Digitalisierung:Im Chat mit dem Vermieter

Lesezeit: 4 min

Alles läuft über das Display: Schöne smarte Wohnwelt, aufgenommen im chinesischen Hangzhou. (Foto: Qilai Shen/Bloomberg)

Vor allem große Wohnungsunternehmen kommunizieren mit ihren Mietern immer öfter über eigene Apps oder Messaging-Dienste wie Whatsapp. Aber nicht alles lässt sich digital regeln.

Von Simone Gröneweg

Das Telefon steht nicht still, das E-Mail-Fach quillt über, und der Terminkalender ist voll. Wer eine Wohnung vermieten will, braucht mitunter Zeit und Nerven. Da bezahlbare Wohnungen rar sind, stehen die Bewerber oftmals Schlange. "Manche erzählen ihre komplette Lebensgeschichte während eines Besichtigungstermins", berichtet ein Vermieter. Wenig verwunderlich also, dass Wohnungsbesitzer solche Auswahlverfahren gerne effizienter gestalten würden. Doch nicht nur die Suche nach dem passenden Mieter gestaltet sich zeitaufwendig. Gründe für Mieter, den Vermieter zu kontaktieren, gibt es schließlich viele: Das Warmwasser funktioniert nicht, der Haustürschlüssel ist weg, oder bei der Betriebskostenabrechnung ist etwas unklar. Es besteht ein großer Kommunikationsbedarf zwischen Vermietern und Mietern, wobei sich viele Anfragen regelmäßig wiederholen oder zumindest ähneln. Das gilt insbesondere für Vermieter mit vielen Wohnungen.

Während der Mieter seine Freizeitaktivitäten mitunter schon komplett übers Handy organisiert, läuft die Kontaktaufnahme zum Vermieter häufig noch über Telefon, Post oder E-Mail. "Momentan besteht für die Branche angesichts der Wohnungsmarktlage kein Druck, etwas zu ändern", meint Nils Britze, Referent für Digitale Geschäftsprozesse beim Verband Bitkom. "Die Mieter bleiben, auch wenn sich der Vermieter nicht sonderlich innovativ zeigt", meint er. Falls sich der Immobilienmarkt aber drehe, könne der Druck zunehmen. "Wer seinen Vermieter am Telefon nicht erreicht und sich über eine kaputte Heizung ärgert, überlegt sich dann unter Umständen, die Wohnung zu wechseln", meint er.

Die Versprechungen der Entwickler diverser Miet-Apps sind groß. Sie kündigen an, dass die Prozesse bei den Verwaltungen schneller, einfacher und koordinierter ablaufen könnten. Wenn das heiße Wasser nicht mehr funktioniert, soll der Mieter im Idealfall eine App öffnen und sein Anliegen im Chat erläutern, und zwar unabhängig von Sprechzeiten. Er bekommt eine Nachricht, dass ein Handwerker geschickt wird. Ist der Schaden behoben, gibt es wieder eine Info darüber. Das klingt natürlich wunderbar, allerdings müssen solche Prozesse in der Realität auch funktionieren. Taucht der Handwerker trotz App nicht auf oder fallen plötzlich hohe Kosten für den Mieter an, ist der genervt - trotz App.

Wer nicht mit dem Smartphone kommunizieren will, kann sich eine Box an die Wand kleben

Bisher haben vor allem große Konzerne angefangen, bei der Kontaktaufnahme neue Wege zu gehen. "Vor zwei Jahren wurde unsere gesamte Kommunikation modernisiert", berichtet zum Beispiel Judith-Maria Gillies, Sprecherin der LEG Immobilien AG. Das börsennotierte Unternehmen besitzt mehr als 130 000 Wohnungen. Schaltstelle der Kommunikation ist der zentrale Kundenservice, erklärt sie. Die Mitarbeiter beantworten Fragen am Telefon oder per Mail, aber mittlerweile ist der Konzern auch über Messengerdienste wie WhatsApp und Threema erreichbar. Kunden könnten online Mietbescheinigungen ausdrucken, ihre Mietkontodaten einsehen oder Schäden melden. Die Resonanz ist groß. Etwa 67 000 Anfragen zu Mietverträgen, Abrechnungen oder Besichtigungsterminen seien bisher via Messengerdienste eingegangen, teilte das Unternehmen vor Kurzem mit.

Mieter der Vivawest haben seit Ende 2016 ebenfalls die Möglichkeit, über ein Kundenportal notwendige Reparaturen zu melden oder Termine zu vereinbaren. Das Unternehmen verwaltet mehr als 120 000 Wohnungen. Thomas Wels, Bereichsleiter Kommunikation bei Vivawest, betont, dass die Anspruchshaltung der Mieter in Bezug auf Service- und Kundenorientierung deutlich gestiegen sei. "Die Kommunikation läuft zudem zunehmend asynchron und über verschiedene Kanäle ab", sagt er.

Auf der Internetseite des Dax-Konzerns Vonovia begrüßt ein virtueller Assistent die Mieter. Das Unternehmen besitzt mehr als 400 000 Wohnungen hierzulande. Im Kundenportal gibt es einen Einblick in sämtliche Unterlagen aus dem Mietverhältnis, inklusive eventueller Mietrückstände. "Wir bekommen jeden Tag 10 000 bis 12 000 Anrufe, aber neben den persönlichen Gesprächen wächst der Anteil der Mieter, die mit uns nur online kommunizieren möchten. Wir haben inzwischen rund 6000 reine Online-Mieter", berichtet Malte Hollstein, Geschäftsführer Kundenservice bei Vonovia.

Beim Mietkonzern Deutsche Wohnen mit etwa 163 100 Wohneinheiten hat man den Bedarf nach digitaler Kommunikation ebenfalls erkannt. "Wir wollen neue Kanäle schaffen, um mit den Leuten ins Gespräch zu kommen", sagt die Sprecherin Manuela Damianakis. Anvisiert ist ein professionelles Produkt, speziell für die Kommunikationsbedürfnisse eines Vermieters. Ähnliche Überlegungen zur Digitalisierung gibt es bei der Degewo AG, die mehr als 73 000 Wohnungen in Berlin verwaltet. Eine Projektgruppe, in der alle Fachbereiche vertreten sind, widmet sich derzeit dem Thema.

Die technischen Möglichkeiten dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Beziehung zwischen Mieter und Vermieter gesetzlichen Bestimmungen unterworfen ist. "Grundsätzlich gilt, dass sich viele Angelegenheiten aus dem Mietverhältnis papierlos erledigen lassen", erklärt Wibke Werner, stellvertretende Geschäftsführerin des Berliner Mietervereins. Es gebe allerdings Grenzen, sagt sie. "Da die Erhöhung begründet werden muss, ist eine App-Meldung dafür nicht geeignet", sagt Werner. Die Nachricht müsse viele konkrete Details enthalten wie etwa den Adressaten, die richtige Bezeichnung der Wohnung, die bisherige Miethöhe und die künftige Miete.

"Falls man mit dem Vermieter über WhatsApp verbunden ist und der seine Nachrichten regelmäßig liest, kann man Mängel durchaus darüber anzeigen", sagt Werner. Im Zweifel müssten die Mieter aber beweisen, dass die Nachricht den Vermieter erreicht hat, betont die Expertin vom Mietverein. Ihr Rat an die Mieter lautet deshalb: Zur Sicherheit den Chatverlauf immer abspeichern, um im Zweifel einen Beleg zu haben. Bei der Kündigung einer Wohnung schreibt das Gesetz die Schriftform vor. "Sowohl Mieter als auch Vermieter können nur mit einem original unterschriebenen Schreiben kündigen", macht die Expertin vom Mieterverein deutlich.

Doch was geschieht in Zukunft mit Bewohnern, die kein Smartphone besitzen? Selbst für solche Fälle bastelt die Branche an Produktinnovationen. So startet die LEG Immobilien AG demnächst ein Pilotprojekt mit einer handygroßen Box, über die man Kontakt zum Unternehmen aufnehmen kann. "Die Mieter können sich die Box einfach an die Wand kleben", heißt es. So will das Unternehmen Kunden den einfachen Kontakt zum Service ermöglichen - ganz ohne Telefon, Smartphone, Tablet oder PC.

© SZ vom 04.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: