Erbgraf zu Castell-Castell:Von Bäumen und Banken

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Der Erbgraf zu Castell-Castell besitzt Wald, Weinberge und ein Kreditinstitut. Er weiß daher, was die Finanzwirtschaft von der Forstwirtschaft lernen kann: Nachhaltigkeit. Denn "die Bäume wachsen nicht in den Himmel."

Harald Freiberger

Der Land Rover rumpelt über Waldwege, am Steuer sitzt ein fein gekleideter Herr mit runder Brille. Er hält an einer bestimmten Stelle, dort, wo er immer hält, wenn er Besuchern seine Geschäftsphilosophie erläutern will. "Sehen Sie sich diesen Wald an", sagt er und holt mit seinem rechten Arm aus. Etwas unregelmäßig, denkt sich der Besucher, um später dann zu erfahren, dass es genau darauf ankommt.

Erbgraf Ferdinand in seinen Weinbergen mit dem Urahnen Graf Wolfgang Georg zu Castell, der im Jahr 1659 in Castell erstmals in Deutschland die Rebsorte Silvaner anpflanzen ließ. (Foto: Fürstlich Castell'sche Bank)

Ferdinand Erbgraf zu Castell-Castell, 45, kennt sich mit Wald, Wein und Wiesen aus. Er ist der Erbe des erstmals 1057 erwähnten Fürstengeschlechts im 800-Seelen-Ort Castell, 30 Kilometer von Würzburg entfernt. Außerdem gehören ihm 49 Prozent der ältesten Bank Bayerns, der Fürstlich Castell'schen Bank. "236. Geschäftsjahr" steht auf dem Jahresbericht der Bank. Sie wurde 1774 nach einer Hungersnot gegründet, um Bauern mit Krediten zu unterstützen.

Eine Bank, die seit 236 Jahren existiert, hat bewiesen, dass sie Stürmen standhält, genauso wie eine Familie, die ihr Geschäft nun in der 26. Generation betreibt. Der Erbgraf zu Castell-Castell ist ein Experte in Sachen Nachhaltigkeit, und er weiß auch, was die Finanzwirtschaft von der Forstwirtschaft lernen kann. Zum Beispiel, dass es nicht gut ist, nur auf einen Baum zu setzen.

"Wir mussten verkaufen, als alle verkauften"

So wie viele deutsche Forstbesitzer über mehr als hundert Jahre nur auf die Fichte setzten, weil die schnell und gerade wuchs und am meisten Ertrag zu bringen schien. "Eine angestrebte höhere Rendite erkauft man sich immer mit höheren Risiken", erklärt der Erbgraf. In der Forstwirtschaft wisse man das spätestens seit dem Orkan Wiebke im Jahr 1990, der für die Wälder ungefähr das war, was die Finanzkrise später für die Banken werden sollte.

Der Orkan riss in Deutschland große Flächen von Fichtenwäldern um. "Wir mussten verkaufen, als alle verkauften, was stark auf den Preis drückte", sagt er. Spätestens 1990 habe man gemerkt, dass die Fichten-Monokultur ein großer Fehler war - "genauso wie es ein Fehler ist, in einem Depot nur auf eine Aktie zu setzen und im Bankgeschäft zu hohe Risiken einzugehen", sagt Thilo Wendenburg, der seit einem Jahr Vorstandssprecher der Fürstlich Castell'schen Bank ist.

So sei das Institut schon vor seiner Zeit verfahren, deshalb habe man nur gekauft und weiterempfohlen, was man auch verstanden habe - "kein Island, kein Subprime, kein Lehman".Das Ziel sei der langfristige Werterhalt. Einer der 270 Mitarbeiter der Bank fragte Erbgraf zu Castell-Castell einmal, was er denn von ihm verlange. "Ich habe ihm geantwortet, er solle die Kunden so beraten, dass auch dessen Kinder noch bei unserer Bank bleiben", erzählt er.

Seltene Arten wie die Elsbeere und der Speierling

Und damit ist er wieder beim Wald, in jenem gut durchmischten Fleckchen, das er gern den Besuchern zeigt. "Wir achten darauf, in jedem Wald fünf bis sieben verschiedene Baumarten zu pflanzen", sagt er. Darunter sind auch so seltene Arten wie die Elsbeere und der Speierling.

Das ist wie bei der Mischung eines Depots. Und dann gibt es auch noch eine Mischung der Laufzeiten. "Ein guter Wald sollte aus jungen Bäumen, mittelalten Bäumen und alten Bäumen bestehen", sagt er und deutet auf sein Vorzeige-Waldstück. Das mindere das Risiko, dass man nach einem Sturm völlig mit leeren Händen dastehe und wieder 80 Jahren warten müsse. Denn der Sturm reißt meist nur die großen Bäume um.

"Ich ernte heute die Bäume, die zur Zeit meines Urgroßvaters gepflanzt wurden, und meine Urenkel werden das ernten, was wir heute pflanzen", sagt der Erbgraf. Von den eigenen Investitionen sehe man nichts mehr, nur die Kosten, es sei ein Generationenvertrag. Und genauso will er das Bankgeschäft verstanden wissen. "Unsere Investitionen müssen nicht im nächsten Quartal Rendite abwerfen, wie es bei börsennotierten Instituten der Fall ist. Sie sollen über Jahre und Jahrzehnte wirken."

Vorsichtiges Wachstum

Bankchef Wendenburg, der vorher Geschäftsleiter bei der Deutschen Bank in Luxemburg war, hat erlebt, "wie die Berater immer mehr in Bedrängnis kamen, weil sie harte Zielvorgaben zu erfüllen haben". Geld müsse zwar auch seine Bank verdienen, aber es geschehe in einem anderen Umfeld. "Wir haben noch nie ein Produkt vorgegeben, das die Berater bevorzugt verkaufen sollen", sagt er.

Die Castell-Bank bietet ihren Kunden drei eigene Fonds an, dazu Hunderte sorgfältig ausgewählte andere Produkte. Und sie setzt nicht auf Provisionen, sondern auf ein Honorarmodell, bei dem der Depotinhaber 0,8 bis 1,5 Prozent Pauschalgebühr im Jahr bezahlt.

"Es kommen immer mehr Berater von anderen Banken auf uns zu", sagt Wendenburg. Vor allem im Vermögensmanagement will die Bank demnächst auch über Süddeutschland hinaus wachsen. Derzeit gibt es Filialen in Nürnberg, München, Heilbronn und Mannheim, das Filialgeschäft für Privat- und Firmenkunden ist dagegen auf den fränkischen Raum beschränkt.

Die Zeichen bei der Bank, die 2009 zwei Millionen Euro Jahresüberschuss erzielte, stehen auf vorsichtiges Wachstum, vor allem im Vermögensmanagement. Auch hier gilt ein Satz aus der Forstwirtchaft, den der Erbgraf gerne benutzt: "Die Bäume wachsen nicht in den Himmel."

© SZ vom 04.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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