Freie Kaminkehrer:Kein Glück auf dem Dach

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Seit 2013 können sich Immobilienbesitzer ihren Schornsteinfeger aussuchen. Doch die wenigsten wechseln - sie finden, es lohnt sich nicht.

Von Joachim Göres

Bis vor einigen Jahren brauchte sich der Kunde um nichts zu kümmern, denn der Schornsteinfegermeister aus seinem Bezirk kam automatisch zur Kontrolle der Heizungsanlage vorbei. Seit 2013 aber haben Immobilienbesitzer die Wahl: Sie können wie bisher die Dienste des örtlichen Schornsteinfegermeisters aus ihrem Kehrbezirk in Anspruch nehmen - die sogenannten bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger oder kurz Bevollmächtigte -, oder sie beauftragen einen freien Schornsteinfegermeister mit den gesetzlich vorgeschriebenen Arbeiten. Frei nennen sie sich, weil sie keinen eigenen Kehrbezirk haben und ihre Kundschaft in einem größeren Radius suchen.

Wie Falk Glindemann. "Sie bestimmen, wer Ihnen aufs Dach steigt!" So steht es auf dem Flyer, mit dem der freie Schornsteinfegermeister aus dem niedersächsischen Celle für sich wirbt. Er überprüft Heizungen in einem Umkreis von rund 50 Kilometern und führt dabei die gesetzlich vorgeschriebenen Emissionsmessungen durch. "Ich bin im Schnitt 30 Prozent günstiger. Ich vereinbare Termine nach Kundenwunsch und diktiere sie nicht. Trotzdem ist es schwer, neue Kundschaft zu finden. Viele wollen es sich nicht mit dem Bevollmächtigten verderben", sagt Glindemann. Dahinter stecke die Angst der Verbraucher vor dem alteingesessenen Schornsteinfegermeister, auf den sie angewiesen bleiben - nur der Bevollmächtigte darf in seinem Kehrbezirk zum Beispiel neue Heizungsanlagen genehmigen, bevor sie in Betrieb gehen können.

"Bei meinen Kunden hat ein Bevollmächtigter Sachen bemängelt, die an den Haaren herbeigezogen waren, und ich hatte so zusätzliche Arbeit. Andere Alteingesessene machen unsere Arbeit schlecht, weil sie uns Freie als Bedrohung ansehen, obwohl es ihnen nicht wehtut, wenn einige ihrer Kunden zu uns wechseln. Aber sie befürchten, dass es künftig mehr werden könnten", sagt der 30-Jährige.

"Die Kunden freuen sich, wenn ich nach ihrem Feierabend vorbeikomme."

Schornsteinfegermeister Lars Nagel aus dem ostwestfälischen Oerlinghausen hatte sich einst bei der Bezirksregierung um die freie Stelle eines Bezirksschornsteinfegers beworben, ohne Erfolg. Dann machte er sich als freier Schornsteinfegermeister selbständig. "Mein Vater war schon Bezirksschornsteinfeger und ich konnte zwei Drittel seiner Kundschaft übernehmen. Ich habe genug zu tun und die Kunden freuen sich, wenn ich nach ihrem Feierabend vorbeikomme und sich niemand wegen des Schornsteinfegers freinehmen muss. Viele Bevollmächtigten machen dagegen um 16 Uhr Schluss", sagt Lars Nagel.

Der Bund der Energieverbraucher (BdE) begrüßt die seit 2013 geltende Wahlmöglichkeit und unterstützt die freien Schornsteinfeger, indem er eine Liste mit ihren Adressen veröffentlicht (www.bdev.de/freieschofi). Gleichzeitig kritisiert der BdE-Vorsitzende Aribert Peters den Wettbewerbsvorteil für die Bevollmächtigten: "Die haben aus dem Kehrbuch die amtlichen Daten aller Heizungen und Hausbesitzer in ihrem Bezirk und können sie für das eigene Geschäft nutzen. Das ist aus Datenschutzgründen ein großes Problem."

Peters fordert, dass die hoheitlichen Aufgaben - die Führung einer Liste aller Heizungen und die Prüfung, ob die vorgeschriebenen Kehrarbeiten von einer Fachkraft rechtzeitig durchgeführt wurden - künftig von einer staatlichen Stelle und nicht vom bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger durchgeführt werden. Zudem sollte laut BdE die Feuerstättenschau - innerhalb von sieben Jahren muss zweimal die Heizungsanlage unter die Lupe genommen werden - sowie die Prüfung einer neuen Anlage von jedem Schornsteinfegermeister erledigt werden können. Bisher gehören diese Tätigkeiten zum Privileg des Bevollmächtigten.

Seit Juli ist das "Erste Gesetz zur Änderung des Schornsteinfeger-Handwerkergesetzes" in Kraft, das laut Bundeswirtschaftsministerium den Wettbewerb stärken soll und die "Anforderungen an die Neutralität der bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger verschärft". Es soll unter anderem dafür sorgen, dass Schornsteinfegermeister, die im Nebenerwerb auch Öfen installieren, sie als Bevollmächtigte nicht auch noch gleichzeitig abnehmen dürfen.

"Wir begrüßen diese neue Regelung", sagt Alexis Gula, Sprecher des Bundesverbandes des Schornsteinfegerhandwerks. Nach seinen Schätzungen liegt der Marktanteil der freien Schornsteinfegermeister bei etwa zwei Prozent. Bundesweit gibt es etwa 7800 Kehrbezirke und 7800 Schornsteinfegerbetriebe - jeder dieser Betriebe ist für einen Bezirk zuständig. Gula hält die Angst vor negativen Konsequenzen bei einem Wechsel zu einem freien Schornsteinfeger für unbegründet. "Wer mit ihm nicht zufrieden ist und zurückwechseln will, wird immer einen anderen Schornsteinfeger finden. Nicht unbedingt seinen Bezirksschornsteinfeger, aber es gibt in den Nachbarbezirken auch Bevollmächtigte, die über ihr Gebiet hinaus aktiv sind", sagt Gula, der selbst Bezirksschornsteinfeger in Aichwald bei Esslingen ist.

Hans Weinreuter wundert sich nicht, dass nur wenige Menschen einen neuen Schornsteinfeger suchen. Das liege nicht nur daran, dass es in vielen Regionen gar keine freien Schornsteinfegermeister gebe. "Wenn man bei einer modernen Heizung 35 Euro für die Überprüfung zahlt und man dafür bei einem freien Anbieter fünf Euro spart, dann stehen bei einem Wechsel für die meisten Menschen Aufwand und Ertrag in keinem Verhältnis", sagt der Energiereferent bei der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Mit der jetzigen Situation ist er dennoch alles andere als zufrieden. "Seit 2013 dürfen die Bevollmächtigten auch Nebenleistungen anbieten, wie die Rauchmelderüberprüfung oder die Gasschau. Der Hausbesitzer ist dazu nicht verpflichtet, doch durch geschickte Kommunikation des Schornsteinfegers kann beim Kunden der Eindruck entstehen, dass er diese Tätigkeiten durchführen lassen muss. Das ist nicht in Ordnung", sagt Weinreuter.

© SZ vom 24.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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