Griechenland: Schuldenmisere:"Dann wackelt das System"

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Gefährlich wird es, wenn nun die Märkte gegen Portugal und Spanien wetten: Dann drohen Szenarien wie 2008 - ein weltweiter Börsencrash und Sparer, die die Banken stürmen.

S. Boehringer und M. Zydra

Wer Adrenalinstöße braucht, ist an den internationalen Anleihenbörsen richtig. Seit Ausbruch der Krise in Griechenland hält der weltweit größte und liquideste Markt Anleger wie Schuldner gleichermaßen in Atem.

Die Finanzmärkte haben mit Kursverlusten auf die Herabstufung Griechenlands und Portugals reagiert. (Foto: Foto: dpa)

Am Dienstag erreichte der Zinsabstand zwischen zehnjährigen Staatsanleihen aus Athen und deutschen Bundesanleihen mit 6,8 Prozentpunkten einen neuen Höchststand. Wer die Titel des klammen Mittelmeerlandes kauft, erhält eine Gesamtverzinsung von etwa 9,8 Prozent. "Eine solche Zitterprämie müssen sonst nur Staaten zahlen, die Ramschanleihen begeben", sagt Klaus Stopp, Chefrentenhändler des größten Rentenhändlers im Land, der Münchner Baader Bank.

Die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) hat deshalb nicht unerwartet die Kreditwürdigkeit Griechenlands am Dienstagabend auf Ramschstatus heruntergestuft. Hintergrund der Senkung seien Sorgen, dass das Mittelmeerland nicht die notwendigen Reformen durchsetzen könne, um seine Schulden abzubauen, erläuterte die Agentur.

Deutsche Banken haben Griechenland insgesamt 45 Milliarden Dollar geliehen, in Form von Staatsanleihen und Privatdarlehen. "Einen Schuldenverzicht von 20 bis 30 Prozent könnten die deutschen Banken verkraften", sagt Gernot Griebling, Anleiheexperte der Landesbank Baden-Württemberg. "Die wirkliche Gefahr besteht aber darin, dass die Märkte danach gegen andere Länder wie Portugal und Spanien wetten." Auch das Bonitätsrating für Portugal wurde herabgesetzt.

Deutsche Banken haben Portugal Kredite in Höhe von 47 Milliarden Dollar gegeben, in Spanien betragen die Forderungen gar 237 Milliarden Dollar. "Wenn auch diese Staaten nicht mehr alles zurückzahlen können, dann wackelt das Finanzsystem wie bei der Lehman-Pleite im September 2008", befürchtet Griebling.

Sein Argument: Spanien und Portugal würden ein schlechtes Bonitätsrating erhalten und könnten sich nicht mehr bei der Europäischen Zentralbank refinanzieren. Ohnehin sind größte Gläubiger des griechischen Staates griechische Banken. Nach Berechnungen der Ratingagentur Fitch haben die vier größten Institute des Landes acht bis zehn Prozent ihrer Bilanzsumme in griechischen Staatsanleihen angelegt. Sie würden eine Abschreibung ihrer Forderungen wohl nicht überstehen, weil sie dadurch ihre regulatorischen Eigenkapitalvorgaben nur schwerlich erfüllen könnten.

Die Folge: In all diesen Ländern drohte ein Bankenansturm, Sparer würden ihr Geld zurückfordern. Deutsche Sparer würden unruhig, weil auch ihre Hausbank einen Teil der Kredite in diesen Ländern abschreiben müsste. Auch ein Bankenansturm hierzulande sei deshalb nicht auszuschließen.

Dieses Szenario ist in der politischen Diskussion ein Grund dafür, dass deutsche Banken und Versicherungen bei einer Umschuldung griechischer Verbindlichkeiten wohl nicht zur Kasse gebeten werden. "Der Markt wartet darauf, dass das Geld für Griechenland auf dem Tisch liegt, vorher wird sich die Lage nicht entspannen", sagt David Schnautz, Anleiheexperte der Commerzbank.

In Deutschland haben vor allem solche Banken griechische Anleihen im Depot, die ohnehin schon Probleme haben. Alleine die verstaatlichte Hypo Real Estate sitzt auf zehn Milliarden Euro. Die teilverstaatlichte Commerzbank hat drei Milliarden Euro investiert, auch einige Landesbanken haben griechische Anleihen im Depot, ebenso Versicherer und Pfandbriefbanken.

Die These von der Kettenreaktion ist plausibel, denn die Anleihen anderer klammer Euro-Länder sind am Dienstag unter Verkaufsdruck geraten. So mussten die Portugiesen ihren Gläubigern für zehn Jahre fast 5,7 Prozent Zinsen bieten. "Die Handelsumsätze haben sich verdoppelt. Vor allem spanische und portugiesische Staatsanleihen und hypothekenbesicherte Papiere aus diesen Ländern werden verkauft oder gegen Bundespapiere eingetauscht", berichtet Baader-Chefhändler Stopp. Entsprechend stiegen die Kurse deutscher Titel, und deren Umlaufrendite erreichte mit nunmehr 2,68 Prozent ein historisches Tief.

Die Neuverschuldung in Portugal lag im vergangenen Jahr bei 9,4 Prozent - deutlich mehr als die im EU-Stabilitätspakt erlaubten 3,0 Prozent. Die Gesamtverschuldung stieg damit auf 76,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), erlaubt sind maximal 60 Prozent. Die Neuverschuldung der Regierung in Athen erreichte 2009 13,6 Prozent, die Gesamtverschuldung lag bei 115,1 Prozent des BIP.

Eine Staatspleite kann sich vielfältig ausdrücken. Zum einen kann die betroffene Regierung den Schuldendienst einstellen, andererseits kann sie sich mit den Gläubigern rechtzeitig auf eine Umschuldung einigen. In diesem Fall werden niedrigere Zinsen vereinbart, Laufzeiten verlängert oder Zinszahlungen aufgeschoben. Denkbar wäre auch eine Differenzierung der Gläubiger: Mancher Investor mag ja bereit sein, länger auf sein Geld zu warten - gegen einen Zinsaufschlag. Es kann allerdings auch sehr schmerzhaft enden: In Russland und Argentinien verloren Anleihe-Investoren vor zehn Jahren zwischen 70 und 80 Prozent ihres Geldes.

Nach Angaben der Bank für Internationalen Zahlungsaustausch (BIZ) steht Griechenland bei ausländischen Finanzinstituten insgesamt mit gut 302 Milliarden Dollar in der Kreide. Französische Institute sind demnach mit 75 Milliarden und Schweizer Banken mit 64 Milliarden Dollar engagiert. Hauptschuldner sind griechische Banken.

© SZ vom 28.4.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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