Griechenland: Die Notlage:Die Party ist vorbei, die Odyssee beginnt

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Die schönen Fassaden können nicht verbergen, dass Griechenland schon lange nicht mehr glänzt. Die Bürger machten es wie der Staat und liehen sich viel Geld. Nun kommt das Tabu-Wort vom Staatsbankrott auf - und Athen braucht eine schmerzhafte Erneuerung.

Christiane Schlötzer

Griechenland hat wahrlich genug Probleme. Für ein Manko aber kann es nichts: Das Land ist einfach zu schön. Da hält Premier Giorgos Papandreou eine Blut-Schweiß-und-Tränen-Rede an sein Volk, kündet den Seinen eine neue "Odyssee" an.

Touristen auf dem Akropolis-Hügel in Athen: Griechenland wird den Umschwung nicht alleine schaffen. (Foto: Foto: Reuters)

Aber er tut dies vor so idyllischer Kulisse (die blaue Ägäis und malerische weiße Häuschen im Hintergrund), dass die halbe Welt - zumal in kühleren Breiten - meint, ja was macht der Mann denn da! Können die Griechen denn nur Ferien machen, in ihrem Sonnenstaat?

Das nette Inselchen, das sich Papandreou für seine flehentliche Bitte an die EU ausgesucht hat, heißt Kastellorizo und liegt so nah an der türkischen Küste und so weit ab von Athen, dass dort nur 300 Menschen leben mögen. Damit wenigstens die bleiben, subventioniert der griechische Staat mit viel Geld eine Fähre. Papandreous Auftritt dort geriet zum PR-GAU, weil das schöne Bild im Widerspruch zur bösen Botschaft steht. Aber die Geschichte hinter dem Bild verrät einiges über das Land, was im Rest Europas gern übersehen wird.

Griechenland ist weiter entfernt vom Zentrum Europas, als vielen Europäern bewusst ist. Das liegt nicht nur an der Geographie, die historisch einst ein Vorteil war und heute ein Standortnachteil ist. Das gilt auch in vielem für die Mentalität. Bevor die Katastrophe beginnt, wird gerne noch mal gefeiert - das ist das Alexis-Sorbas-Gefühl.

In mancher Hinsicht ist Hellas zudem noch eher Dritte als Erste Welt. Die Glaspaläste in Athen, die seit den Olympischen Spielen 2004 in den Himmel gewachsen sind, können darüber nicht hinwegtäuschen. Hinter den Fassaden liegt zu oft der Müll. Die Bürokratie ist teils osmanisch kompliziert, die Politik wird als Familienbetrieb organisiert und die Korruption ist lebensbegleitend. Der Staat ist wichtigster Arbeitgeber, und wäre er das nicht, müsste er für die vielen Beschäftigungslosen ein soziales Netz erst noch bauen.

Nun haben viele Griechen Angst, dass es so, wie es ist, nicht weitergeht. Angst haben vor allem diejenigen, die schon bisher Steuern bezahlt oder Renten bezogen haben. Bei ihnen wird gekürzt, zehn bis zwanzig Prozent zum Beispiel bei den Pensionsempfängern. Sie fürchten sich, weil nun von weiteren Kürzungen die Rede ist, wenn erst der Internationale Währungsfonds die Kontrolle übernimmt. Der Chef der griechischen Arbeitslosenverwaltung hat soeben eingestanden, dass er nicht wisse, wie viel Geld er vom 1. Mai an auszahlen könne. Es sind eher die sogenannten kleinen Leute, denen deshalb bange ist.

Dies ist kein gutes Zeichen. Vielmehr sollten sich diejenigen Sorgen machen, die nun ihre Swimmingpools abdecken, um sie vor den Aufklärungsfliegern der Steuerfahndung zu verstecken.

Wenn die EU das griechische Erneuerungsprogramm unterstützen will, dann sollte sie darauf dringen, dass jene nun vor Gericht kommen, die in Politik, Bürokratie, Kirche und Privatwirtschaft sich gemeinschaftlicher und bandenmäßiger Verschwendung von Steuergeldern und EU-Subventionen schuldig gemacht haben. Würden wenigstens ein paar Vertreter dieser diskreditierten Eliten zur Verantwortung gezogen, würden sich viele Griechen, die nun um Löhne und Gehälter bangen, freuen.

Denn es gibt nicht wenige Menschen in Athen oder Thessaloniki, die die tiefste Krise ihres Landes seit dem Ende der Diktatur vor 36 Jahren als Chance zu grundlegender Erneuerung sehen. Hunderte haben ihre kreditfinanzierten neuen Autos zurückgegeben. Sie wissen, was sich ändern muss. In Griechenland nahm zuletzt jeder Kredite auf. So wie es der Staat vormachte, hielten es auch die Bürger. Sie liehen sich Geld für das neue Handy, für das Ferienhaus. Endlich so leben wie die Party-People mit der Villa auf den Kykladen und dem Apartment im feinen Athener Stadtteil Kolonaki. Das war der neugriechische Traum.

Für Europa ist die aktuelle griechische Krise die größte Herausforderung seit den Balkankriegen der neunziger Jahren. Die Krise birgt keine kriegerische Gefahr, aber großes ökonomisches und politisches Explosionspotential. Die Zögerlichkeit von Bundeskanzlerin Angela Merkel (über die Griechenland-Hilfe sei noch nicht entschieden) hat in Athen Panik ausgelöst. Seitdem geht das Tabu-Wort vom Staatsbankrott um. Von einer Umschuldung der griechischen Staatsanleihen ist die Rede - es riecht nach Insolvenz.

Will Europa dies in Kauf nehmen, dann werden viele bezahlen. Die Rechnung könnte höher ausfallen, als wenn man Griechenland jetzt sofort hilft. Die meisten griechischen Anleihen werden von europäischen Banken gehalten, Papiere für 45 Milliarden Euro allein von deutschen Instituten, für 75 Milliarden Euro stehen französische Häuser gerade. Als Argentinien pleiteging, verloren Investoren mehr als die Hälfte ihres Geldes.

Griechenland wird den Umschwung nicht alleine schaffen, die Odyssee wird ziemlich lange dauern. Das Schiff steuern müssen die Griechen schon selbst. Aber die Europäer sollten nicht für harten Wind sorgen. Besser wäre es, die EU hielte sich an einmal getroffene Entscheidungen. Das hellenische Schiff könnte sonst tatsächlich untergehen.

© SZ vom 27.04.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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