehen. So lange, veranschlagen die Verfasser des Entwurfs, wird es dauern, bis alle 35 Millionen Grundstücke erfasst und neu bewertet sowie die Steuerbescheide erlassen sind.

Nach dem Hessen-Modell soll die Grundsteuer aus einer Kombination aus dem Wert des Grundstücks (Bodenwert) und dem Wert des darauf stehenden Gebäudes errechnet werden, wobei sich der Gebäudewert aus der Art des Hauses und seiner Ausstattung (Keller, Zahl der Etagen, Dachgeschossausbau), aus den Kosten für die Errichtung des Gebäudes und aus seinem Alter ergibt. Dafür haben die Gesetzesmacher eine lange Liste unterschiedlichster Bau- und Nutzungsformen erstellt.

Etwa so lang wie diese Liste ist auch der Katalog der Kritikpunkte. Fundamental ist die Klage des bayerischen Finanzministers Markus Söder (CSU). Das Hessen-Modell, sagt er, "bedeutet mittelfristig eine Kostenexplosion für bayerische Hauseigentümer und Mieter. Diese Steuererhöhung lehnen wir entschieden ab". Es sei absehbar, dass sich der Wert der Grundstücke in weiten Teilen Bayerns auch in Zukunft weiter kontinuierlich erhöhen werde. Daraus ergebe sich "eine dynamisch steigende Grundsteuerbelastung". Das würde vor allem Mieter treffen, denn die Grundsteuer wird als Nebenkosten auf die Mieter abgewälzt.

Ins gleiche Horn tutet Hamburg. Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) wirft seinen Kollegen aus den anderen Ländern vor, dass sie die Auswirkungen des Hessen-Modells überhaupt nicht durchgerechnet hätten. Das habe als einziges Bundesland bisher nur Hamburg getan. Und das Ergebnis? An der Elbe würde das Hessen-Modell zu durchschnittlich zehnmal höheren Immobilienwerten führen. Außerdem fürchtet Hamburg eine zusätzliche Belastung "im dreistelligen Millionenbereich" über den Länderfinanzausgleich, bei dem nach einem komplizierten Verfahren das Grundsteueraufkommen eingerechnet wird.

Die Sorge um eine wegen der Wertsteigerung ständig zunehmende Steuerbelastung wird auch vom Deutschen Mieterbund (DMB) geteilt. Zwar haben die kommunalen Spitzenverbände, die das Hessen-Modell unterstützen, versichert, Städte und Gemeinden legten es nicht auf eine Erhöhung des Grundsteueraufkommens an und würden bei steigenden Bodenwerten die Hebesätze entsprechend senken. Doch dem DMB fehlt da der Glaube. Hinter dem Versprechen der Aufkommensneutralität müsse man schon "mehrere Fragezeichen" setzen, warnt DMB-Geschäftsführer Ulrich Ropertz.

Einig sind sich Mieterbund und Naturschutzbund Deutschland (Nabu) in der Forderung nach einer reinen Bodensteuer, die sich am je nach Lage und Region unterschiedlichen Wert (Bodenrichtwert) eines Grundstücks orientiert, also Art und Wert der Bebauung unberücksichtigt lässt. Eine Bodensteuer sei "eine Art Grundtarif für die Leistung der Kommune" und gerecht, sagt der siedlungspolitische Sprecher des Nabu, Ulrich Kriese. Diese Leistungen bezüglich der Infrastruktur seien für bebaute wie für unbebaute Grundstücke in etwa gleich. Die Nutzung eines Grundstücks zu besteuern, sei verfassungsrechtlich fraglich, weil dies einer Vermögensteuer gleichkomme, und zudem überflüssig, weil Erträge wie Miete oder Pacht ja als Einkommen ohnehin versteuert würden.

Mieterbund und Nabu fürchten zudem, die Besteuerung der Bebauung werde Investoren davon abhalten, Baulücken in Innenstadtbereichen aufzufüllen oder bestehende Bauten zu verdichten. Stattdessen würden sie an den Stadträndern auf billigere Grundstücke ausweichen. Außerdem kritisieren beide Organisationen, dass das Hessen-Modell für die Ermittlung des Gebäudewerts lediglich die Herstellungskosten für den Neubau heranziehen wolle. Aufwendige Sanierungen bei Altbauten, die zu erheblichen Wertsteigerungen führten, blieben hingegen unberücksichtigt. Und schließlich stimmen sie darin überein, dass das Hessen-Modell "ein bürokratisches Monster" sei, so Ropertz. "Wenn für die Ermittlung der Werte zehn Jahre gebraucht wird, dann kann man danach gleich wieder von vorn anfangen."

Vielleicht aber kommt es ja auch ganz anders. Die Verhandlungen im Bundesrat laufen offenbar doch nicht so glatt, wie sich das die Finanzminister nach ihrer Einigung auf das Hessen-Modell erwartet hatten. Und dann ist da noch die große Koalition im Bundestag, die sich auf eine gemeinsame Position einigen müsste.

© SZ vom 14.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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