Europäische Staatsanleihen:Gefahr im sicheren Hafen

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Nach dem Absturz Griechenlands sind die Staatsanleihen etlicher Länder in Europa in Verruf geraten. Fachleute raten nun zu Papieren aus nördlichen Euroländern und rohstoffreichen Staaten.

Simone Boehringer

Mit dem Hilferuf der Griechen an die EU ist eine Anlage in Verruf geraten, die jahrzehntelang der sichere Hafen schlechthin für Milliarden von Investmentgeldern war. "Die Gleichung Staatsanleihe gleich sichere Geldanlage geht längst nicht mehr auf", sagt Philipp Vorndran, Anlagestratege bei der Kölner Vermögensverwaltung Flossbach & von Storch.

Ein Passant läuft in Athen an einer Werbung für festverzinsliche Anlagen vorbei. In Europa galten Staatsanleihen einst fast überall als sehr sicher, doch diese Zeiten sind vorbei. Für eine Darstellung von verhältnismäßig sicheren Staatsanleihen auf das Foto klicken. (Foto: Foto: dpa)

Und er ist nicht allein. Investmentprofis vieler Häuser raten inzwischen öffentlich oder unter vorgehaltener Hand von zahlreichen Staatstiteln ab: "Was Euro-Anleihen angeht, empfehlen wir unseren Anlegern, mit Ausnahme Österreichs nördlich der Alpen zu bleiben", sagt Jörg Zeuner, Chefökonom der VP Bank.

Von Neu-Investments in Spanien, Griechenland, Irland und auch schon Italien rät er explizit ab. Der Grund für diesen Schwenk liegt in der Zuspitzung der Schuldenkrise. "Bei vielen Staaten ist die Tragfähigkeit der Schuldenlast längst überschritten", sagt Vorndran, "schon eine kleine Anpassung der Marktzinsen nach oben kann manche Regierung in Zahlungsschwierigkeiten bringen."

Identisches Risiko mit der Bundesrepublik

Was also tun? Innerhalb Eurolands sollten sich Anleger "auf Anleihen der Kernländer konzentrieren", also auf Papiere Deutschlands, Frankreichs und der Niederlande, meint VP-Bank-Experte Zeuner.

Tatsächlich dürfte das Rentenportfolio der meisten privaten Investoren derzeit auf Bundesanleihen konzentriert sein sowie auf Inhaber-Schuldverschreibungen von Sparkassen und Genossenschaftsbanken, schätzt Klaus Holschuh, Leiter der Wertpapieranalyse bei der DZ Bank, dem Dachinstitut der Volks- und Raiffeisenbanken.

Und dabei sollten diese auch bleiben, ist Holschuh überzeugt. Begründung: "Die meisten Banken im Land sind ohnehin staatlich oder haben Hilfen oder Garantien vom Bund bekommen. Ihr Risiko wird somit identisch mit dem der Bundesrepublik gesehen. Die Renditen der Papiere liegen jedoch um ein halbes bis ein Prozent höher als die von Bundesanleihen."

Favoriten aus Norwegen und Australien

Die meisten Experten gehen davon aus, dass die wichtigsten Zentralbanken der westlichen Welt, also die EZB und die US-Notenbank Fed, die historisch niedrigen Leitzinsen bald anheben werden. "Ende des Jahres wird es die Trendwende geben und der Zinsanhebungszyklus kann ein bis zwei Jahre andauern", prognostiziert Holschuh.

Für Anleger, die derzeit Bundesanleihen haben, bedeutet dies ein Kursrisiko, weil neu aufzulegende Staatstitel dann automatisch höher verzinst und damit attraktiver sind als die, die sie schon länger im Depot haben. "Wir raten daher zu Laufzeiten von maximal drei bis fünf Jahren", sagt Holschuh, und auch Zeuner und Vorndran sehen das so.

Allerdings mit einem großen Unterschied: Beide halten es trotz der angespannten Lage an den Finanzmärkten für angebracht, etwas mehr Risiko ins Anleihendepot zu nehmen. "Wir empfehlen entweder erstklassige Unternehmensanleihen oder Staatsanleihen rohstoffreicher Länder mit gutem Rating", fasst Vermögensverwalter Vorndran zusammen.

Zu seinen Favoriten gehören Staatstitel aus Norwegen, Australien und mit Abstrichen auch aus Kanada. Die Länder verfügen über Öl-, Kohle-, Erz- und Edelmetallreserven, alles Rohstoffe, die zuletzt am Markt sehr gefragt waren. Norwegen überzeuge zusätzlich noch durch "solide Staatsfinanzen", so Vorndran, und profitierte zuletzt vom hohen Ölpreis.

Unter Aufwertungsdruck

Den Australiern nutzt weiterhin die geografische Nähe zu den wichtigsten Absatzmärkten der Welt in China und Südostasien. Bei dem wirtschaftlich eng mit den USA verflochtenen Kanada komme es noch darauf an, ob es sich langfristig von der Geldpolitik der amerikanischen Fed emanzipieren könne. Eine Leitzinserhöhung ist im Gegensatz zum Mutterland des Dollar bereits angekündigt. Norwegen und Australien haben die geldpolitische Wende bereits vollzogen.

Bei allen genannten Staatstiteln gibt es im Unterschied zu Euro-Anleihen ein Währungsrisiko - "das kann in einem Jahr schon mal um die zehn Prozent auf- oder abwärts gehen", gibt Holschuh zu bedenken. "Alle genannten Währungen stehen unter Aufwertungsdruck", setzt Zeuner von der VP Bank entgegen.

Legen diese Währungen tatsächlich zum Euro im Wert zu, können Anleger zusätzlich zur Rendite noch einen Währungsgewinn mitnehmen. Geht diese Prognose nicht auf, verlieren sie aber auch entsprechend. Zur Absicherung des Depots richten Zeuner wie Vorndran daher ihre Aufmerksamkeit auf eine besonders sichere Bank: Schweizer Anleihen, die aber weniger einbringen als Bundeswertpapiere (Für die Grafik dazu bitte auf das Foto auf der ersten Seite klicken).

Falls es doch noch zum Schuldencrash kommt, "könnte die Schweiz ihre Währung am ehesten noch mit Goldreserven decken", erläutert Vorndran - ein Szenario, bei dem dann alle Staatsanleihen deutlich an Wert verlören.

© SZ vom 04.05.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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