Energiewende:Sparen statt verbrauchen

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Die Sanierung des Gebäudebestandes kommt nicht voran - es wird viel Energie zum Fenster rausgeheizt. Dabei ist die Dämmung laut einer Studie volkswirtschaftlich der günstigste Weg, um die Klimaschutzziele zu erreichen.

Von Ralph Diermann

Die energetische Sanierung des Gebäudebestandes kommt nicht voran: Gerade einmal knapp ein Prozent der Immobilien in Deutschland wird pro Jahr mit einem besseren Wärmeschutz versehen. Um das Klimaziel für 2030 zu erreichen, müsste die Sanierungsquote aber doppelt so hoch liegen - ein unerreichbarer Wert, solange finanzielle Anreize wie die steuerliche Förderung von Effizienzmaßnahmen ausbleiben. Die Gas- und Heizölbranche nutzt die Situation, um für den Einsatz synthetischer Brennstoffe zu werben, die mithilfe von Wind- und Solarstrom erzeugt werden und daher CO₂-neutral sind. Ihre Argumentation: Wenn sich bei der Effizienz kaum etwas bewegt, müssen es halt die Brennstoffe richten.

Die verbandsunabhängige Berliner Denkfabrik Agora Energiewende hat nun eine Studie vorgelegt, die untersucht, wie sich die Klimaziele im Gebäudesektor auf volkswirtschaftlich sinnvollste Weise erreichen lassen. Das Fazit: Ohne zusätzliche Anstrengungen bei der Energieeffizienz müssten jährlich rund acht Milliarden Euro zusätzlich aufgebracht werden, um die nötigen Mengen Kohlendioxid einzusparen. Zudem würde der Verzicht auf mehr Dämmung und andere Effizienzmaßnahmen verlangen, dass große Mengen von Brennstoffen importiert werden, die mit Ökostrom hergestellt werden. Denn für die Massenproduktion von grünem Gas und Heizöl wären sehr viele zusätzliche Windräder und Solaranlagen nötig, für die es in Deutschland gar nicht genug Flächen gibt. Die Studie wurde vom Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (Ifeu), dem Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (IEE) sowie vom Beratungsunternehmen Consentec durchgeführt.

Der Import von Brennstoffen ist volkswirtschaftlich gesehen die teuerste Lösung

Die Experten haben fünf Szenarien zum Erreichen des Klimaschutzziels berechnet - vier mit einer deutlichen Verbesserung der Energieeffizienz und eines, das stattdessen vor allem auf synthetische Brennstoffe setzt. Laut der Studie sind die verschiedenen Effizienz-Szenarien volkswirtschaftlich gesehen ähnlich teuer, während das Modell mit grünem Gas und Öl deutlich höhere Kosten verursacht. Dazu komme, dass höhere Dämmstandards fast immer auch den Wohnwert der Gebäude steigerten. "Ein zugiges Haus bleibt ein zugiges Haus, auch wenn es mit klimafreundlichen Brennstoffen beheizt wird", erklärt Agora-Chef Patrick Graichen. "Eine gut ausgeführte Dämmung aber verwandelt es in ein behagliches Haus." Darüber hinaus verweist die Studie darauf, dass bei Gebäudesanierungen anders als bei Brennstoffimporten die Wertschöpfung überwiegend im Inland stattfindet.

Graichen fordert von der Politik, dem Wärmeschutz höchste Priorität zu geben. "Ohne eine rasche und umfassende steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung, kombiniert mit Ordnungsrecht und klaren Anreizen für Hauseigentümer, wird die Wärmewende nicht gelingen", betont er. Bleibt der Kurswechsel aus, wird Deutschland seine europarechtlichen Klimaschutzverpflichtungen verfehlen. Dann muss die Bundesrepublik von anderen Staaten Emissionsrechte erwerben. Das könnte den Staat im nächsten Jahrzehnt bis zu sechzig Milliarden Euro kosten, so Graichen.

© SZ vom 09.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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