Geldanlage:Fonds mit Risiko

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Jedes Jahr werden in Deutschland Hunderte Investmentprodukte geschlossen. Die Leidtragenden sind die Anleger: Sie bleiben auf den Verlusten sitzen und müssen aufpassen, dass ihnen nicht eine neue Risikoanlage angedreht wird.

Von Harald Freiberger, Frankfurt

So schnell kann es gehen, und man landet im Baltikum, obwohl man gerade noch dachte, man befinde sich in der Ukraine: Ende 2010 erhielt Roswitha Boppeler, 46, aus Kempten einen Brief von ihrer Geldverwaltung, der Fondsdepot Bank in Hof. Ihr Fonds mit dem Anlageschwerpunkt Ukraine sei geschlossen und mit einem anderen Fonds verschmolzen worden, dem "Berenberg-Balkan-Baltikum-Universal". Knapp hieß es: "Die Anteilausgabe und -rücknahme des untergehenden Fonds wurde bereits eingestellt."

Noch heute ärgert sich Roswitha Boppeler über das Schreiben: "Niemand hat mich vorher gefragt, ob mir der Wechsel recht ist, die haben mich einfach vor vollendete Tatsachen gestellt." Sie ist eine aktive Anlegerin, die ihr Geld auf viele verschiedene Fonds und Einzelwerte verteilt hat. Ähnliches ist ihr schon öfter passiert. 2008 etwa schloss der Fonds "Greiff Rendite Plus OP". Damals hieß es in einem Brief, der Fonds habe "im Rahmen der weltweiten Finanzkrise leider eine negative Wertentwicklung zu verzeichnen". Großanleger hätten deshalb ihre Anteile veräußert. Nun müsse der Fonds "zum Schutz der Anleger" zunächst schließen. Man empfehle, den Betrag auf einen Geldmarktfonds zu legen.

Verzerrte Zahlen

Solche Briefe erhalten Anleger in Deutschland jedes Jahr zu Hunderttausenden, wenn nicht zu Millionen. Dass Investmentgesellschaften Fonds schließen, ist keine Ausnahme, sondern eher die Regel. Allein im Jahr 2013 registrierte die Fonds-Ratingagentur Morningstar 2315 Schließungen, ein Fünftel mehr als im Vorjahr.

Allerdings gibt es dabei eine statistische Verzerrung: Morningstar zählt nicht einzelne Fonds, sondern sogenannte Fondstranchen. Ein Fonds kann sich in mehrere Tranchen untergliedern, je nachdem, ob er zum Beispiel währungsgesichert ist oder nicht, ob er die Dividenden wieder anlegt oder nicht. Die Zahl der geschlossenen Einzelfonds ist deshalb deutlich niedriger.

Was bleibt, ist trotzdem beachtlich. Beispiel Dekabank: Die Fondstochter der Sparkassen schloss im vergangenen Jahr 55 von mehr als 500 Publikumsfonds, also rund jeden zehnten. "Das ist die Gartenpflege, ab und zu muss man mal ein bisschen stutzen", sagt lakonisch Deka-Vorstand Oliver Behrens. Meist handle sich um bestimmte Anlagethemen, "die einmal Mode waren".

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Das zeigt auch die Statistik von Morningstar: Im Jahr 2013 wurden vergleichsweise viele Rohstofffonds geschlossen. Das lag daran, dass im Jahr davor eine langjährige Rohstoff-Hausse zu Ende gegangen war. Fast die Hälfte der Schließungen betraf Aktienfonds - weil diese auch am häufigsten aufgelegt werden.

Morningstar-Experte Ali Masarwah beschreibt den Mechanismus vom Werden und Vergehen eines Anlagetrends: "Viele Fonds starten in einer Boomphase mit großen Hoffnungen. Anleger springen auf den Trend auf. Aber irgendwann lässt der Boom nach, die Kurse fallen, Anleger erleiden Verluste und verkaufen, das Volumen sinkt. Irgendwann wird der Fonds dann geschlossen."

Sinkt das verwaltete Vermögen in einem Fonds unter eine bestimmte Schwelle, lohnt es sich für die Gesellschaft kaum mehr, ihn am Leben zu halten. Sie hat Fixkosten für Wirtschaftsprüfung oder die Erstellung des Prospektes, die bei einem sehr kleinen Volumen umso stärker ins Gewicht fallen.

"Der Weg zur Schließung ist nicht mit Rosen gebettet", sagt Fonds-Experte Masarwah. In der Regel sei sie mit einer "handfesten Underperformance" verbunden, also einer deutlich schlechteren Entwicklung zu vergleichbaren Anlagen. Fonds, die in der Rennliste vorne lägen, bekämen neues Anlegergeld, die Hausse nähre die Hausse. Umgekehrt nähre die Baisse auch die Baisse: "Schrumpft der Fonds immer weiter, beißen den Letzten die Hunde."

In den Briefen, die Anleger dann von ihren Banken bekommen, steht deshalb fast immer Unangenehmes. Meist müssen sie einen beachtlichen Verlust verkraften. Die Fondsgesellschaft schlägt häufig vor, das Geld aus dem aufgelösten Fonds in ein ähnliches Produkt aus ihrem Hause zu transferieren. Und im schlimmsten Fall, so wie bei Roswitha Boppeler, wird der Anleger vor vollendete Tatsachen gestellt.

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Was die Kemptenerin zusätzlich erzürnt: Schließt ein Fonds, wird die jährliche Vermögensaufstellung von der Bank intransparenter. "Der Verlust, den man mit dem geschlossenen Fonds gemacht hat, taucht bei der nächsten Aufstellung nicht mehr auf", sagt sie. Sie habe deshalb schon falsche Anlage-Entscheidungen getroffen und den Nachfolge-Fonds verkauft, weil sie dachte, ihre Investition liege im Plus. Dabei stand unterm Strich ein deutliches Minus. "Ich will nicht unwissend einen Verlust realisieren", sagt sie. Boppeler hat deswegen schon per Rechtsanwalt mit ihrer Geldverwaltung, der Fondsdepot Bank, gestritten. Sie wollte erzwingen, dass frühere Verluste in den jährlichen Depotübersichten auftauchen.

Beim letzten Auszug stand zum Beispiel ein Gesamtvermögen von 42 000 Euro - was seit 2006 trotz Finanzkrise lediglich einem Verlust von 2000 Euro entsprochen hätte. In Wirklichkeit lag dieser aber inklusive dem Zwangsverkauf geschlossener Fonds bei rund 3800 Euro.

"Ich würde mir zumindest wünschen, dass im Auszug bei der Rendite kein Plus steht, wenn in Wirklichkeit ein Minus dahintersteckt", sagt sie. Dann wäre es besser, "Ausgangskurs nicht nachzuvollziehen" hinzuschreiben, um sie nicht auf das falsche Gleis zu locken. Ihre Bemühungen um mehr Transparenz hatten allerdings wenig Erfolg: Die Fondsdepot Bank kündigte die Geschäftsbeziehung mit Boppeler.

Einer der großen Nachteile einer Fonds-Schließung ist, dass Anleger ihr Portfolio aus den Augen verlieren, das gerade für den eigenen Vorsorgeprozess wichtig ist. "Wird ein Fonds geschlossen, kann das die Mischung der Anlageklassen durcheinander bringen, und im Portfolio entsteht eventuell eine Unwucht", sagt Experte Masarwah.

Signale für eine drohende Schließung

Er rät Anlegern deshalb, wenigstens einmal im Jahr darauf zu schauen, wie sich das Vermögen der eigenen Fonds entwickelt hat. Sei es dramatisch abgeschmolzen, um 20 bis 30 Prozent, sollte man den Fonds auf den Prüfstand stellen. Im jährlichen Rechenschaftsbericht sind Zu- und Abflüsse verzeichnet. "Wenn das Vermögen stark gesunken ist und ein Fonds sich deutlich schlechter als der Markt entwickelt hat, kann es ein Signal für eine drohende Schließung sein", sagt Masarwah. Bei fehlender Perspektive sollten Anleger am besten den Schnitt machen und verkaufen: Ein Ende mit Schrecken sei oft besser als ein Schrecken ohne Ende.

Wird ein Fonds geschlossen, ist es wichtig zu kontrollieren, welchen Verschmelzungs-Fonds die Gesellschaft anbietet. Es sollte kein völlig anderes Spielfeld sein, zum Beispiel das Baltikum statt der Ukraine wie im Fall von Roswitha Boppeler. Masarwah: "Anleger sollten nach Alternativen suchen und notfalls die Fondsgesellschaft wechseln, gerade wenn Berater und Vertriebsstelle aus demselben Konzern stammen und die Auswahl gering ist."

Auf www.morningstar.de lässt sich über die Suchmaske das Rating von Fonds nachschauen. Es sollte mindestens drei Sterne aufweisen. Anleger sollten auch kontrollieren, ob der Verschmelzungs-Fonds gut wirtschaftet oder erkennbar schlechter ist als der Durchschnitt. "Sonst besteht die Gefahr, dass sich das Ganze in einem Jahr noch einmal wiederholt", sagt Masarwah.

© SZ vom 23.04.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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