Deutsche Bank:Gerechtigkeit auf Umwegen

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Die Klagen der US-Staatsanwälte gegen Banken an der Wall Street mögen nicht immer dem allgemeinen Rechtsempfinden genügen. Doch erst durch sie zeigt sich, wie hanebüchen das Geschäft in den Tagen des Immobilienbooms war.

Nikolaus Piper

Fast drei Jahre nach Ausbruch der globalen Finanzkrise ist der Wunsch der Menschen nach einer juristischen Aufarbeitung ungebrochen. Er ist ja auch verständlich: Wenn die Weltwirtschaft fast in den Abgrund gefahren wurde, wenn viele Milliarden Dollar und Euro Steuergeld für die Reparatur der Krisen ausgegeben werden mussten, dann sollte es doch auch möglich sein, Schuldige vor Gericht zu belangen. Doch muten die bisherigen Versuche, die Krise juristisch aufzuarbeiten, eher wie Scharmützel auf Nebenkriegsschauplätzen an. Es gab bisher kein einziges größeres Strafverfahren, dafür einige Zivilverfahren in den Vereinigten Staaten, die meistens mit einem Vergleich enden.

Die US-Staatsanwaltschaft beschuldigt eine Deutsche-Bank-Tochter, die staatliche Wohnungsbehörde FHA über die Qualität von Hypotheken angelogen zu haben, um an die günstige Kreditversicherung der FHA zu kommen. (Foto: REUTERS)

Im seinerzeit sensationellen Verfahren der Börsenaufsicht SEC gegen die Investmentbank Goldman Sachs 2010 ging es im Kern um die Frage, ob Banken auch hochprofessionelle Kunden vor ihrer eigenen Dummheit oder ihrem Unwissen schützen müssen. Eine wichtige Frage, die aber nur am Rande mit dem Ausbruch der Finanzkrise zu tun hat. Am Ende stand ein Vergleich über die Rekordsumme von 550 Millionen Dollar. Dann kam die Politik: Ein Untersuchungsausschuss des Senats wirft unter anderem Goldman Sachs und der Deutschen Bank vor, ihren Kunden wissentlich minderwertige Hypothekenpapiere verkauft zu haben - bisher aber gibt es dazu noch kein Verfahren.

Nun hat es wieder die Deutsche Bank getroffen. Die Staatsanwaltschaft beschuldigt die Bank, genauer deren Tochter, den Hypothekenfinanzierer MortgageIT, die staatliche Wohnungsbehörde FHA über die Qualität von Hypotheken angelogen zu haben, um an die günstige Kreditversicherung der FHA zu kommen. Erst durch das Qualitätssiegel der FHA hatten die Ramschhypotheken überhaupt eine Chance, verbrieft und weiterverkauft zu werden. Weil die Darlehen, wie zu erwarten, notleidend wurden, musste die FHA (also der amerikanische Steuerzahler) einspringen, um die toxischen Papiere aus der Deutschen Bank in Sicherheit zu bringen. Das ganze könnte man mit "Versicherungsbetrug" übersetzen - eine neue Dimension in einem Wall-Street-Verfahren.

Auf dem Papier geht es um Schadenersatz und Geldbußen, die sich bis zu einer Milliarde Dollar summieren könnten. Diese Summe wird die Deutsche Bank sicher nicht zahlen müssen. Weil niemand Interesse an einem langen und für die Bank rufschädigenden Verfahren hat, dürfte es relativ bald zu einem Vergleich kommen. Die Summe wird dann tragbar, aber durchaus bilanzrelevant sein.

Solche Zivilverfahren an der Wall Street mögen vielleicht dem einfachen Rechtsempfinden nicht genügen, sie haben aber eine nicht zu unterschätzende Wirkung auf die Öffentlichkeit: Dank der Dokumente von SEC und Staatsanwälten wird zu Tage gefördert, wie hanebüchen das Geschäft an der Wall Street in den Tagen des Immobilienbooms war.

Warum zum Beispiel kaufte die Deutsche Bank 2007 überhaupt die Firma MortgageIT, die damals schon keinen tadellosen Ruf mehr hatte? Die Staatsanwälte fanden Groteskes über MortgageIT heraus: Als ein Prüfer das Unternehmen auf schwerwiegende Mängel bei der Vergabe der Hypotheken hinweisen wollte, seien dessen Briefe ungeöffnet in Schränken und Schubladen gelandet.

Im Januar 2007 hatte die Bank den Kauf von MortgageIT noch als eine "strategische" Entscheidung gepriesen. Ende 2008 musste sie den größeren Teil des Geschäftes dichtmachen. Heute hat MortgageIT aufgehört zu existieren. Viele der Verstöße geschahen zu einer Zeit, als das beschuldigte Unternehmen noch gar nicht zur Deutschen Bank gehörte. Den Bankern in Frankfurt dürfte dies über ihre Fehlinvestition nicht hinwegtrösten.

Die große juristische Generalabrechnung mit Verantwortlichen der Finanzkrise wird es nicht geben. Aber die Ankläger sind entschlossen, überall dort einzugreifen, wo sie Missbrauch und Betrug sehen. Sie werden auch Verfahren riskieren, bei denen sie Gefahr laufen, vor Gericht zu verlieren. Sie wollen aufklären und aufräumen, je konsequenter desto besser. Strafverfolger sind in den Vereinigten Staaten politischer als in Deutschland. Die Spieler an der Wall Street, nicht nur die Deutsche Bank, tun gut daran, sich auf weitere Überraschungen einzustellen.

© SZ vom 05.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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