Berlin:Neue Pracht in alten Gemäuern

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Das Riviera-Ballhaus mit seinen Rundbogenfenstern und Stuckarbeiten war einst mit Kronleuchtern bestückt. Das historische Gebäude soll denkmalgerecht saniert und wieder für Veranstaltungen genutzt werden. (Foto: PR)

Zwei frühere Ausflugslokale standen vor dem Verfall. Nun wird kräftig umgebaut.

Von Lars Klaaßen

"Vorsicht - Ruine - Betreten unter Lebensgefahr!" Diese Warnung ist am versperrten Eingang des Gebäudes an der Regattastraße in Berlin-Grünau angebracht. Doch statt abzuschrecken, steigert der Hinweis bei manchen eher die Neugier: Warum sind die Fassaden so verfallen, welche Geschichten stecken hinter der ehemaligen Pracht? Wer die Ruine betritt, findet noch historische Spuren, die einiges über die wechselvolle Vergangenheit des Ortes erahnen lassen.

Auf dem weitläufigen Grundstück stehen das ehemalige Ausflugs- und Tanzlokal Riviera und das Gesellschaftshaus in direkter Nachbarschaft. Das Areal befindet sich am Ufer der Dahme, nahe an der Regatta-Strecke, die unter anderem Schauplatz der Olympischen Spiele 1936 war. Zu Kaisers Zeiten und zwischen den Weltkriegen ging es hier hoch her. Der Betrieb glich dem der übrigen großen Gaststätten in Grünau und anderswo. "Das bedeutete vor allem Tanzvergnügen mit Namen wie 'Eine Nacht im Süden', 'Rosenfest', 'Böser-Buben-Ball'", erläutert die Historikerin Helgunde Henschel, die eine Monografie über das Gebäude-Ensemble verfasst hat. Es fanden jedoch auch Veranstaltungen anderer Art statt. So kündigte die SPD-Zeitung Vorwärts 1912 eine Ausstellung im seinerzeit Bellevue genannten Gesellschaftshaus an. Auf dem Programm standen dabei zum Beispiel noch Spiele und ein Wilhelm-Busch-Abend. Auch nach 1945 sind die Lokalitäten rege genutzt worden - bis sie dann immer mehr verfielen.

"Das Objekt hat eine schwierige Geschichte", berichtet Corinna Tell. Die Leiterin der Unteren Denkmalschutzbehörde Treptow-Köpenick hat sich nicht nur mit dem Werdegang der Gebäude befasst, sondern auch mit ihrem baulichen Zustand. "Nicht alles, was theoretisch erhaltenswert wäre, kann tatsächlich gerettet werden" so Tell. "Die Substanz ist in Teilen einfach schon zu weit verfallen." Ein Gutachten ergab, dass Feuchtigkeit und Hausschwamm Teile der Häuser schwer in Mitleidenschaft gezogen haben. Selbst die Statik ist in einigen Bereichen erheblich beeinträchtigt - die Warnung auf den außen angebrachten Schildern also berechtigt.

Schon in den Jahrzehnten vor dem Zweiten Weltkrieg sind Riviera und Gesellschaftshaus mehrfach umgebaut und erweitert worden. Die Substanz der Gebäude war 1945 noch weitgehend erhalten. So hatte zu Beginn des letzten Kriegsjahres die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV) auf dem Gelände eine "Katastrophenküche" geplant, wie Henschel erläutert. Im selben Jahr genehmigte die sowjetische Kommandantur die Gründung eines Varietés. Aber: "Jede Vorstellung musste zuvor von der russischen Kommandantur genehmigt, jedes zu sprechende Wort, jedes Detail schriftlich zur Bestätigung eingereicht werden", erzählt die Historikerin. "Ein Walzer wurde verboten, weil beim Drehen die Knie zu sehen waren."

Die leer stehenden Gebäude wechselten mehrmals die Besitzer, restauriert wurde nicht

Ab 1957 fanden umfangreiche Arbeiten an beiden Gebäuden statt. Die Häuser erhielten einen einheitlich grauen Spritzputz. Dabei wurden am Gesellschaftshaus nicht nur die zur Straße weisenden gelben Klinkerfassaden überdeckt, sondern auch die Verzierungen, Simse, Gipsornamente und Fensterumrahmungen. Die drei ursprünglichen Treppen wurden aus Sicherheitsgründen abgebrochen, zwei neue an anderen Stellen gebaut. In den Räumen waren zu DDR-Zeiten noch eine Nachtbar, eine Disco und eine jährlich veranstaltete Campingausstellung untergebracht. Nach der unzulänglichen Sanierung begann in den 1970er-Jahren der bauliche Verfall, innen wie außen. Auch nach der Wiedervereinigung passierte faktisch nichts, die leer stehenden Gebäude wechselten lediglich mehrmals die Besitzer.

Doch nun geht es voran: Bis Ende 2020 soll das Gebäude-Ensemble in Zusammenarbeit mit dem Denkmalschutz saniert und um vier Neubauten ergänzt werden. Auf dem Gelände entstehen eine Seniorenresidenz mit 212 Wohnungen, eine Tagespflege und eine Seniorenwohngemeinschaft. Hinzu kommt ein Wellnessbereich mit Pool, Saunaanlage, Kneippfad und Fitnessraum. "In Absprache mit dem Bezirksamt ist das Konzept dezidiert offen gestaltet", erläutert Michael Held, Gründer und Geschäftsführender Gesellschafter der Terragon Investment, die das Projekt umsetzt. So werde der Uferweg öffentlich zugänglich sein. Auch der Riviera-Saal stehe Besuchern offen, als gastronomische Einrichtung und Veranstaltungsraum. "Das Ganze wird einem Hotel ähneln, mit aktiven Senioren als Dauergästen, wo es auch zum Austausch mit Besuchern und Anwohnern kommen kann."

"Mit Blick auf Denkmalschutz, Städtebau und Architektur steht bei solch einem Projekt im Zentrum, das historische Gesamterscheinungsbild zu erhalten", sagt Eric van Geisten. Der Architekt saniert mit seinem Büro van geisten.marfels die Altbauten und konzipiert sie für die kommende Nutzung neu. Aber wo Neues hinzukommt, gibt das Alte den Rahmen vor. Zwischen den beiden Teilen des Gesellschaftshauses etwa bekommt das Dach nun einen Aufsatz, der sich in Farbe und Form den alten Giebeln und Dachlinien unterordnet. "Einerseits achten wir darauf, dass Einzelstücke wie der Stuck im Riviera-Saal erhalten bleiben", sagt van Geisten. Die Teile werden herausgenommen, restauriert und anschließend wiedereingesetzt. "In anderen Bereichen sind neue und moderne Materialien gefordert." Während die Stahlkonstruktion des Daches erhalten bleibt, müssen Böden und Decken aus Holz erneuert werden. Moderne Technik findet unter den neuen Böden oder über der Decke Platz, so dass die historische Innengestaltung nicht beeinträchtigt wird. Der große Saal im Gesellschaftshaus kann allerdings nicht erhalten werden. "Dort werden auf zwei Geschossebenen Maisonette-Wohnungen untergebracht", sagt van Geisten. "Um die historische Hülle mit den hohen Fenstern zu erhalten, führen wir die Zwischendecke nicht bis an die Fenster heran."

Im Zuge seiner Arbeit an der Riviera und am Gesellschaftshaus hat Restaurator Ulrich Schneider zahlreiche Fotografien gemacht. Gemeinsam mit dem Denkmalarchitekten van Geisten stellte er im März seine Untersuchungsergebnisse der Farbfassaden und Innenräume im Bürgerhaus Grünau vor. Wer den Riviera-Saal in Natura sehen will, muss sich noch bis Ende 2020 gedulden.

© SZ vom 08.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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