Geldanlage:Der Krieg an der Börse

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Zynismus pur: Seit Ausbruch des Krieges im Kaukasus steigen die Aktienkurse - und zwar vor allem deshalb, weil die Ölförderung und der Ölpreis nicht betroffen sind.

Catherine Hoffmann

Wer an der Börse spekuliert, wettet auf die Zukunft. In der Regel auf eine positive Zukunft der Aktie, die er erworben hat. Denn nur dann steigt sie und bringt Gewinn. Klar, dass Kriege nicht zum bevorzugten Szenario eines Spekulanten gehören, bringen sie doch Unsicherheit. Und Unsicherheit, so könnte man denken, könnte die Kurse fallen lassen.

Krieg im Kaukasus
:Land in Trümmern

Der Kaukasus stürzt ins Chaos: Bomben detonieren, zerstören Städte und Infrastruktur und fügen auch der Zivilbevölkerung großes Leid zu. Bilder eines zerstörerischen Krieges.

Könnte, tun sie aber in der Regel nicht. Kriege bringen zwar Leid über unzählige Familien und erschüttern im Extremfall die Weltwirtschaft. Doch öfter als vermutet lassen militärische Konflikte die Aktienkurse steigen. Zumindest, wenn drei Voraussetzungen vorliegen. Erstens: Der Waffengang löst nicht weit über die Krisenregion hinaus Chaos aus. Er kommt - zweitens - überraschend, denn dann nährt er die Hoffnung, die Krise sei auf einen Schlag zu bereinigen. Und, drittens und das vor allem: Die Ölförderung und damit der Ölpreis sind nicht betroffen.

Vielleicht sind das die Gründe, warum die Aktienkurse an den westlichen Börsen seit Ausbruch des Kriegs im Kaukasus steigen. Doch Vorsicht ist angebracht angesichts der Schwankungen des Ölpreises. Denn der bestimmt, dass nichts mehr gilt und alles möglich ist.

Noch vor vier Wochen zum Beispiel erzählten Bankberater, die Rohstoffpreise könnten eigentlich nur steigen - ein Trend, den Anleger keinesfalls verpassen dürften. Doch der Boom endete jäh. Ein Fass Öl, das am 11. Juli noch 147 Dollar kostete, ist inzwischen für 116 Dollar zu haben. Mit anderen Rohstoffpreisen ging es ebenfalls steil bergab: Der CRB-Index, der sich aus 17 Waren vom Mais bis zum Kupfer zusammensetzt, fiel im Juli um zehn Prozent, der größte Absturz seit März 1980. Auch der Euro ist im freien Fall.

Nichts war mehr sicher in den vergangenen Wochen, und es gab kaum eine Erwartung, die nicht enttäuscht wurde. Sicher war nur: Die meisten Börsenkurse verliefen von oben links nach rechts unten. Die Gründe dafür sind bekannt: die Finanzmarktkrise, das teure Öl, die miese Konjunktur, die von den USA nach Europa herüberschwappt.

Und doch bleibt die Frage, weshalb die Kurse von Vorzeigeunternehmen und bedeutenden Rohstoffen und Devisen dermaßen unter die Räder kommen konnten, warum Kurssprünge von zehn Prozent heute an der Tagesordnung sind, wo früher ein Einbruch um drei Prozent schon als alarmierend galt. Alles ist aus seinen gewohnten Bahnen ausgebrochen, nirgends gibt es mehr vertraute Muster. So heftig wie den Abschwung von Finanzwerten und Öl erlebte manch einer vor acht Jahren den Crash am Neuen Markt. Für Privatanleger ist das eine beunruhigende Erfahrung. Nach einem Jahr voller Kursvolten sehnen sich die Börsianer nach ein wenig Normalität zurück.

Problem mit viel Geld gelöst

Doch die dürfte ihnen so bald nicht vergönnt sein. Alan Greenspan, der ehemalige US-Notenbankchef, jedenfalls warnt davor, dass das Immobiliendebakel noch einige Opfer fordern werde: "Diese Krise ist anders - ein Ereignis, wie es nur ein oder zwei Mal im Jahrhundert vorkommt." Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Einst feierte die Finanzwelt Greenspan als "Magier der Märkte". Heute gilt seine Zinspolitik vielen als Hauptgrund für die Krise.

Egal, was an den Finanzmärkten schieflief, Greenspan löste das Problem mit viel Geld. Dollar waren reichlich vorhanden, sie mussten nur rentabel angelegt werden. Das verleitete die Menschen dazu, immer höhere Risiken einzugehen. Die Folge war eine ganze Serie von Blasen - angefangen mit der New-Economy-Blase. Zuletzt floss das Spekulationskapital, das Greenspan geschaffen hatte, vor allem in Immobilien und Rohstoffe. Dank neuer Finanzinstrumente wurden immer mehr Häuser an immer mehr Menschen verkauft, die sich das gar nicht leisten konnten. Was folgte, ist bekannt. Je größer die Übertreibung, desto schmerzlicher der Einbruch.

"An der Börse wird immer das gleiche Theater gespielt, nur mit verschiedenen Darstellern", umschrieb der 1999 verstorbene Börsenaltmeister André Kostolany das sich immer wiederholende gierigeTreiben an den Märkten. Tulpenzwiebelwahn, Eisenbahnaktien, Silber, japanische Wertpapiere, Neue-Markt-Aktien, US-Immobilien und Rohöl - die Menschen zocken eben gern. Zynischerweise auch dann, wenn Kriege Leid und Elend über Menschen bringen.

© SZ vom 12.08.2008/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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