Bizarre Rolle der EZB:Sündenfall der Geldpolitik

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Europas Zentralbank haftet für die Fehler der Regierungschefs bei der Rettung klammer Staaten. Das schadet Notenbank-Chef Trichet: Er wird zum Ausputzer gemacht.

Catherine Hoffmann

Erst Griechenland, nun Irland: Um Dublin zu helfen, greift die Europäische Zentralbank (EZB) zu einem außergewöhnlichen Mittel. Die Notenbank verwässert ihre hehren Prinzipien, nach denen sie nur Staatsanleihen mit erstklassiger Bonität akzeptiert. Das hilft den schwer angeschlagenen Kreditinstituten der Insel.

Trichet muss zur Normalität zurückkehren, bevor es zu spät ist. (Foto: REUTERS)

Künftig werden vom irischen Staat garantierte Schuldtitel unabhängig von ihrer Benotung durch die Ratingagenturen angenommen - als Sicherheit für Kredite an die Banken. Bislang galt diese Sonderregel nur für griechische Anleihen. Damit beteiligt sich die EZB einmal mehr an der Rettung hochverschuldeter Staaten, die ohne diese Ausnahme ihre schlingernden Banken mit noch mehr Kapital ausstatten müssten.

Die Maßnahme schadet der Glaubwürdigkeit von Notenbankchef Jean-Claude Trichet, der immer mehr in die Rolle des Ausputzers gedrängt wird. Seit Griechenland vor nunmehr einem Jahr in wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet, haftet die EZB für die Versäumnisse der europäischen Staats- und Regierungschefs im Krisenmanagement. Im Kräftemessen mit den starken Nationalstaaten haben die Notenbanker verloren. Es ist erschreckend, dass die bizarre Rolle der EZB kein großes Thema ist.

Aufmerksamkeit genießen allein die eifrigen Akteure, die einen noch größeren Rettungsschirm aufgespannt haben. Die Kämpfer für Wettbewerbsfähigkeit und Haushaltskonsolidierung loben sich noch selbst dafür, was sie auf dem EU-Gipfel herausgeholt haben: neue Notkredite, das Bekenntnis zum sparsamen Wirtschaften und zu ein paar Reformen. Dass ihr Euro-Pakt aber bei weitem nicht reicht, um Griechenland, Irland und Portugal vom Abgrund des Bankrotts wegzuzerren - darüber schweigen Angela Merkel und ihre Kollegen. Der Schwarze Peter liegt bei der EZB. Sie spielt wohl oder übel den Nothelfer und überdehnt ihre Regeln - das zeigt, wie ernst die Lage noch immer ist.

Würden die Währungshüter nicht mit dreistelligen Milliardensummen Pleitebanken in Irland und Griechenland über Wasser halten, hätten die Finanzminister in Dublin und Athen noch viel größere Probleme. Dann müssten kranke Staaten sieche Banken stützen - ein Vorhaben, das nur scheitern kann.

Die Banker im Frankfurter EZB-Tower halten mit ihren kurzfristigen Krediten Banken am Leben, denen kein privater Investor mehr über den Weg traut. Und sie finanzieren Staaten, denen weder ihre Bürger noch Versicherungen oder Fondsgesellschaften einen Cent leihen wollen. Indem die Zentralbank griechische, irische und portugiesische Staatspapiere kauft, versorgt sie die Haushalte der Länder mit Geld. Es ist der Sündenfall der Geldpolitik, den Deutschland in der Weimarer Republik mit hoher Inflation bezahlt hat. Dass sich die Politik des Gelddruckens nicht katastrophal auf den Außenwert des Euro auswirkt, liegt allein daran, dass die amerikanische Notenbank denselben gefährlichen Kurs verfolgt.

Trichet muss zur Normalität zurückkehren, bevor es zu spät ist. Die Botschaft an die europäischen Politiker muss lauten: Löst das Problem überschuldeter Staaten und beteiligt die Gläubiger an den Kosten, saniert marode Banken und schafft strikte Schuldenregeln, die von einer unabhängigen Instanz überwacht werden. Die Zentralbank hat lange genug Schrottpapiere gekauft und in Zahlung genommen. Lädt sich die EZB noch mehr hochriskante Anleihen auf, weckt dies nur Begehrlichkeiten bei anderen Schuldensündern. Und sie verschleppt damit eine geordnete Insolvenz einzelner Banken oder Staaten, die viele Ökonomen für unausweichlich halten.

Noch gilt es als Blasphemie, die Stabilität der EZB in Frage zu stellen. Sollten aber Länder in Konkurs gehen, laufen bei der Notenbank hohe Verluste auf. Dafür stehen am Ende die Euro-Mitglieder gerade, allen voran Deutschland. Dann steckt der Schwarze Peter wieder bei der Politik.

© SZ vom 02.04.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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