Nach sieben Jahren Rot-Grün, vier Jahren Schwarz-Rot sowie zehn Monaten Schwarz-Gelb erweist sich, dass kein denkbares Parteienbündnis im Bundestag einen fundamentalen Umbau des Systems wird leisten können oder wollen - aller Oppositionsreden zum Trotz. Darunter leidet vor allem das Ansehen der Liberalen, denen das lange zugetraut wurde. In den einschlägigen Internet-Foren von Fachärzten und Apothekern muss Rösler inzwischen geben, was seine Vorgängerin Ulla Schmidt so lange war: den Sündenbock für alle Dinge, die im Gesundheitssystem schieflaufen. Weil die Freiberufler das Versprechen der FDP auf einen Neuanfang im System geglaubt haben, trägt Rösler einen gewichtigen Anteil am Niedergang der Liberalen in den Umfragen.
Für das Gesundheitssystem ist all das - ein wenig fatalistisch gesehen - weitaus weniger dramatisch. Gewiss, die Gesundheitsversorgung ächzt und stöhnt unter dem Spardiktat der vergangenen Jahre. Einiges geht nicht mit rechten Dingen zu, manches ist ungerecht, vieles könnte und müsste dringend verbessert werden. Jedoch, eine Radikalreform wünscht sich weder die Mehrzahl der Akteure noch die der Patienten. Ein solcher Umbau wäre nämlich mit dem Abschied vom Vertrauten und großer Unsicherheit verbunden. Er gleicht einem Wettlauf ins Ungewissen. Wer jetzt Profiteur der Versorgungsmaschinerie ist, könnte danach als Verlierer durchs Ziel gehen. Das will keiner riskieren. Denn für alle ist das bestehende System bei weitem nicht so schlecht, wie es von Wahlkämpfern und Lobbyisten geredet wird.
Das heißt nicht, dass es keine Reformen mehr geben sollte; beileibe nicht. Jedoch sollten die politischen Akteure die Versprechen einer Totalreform aufgeben und sich stattdessen auf Verbesserungen am Bewährten konzentrieren: auf immerwährende Feinabstimmung, lokal und zeitlich begrenzte Experimente, das vorsichtige Einbauen von Wettbewerbselementen an vielen Stellen. Das alles geschieht bereits, könnte aber noch konsequenter betrieben werden. Für den Minister heißt das, immer wieder den gleichen Stein den gleichen Berg hochzustemmen. Das ist harte, undankbare Arbeit. Wahlen gewinnt man damit nicht, und die Akteure im System verärgert man auch. Ulla Schmidt hat mal gesagt: "Gesundheitsminister ist immer Torte im Gesicht." Und so wird das bleiben.