Krieg im Kaukasus:Gefährliche Flucht

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Kein Brot, keine Kleidung: Die Bewohner Südossetiens suchen Schutz auf der russischen Seite der Grenze.

Tränen rollen über die Wangen von Ljuba. Verzweifelt schaut die 47-Jährige auf der Suche nach ihrer Nichte in jeden Kleinbus mit Flüchtlingen, der aus Südossetien durch den Roki-Tunnel in das russische Dorf Misur gelangt. "Sie wurde gezwungen, durch den Tunnel zurückzugehen. Ich weiß nicht, was passiert ist." Nervös beobachtet Ljuba die erschöpften Flüchtlinge, meist Frauen und Kinder, die sich vor den Kämpfen in der abtrünnigen georgischen Provinz in Sicherheit bringen. Nach Angaben Russlands sind seit Anfang August 34.000 Menschen aus Südossetien nach Norden auf die russische Seite der Grenze geflohen.

Um ihr Leben zu retten, verlassen die Menschen das Kriegsgebiet. (Foto: Foto: dpa)

"Ich habe Hunger. Seit drei Tagen habe ich nichts mehr gegessen", klagt die 26-jährige Waschena, nachdem sie aus einem der Flüchtlingsbusse gestiegen ist. Russische Behörden versuchen, die Ankommenden zu registrieren und zu versorgen. Unterkünfte werden für die Flüchtlinge organisiert, die keine Verwandten in Russland haben. Medikamente und Verpflegung stehen bereit. "Sie haben nichts - kein Brot und keine Kleidung. Sie kommen nur mit dem, was sie auf dem Leib tragen", sagt eine der russischen Helferinnen. "Viele sind verletzt." Ein Notkrankenhaus wurde errichtet, gerade behandeln die Ärzte einen Mann mit einer Schusswunde am Bein.

Sorge um die Angehörigen

Die Flucht aus Südossetien nach Russland ist gefährlich. Russische Panzer kommen den Fliehenden entgegen und rollen ins Innere der bergigen Kaukasusregion. "Die Straße wird beschossen", berichtet der Fahrer eines Flüchtlingsbusses aus der südossetischen Hauptstadt Zchinwali, während er eine Zigarette raucht. Später einigen sich Georgien und Russland nach russischen Angaben auf die Einrichtung von zwei Korridoren, die den Südosseten die Flucht nach Norden und nach Süden erleichtern sollen.

Wer es bis nach Misur geschafft hat, ist erst einmal außer Lebensgefahr. Es bleibt jedoch die Sorge um die verlassenen Häuser, das Hab und Gut und besonders um zurückgebliebene Angehörige. "Meine Mutter ist immer noch da drin", sagt Waschena. "Ich habe keinen Kontakt zu ihr." Auch knapp hundert Kilometer weiter südlich in Gori verlassen die Menschen ihre Häuser, suchen ihre Verwandten. Die Lage in der georgischen Stadt ist chaotisch: Das Mobilfunknetz ist überlastet und zusammengebrochen, dicker, schwarzer Rauch verdunkelt den Himmel, Sirenen von Krankenwagen heulen. Aus Angst vor weiteren russischen Luftangriffen fliehen die Bewohner in vollbesetzten Autos. Seine Mutter und seine Schwestern hätten die Stadt schon verlassen, berichtet der 18-jährige Sergo. "Aber ich bleibe hier. Das ist mein Georgien." Er will sich der Armee anschließen und kämpfen.

Nach monatelangen Spannungen startete Georgien in der Nacht auf Freitag eine Militäroffensive, um Südossetien wieder unter Kontrolle zu bringen. Russland stellte sich an die Seite der Region und griff ebenfalls zu den Waffen. Mindestens dreimal bombardierten russische Kampfjets dann am Samstag die Stadt südlich der umkämpften Region: Die Bomben trafen nach georgischen Angaben eine Brücke, einen Armeestützpunkt sowie ein Wohngebiet.

Nur noch Trümmer übrig

Offizielle Zahlen über Opfer gibt es nicht, Augenzeugen berichten jedoch von zahlreichen Toten, und das Fernsehen zeigte Bilder von Leichen auf den Straßen. Vor dem Krankenhaus der Stadt haben sich die Angehörigen der Verwundeten versammelt und bangen um Neuigkeiten.

In den betroffenen Stadtteilen sind von manchen Häusern nur noch Trümmer geblieben: Aus manchen steigen noch Flammen empor und Rauch hängt in den Straßen. Das Pflaster ist übersät von Scherben, Schutt und Metallsplittern. Während bewaffnete Soldaten durch das Viertel patrouillieren, stolpert Wolodja über die Trümmer ihres Hauses. Auch ihre Familie packe das Nötigste und verlasse Gori, erzählt sie. Dann beginnt Wolodja zu weinen und schreit: "Gott, lass es bitte nicht noch schlimmer werden!"

© sueddeutsche.de/AFP/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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