Commerzbank: Chronik der Finanzkrise:Och, das bisschen Hilfe

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In einer kleinen Broschüre arbeitet die Commerzbank die Finanzkrise auf. Schade nur, dass sich das Frankfurter Geldhaus selbst dabei so wenig Platz einräumt.

Hans von der Hagen

Martin Blessing ist der Gegenentwurf zu Josef Ackermann. Der eine verkörpert die Mühsal des Glücklosen, der andere die Geschmeidigkeit des Erfolgs. Der eine ist der Staatsbanker, dessen Institut nur mit öffentlichem Geld überleben kann, der andere ist als "Europe's Banker of the Year" quasi ins Firmament entrückt.

Commerzbank zu Finanzhilfen des Staates: "Schließlich geht es auch darum, eine Kreditklemme zu verhindern." (Foto: dpa)

Da Qual bescheiden macht, wird Blessing in der Öffentlichkeit eben auch als der Anti-Ackermann wahrgenommen. Freundlich, gelassen, nahbar. In einem Interview antwortete der Chef der Commerzbank auf die Frage, wie Menschen nach der Krise wieder Vertrauen in die Führungskräfte der Wirtschaft fassen sollen, mit einer einfachen Formel: "Durch Offenheit, Transparenz und klare Regeln". Schade nur, dass seine Commerzbank es mit der Transparenz nicht so genau nimmt, wenn es um die eigenen Belange geht.

Zum Beispiel, wenn die Finanzkrise für die Öffentlichkeit aufgearbeitet wird. Die Commerzbank hat es sich in einer Broschüre zur Aufgabe gemacht, den Kunden und Mitarbeitern die Sicht des Instituts auf die dramatischen Ereignisse der Jahre 2007 bis 2009 zu schildern. Selbst wenn sich der vielbeschäftigte Blessing um eine solche "Chronik der Finanzmarktkrise" nicht persönlich kümmern dürfte - dem Zufall überlässt seine Bank auch in solch schmalen PR-Werken nichts.

An Details gespart

Wenn also die Commerzbank in der Auflistung der Ereignisse ("Die Finanzmarktkrise - wie es dazu kam und was nun zu tun ist") peinlich genau festhält, dass im August 2007 die SachsenLB in Schieflage gerät, im September 2007 der britische Hypothekenfinanzierer Northern Rock Liquiditätshilfen der Bank of England in Anspruch nehmen muss und im September 2008 das erste Rettungspaket für die Hypo Real Estate geschnürt wird, dann dürfte das Institut auch erwähnen, dass es selbst im November 2008 viele Milliarden Euro vom staatlichen Rettungsfonds Soffin erhielt - und Anfang 2009 dann teilverstaatlicht wurde.

Kaum eine Bank hat derart viel Geld vom Staat bekommen wie die Commerzbank. Allein: Das eigene Institut kommt in dem Reigen der Staatsgeld-Empfänger nicht adäquat vor. Abgesehen davon, dass die Erwähnung dieser Details dem Geldhaus mit der sonnengelben Ausstrahlung nicht geschadet hätte, da es ohnehin bekannt war - in der eng bedruckten und grau unterlegten Zahlenleiste wäre es auch kaum aufgefallen.

Aber so viel Detailfreude war in eigener Sache offenbar redaktionell nicht möglich. Es ging ja nur um 18 Milliarden Euro Kapitalhilfe und 15 Milliarden Euro Garantie. Es ging ja nur um ein öffentliches Notopfer, nachdem sich die Commerzbank mit dem Kauf der Dresdner Bank aus den Latifundien der Allianz offenbar verhoben hatte.

Wortreich begründet die Bank dann aber auf den insgesamt mehr als 30 Broschüren-Seiten, warum die Rettung der Kreditwirtschaft mit öffentlichen Mitteln absolut gerechtfertigt sei. Einigen Raum nimmt beispielsweise ein makroökonomischer Exkurs ("Die 'systemische Bedeutung' von Banken") ein.

Wenn eine "allgemeine, tiefgreifende und weltweite Vertrauenskrise eintritt", heißt es dort, müssten besondere Instrumente angewandt werden. Die "besondere volkswirtschaftliche, 'systemische' Bedeutung der Banken rechtfertigt die dabei eingesetzten, hohen Kapital- und Garantiebeträge", schreibt die Commerzbank. Breiten Raum findet auch die Darstellung der "Stabilisierungsmaßnahmen der Regierungen und Zentralbanken" und stets wird betont, dass der Staat "angemessen" für die zur Verfügung gestellten Garantien und Hilfen entschädigt wird - ja, am Ende sogar ein Gewinn für die öffentliche Hand herausspringen könnte.

Wer sich durch die ganze Broschüre kämpft, findet am Ende den Hinweis, dass mittlerweile "die Mehrheit der 25 größten Banken der Welt mit staatlicher Beteiligung" operiere, "schließlich geht es auch darum, eine Kreditklemme zu verhindern".

Derartig vorbereitet mutet die Commerzbank am Ende dem Leser dann doch die Wahrheit zu, sicherheitshalber etwas verschwiemelt: "Die Commerzbank hat sich nicht zuletzt vor diesem Hintergrund ( gemeint ist die drohende Kreditklemme, Anm. d. Red.) im November 2008 und Januar 2009 dazu entschlossen, das von der deutschen Bundesregierung zur Stabilisierung des Finanzmarktes ins Leben gerufene Programm zu nutzen." So steht es auf Seite 28.

Ein tapferer Satz, geradezu öffnend nach so viel Verschlossenheit. Um welche Summen es geht, erfährt man nicht, aber immerhin: Die Commerzbank versucht sich in Transparenz.

Das ist sicher ganz im Sinne des Martin Blessing.

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