BayernLB:"Das war auch für mich überraschend"

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Siegfried Naser, Präsident des bayerischen Sparkassenverbandes, über die plötzliche Bekanntgabe der Milliardenrisiken bei der BayernLB.

M. Beise, T. Fromm und K. Ott

Siegfried Naser, 57, hält die BayernLB trotz der Belastungen in Höhe von 1,9 Milliarden Euro für ein gesundes Institut. Die bayerischen Sparkassen halten die Hälfte an der bayerischen Landesbank.

Siegfried Naser, Präsident des bayerischen Sparkassenverbandes (Foto: Foto: dpa)

Süddeutsche Zeitung: Herr Naser, die Landesbank hat nach monatelangen Spekulationen jetzt Risiken im Zusammenhang mit der Subprime-Krise in Höhe von 1,9 Milliarden Euro gemeldet. Wie tief steckt die Bank in der Krise?

Siegfried Naser: Die Bank steckt in keiner Krise. Es ist ein völliges Missverständnis, von Verlusten in Höhe von 1,9 Milliarden Euro zu sprechen. Aktuell hat die BayernLB einen Betrag im niedrigen zweistelligen Millionenbereich verloren und wir rechnen im schlimmsten Fall mit echten Verlusten von maximal 150 Millionen Euro. Die 1,3 Milliarden Euro haben nach derzeitigem Kenntnisstand keine realen Auswirkungen und soweit Buchwertabschreibungen über diese 150 Millionen Euro hinaus veranlasst sind, erwarten wir darauf nach heutigem Kenntnisstand auch keine Ausfälle.

SZ: Aber für die 1,3 Milliarden Euro müssen Sie doch Rücklagen bilden.

Naser: Wir müsseneine sogenannte Neuwertungsrücklage bilden, die aber - was entscheidend ist - sich nicht auf das aufsichtsrechtliche Eigenkapital der Bank auswirkt. Dies hat keine Auswirkungen auf unsere Gewinnsituation.

SZ: Schließen Sie aus, dass die BayernLB diese 1,3 Milliarden Euro am Ende verliert?

Naser: Sie können nie ausschließen, dass ein Bankkunde einen Kredit nicht mehr zurückzahlen kann. So ist nun mal das Bankgeschäft. Mal verliert man Geld, mal verdient man Geld, wichtig ist, dass am Ende mehr Geld da ist als am Anfang. Unsere Experten sagen, wir haben so seriös investiert, dass wir nach heutigem Kenntnisstand bei diesen 1,3 Milliarden Euro keinerlei Ausfälle erwarten.

SZ: Wie schlimm wäre es für die BayernLB, wenn diese 1,3 Milliarden Euro doch größtenteils verloren gingen?

Naser: Wenn das geschähe, könnte die BayernLB das sehr wohl verkraften. Aber dann fielen eine Billion Dollar weitweit aus, dann sprechen wir über eine nie dagewesene internationale Finanzkrise und eine Weltwirtschaftskrise.

Im zweiten Abschnitt: Warum die BayernLB so lange mit der Veröffentlichung der Zahlen gewartet hat.

SZ: Wenn die BayernLB wirklich gut dastünde, warum haben Sie dann so lange mit der Veröffentlichung der Zahlen gewartet und den Spekulationen Tür und Tor geöffnet?

Die BayernLB: "Niemand wollte also oder konnte etwas verschweigen." (Foto: Foto: Getty Images)

Naser: Es standen zwei Strategien zur Debatte: Veröffentlichen wir unsichere, geschätzte Daten oder warten wir ab, bis die Zahlen mit hinreichender Sicherheit feststehen. Auf Vorschlag des Vorstandes haben wir uns für die zweite Alternative entschieden.

SZ: Auch eine Veröffentlichung im März hätte dem bayerischen Finanzminister Erwin Huber schwer geschadet. Die Opposition hätte das als Bestätigung ihres Vorwurfs betrachtet, Huber warte aus parteipolitischem Kalkül bis nach den Kommunalwahlen am 2. März.

Naser: Ich habe bereits vor Wochen eine Gesprächsrunde mit Sparkassenvorständen und Verwaltungsräten im Zeitraum 20. - 27. Februar 2008 in allen Bezirken Bayerns vereinbart, um über unsere Situation zu berichten. Niemand wollte also oder konnte etwas verschweigen.

SZ: Warum haben Sie dann nicht gleich überlegt, die Zahlen noch im Februar öffentlich zu nennen?

Naser: Alle Zahlen, die uns bis zum Dienstag, 12. Februar, 16 Uhr bekannt waren, wurden stets als vorläufig, nicht vollständig geprüft, nicht feststehend und daher nicht zur Veröffentlichung bestimmt bezeichnet.

SZ: Wie kann es sein, dass Sie und Minister Huber noch am Dienstag gesagt haben, dass Sie an dem bisherigen Zeitplan festhalten,und die BayernLB am Mittwoch aus heiterem Himmel doch Zahlen bekanntgibt?

Naser: Das war auch für mich überraschend und eine Abkehr von der bisherigen Strategie. Auch ich habe nahezu zeitgleich wie der Herr Staatsminister in einer Rede vor Sparkassenobleuten ausgeführt, dass noch keine hinreichend sicheren Zahlen vorliegen, die bekanntgegeben werden können. Der Vorstand kam jedoch am Dienstag nach Beratungen zu der Auffassung, dass die Zahlen nunmehr weitergehend verifiziert sind und dass im Hinblick auf die anhaltenden unzutreffenden Spekulationen in den Medien eine Veröffentlichung geboten ist.

SZ: Vorstandschef Schmidt wollte die Zahlen bekannt geben, ohne den Verwaltungsrat einzuschalten. Ist das nicht ein Vertrauensbruch?

Naser: Werner Schmidt hat vor der geplanten Veröffentlichung mir und Herrn Staatsminister Huber gegen 16 Uhr die geplante Presseerklärung mit der Bitte um Zustimmung zugeleitet. Herr Huber und ich haben jedoch entschieden, dass erst der Verwaltungsrat über diese Zahlen beraten muss. Wir haben dann für den 13. 2. eine Verwaltungsratssitzung einberufen und nachfolgend die Zahlen bekanntgegeben.

SZ: Sie haben doch selbst im Verwaltungsrat beklagt, "wir stehen jetzt wie die letzten Deppen da". Und Sie sind nicht der einzige, der das so sieht.

Naser: Ich äußere mich nicht zu vertraulichen Sitzungen.

Im nächsten Abschnitt: Eine Antwort auf die Frage, ob das Vertrauensverhältnis zu Schmidt zerstört ist.

Versenkt
:Die Fehlinvestitionen der BayernLB

Gewinner sehen anders aus: Das Geschäft mit fragwürdigen US-Immobilienpapieren und die daraus resultierenden Verluste sind nicht der erste Tiefpunkt der BayernLB. Die Landesbank hat bereits mehrfach Geld verloren - ein Überblick in Bildern.

SZ: Ist das Vertrauensverhältnis zu Schmidt zerstört?

Naser: Ein solches Vertrauensverhältnis macht man an einer langjährigen Zusammenarbeit und nicht an einer Kommunikationspanne fest.

SZ: Welche Konsequenzen hätte es gehabt, wenn die BayernLB mit der Veröffentlichung der Zahlen noch länger gewartet hätte?

Naser: Die Verunsicherung wäre weiter gegangen. Außerdem wäre die politische Debatte eskaliert.

SZ: Welche Folgen hätten weitere Spekulationen für das Geschäft gehabt?

Naser: Es gefällt keiner Bank, wenn sie jeden Tag mit negativen Schlagzeilen in der Zeitung steht und so zwischen die Fronten gerät. Darum war es wohl richtig, jetzt die Zahlen zu kommunzieren.

SZ: Ist das Geschäftsmodell der Landesbank überhaupt noch tragfähig? Schließlich sind Sie doch dazu gezwungen, riskante Geschäfte zu machen, um die Profitabilität des Instituts zu steigern.

Naser: Hier herrscht ein grundsätzliches Missverständnis. Viele Menschen glauben, dass es die Bank für öffentliche Auftraggeber und den Mittelstand in Bayern ist. In Wahrheit aber ist sie eine international erfolgreiche Geschäftsbank mit 16000 Mitarbeitern, die den größten Teil ihrer Geschäfte außerhalb Bayerns tätigen. Da ist es ganz normal, sich auch auf dem internationalen Wertpapiermarkt zu engagieren. Wir haben hier übrigens immer sehr risikobewusst investiert.

SZ: Auch andere öffentliche Institute haben ähnliche Geschäfte gemacht und stehen mit weit höheren Summen im Feuer. Muss man bei der BayernLB mit noch größeren Problemen rechnen?

Naser: Es ist ein Prozess, der ständigen Veränderungen unterworfen ist. Niemand weiß, wo beginnt er, wo und wann hört er auf. Wir können heute sagen, dass wir seriös investiert haben. Was morgen ist, kann ich Ihnen nicht sagen, weil ich nicht weiß, welche Überraschungen die Verwerfungen an den Finanzmärkten uns noch bringen werden.

Im letzten Abschnitt: Werden die Sparkassen in Deutschland mit ihren Beiträgen zur Bewältigung der Finanzkrise irgendwann überfordert sein?

SZ: Wie viel Geld wollen die Sparkassen noch in die BayernLB pumpen?

Naser: Die bayerischen Sparkassen und der Freistaat haben 1,8 Milliarden Euro Grundkapital in der BayernLB stecken. Dafür bekommen wir jedes Jahr eine ordentliche Dividende. Und der Wert unserer Einlage hat sich in den vergangenen dreieinhalb Jahrzehnten verdreifacht. Die bayerischen Sparkassen werden - wenn es soweit ist - als gute Kaufleute prüfen, ob weitere Kapitalmaßnahmen notwendig sind.

SZ: Sie wollten eigentlich eine Fusion der BayernLB mit der Landesbank Baden-Württemberg ...

Naser: Meine Haltung und die der bayerischen Sparkassen dazu ist bekannt. Wir haben uns aber für eine Stand-alone-Lösung entschieden.

SZ: Stattdessen will der Vorstand der BayernLB 650 Millionen Euro zusätzliches Kapital, um auf sich allein gestellt international wettbewerbsfähig zu bleiben. 325 Millionen Euro entfielen auf die Sparkassen. Wie oft können die sich solche Kapitalerhöhungen noch leisten?

Naser: Die Sparkassen sind in der Lage weitere Kapitalerhöhungen zu zeichnen. Uns liegen aber keinerlei derartigen Forderungen vor. Wenn solche Forderungen kommen sollten, prüfen wir sehr genau, ob das ökonomisch sinnvoll ist.

SZ: Werden die Sparkassen in Deutschland mit ihren Beiträgen zur Bewältigung der Finanzkrise irgendwann überfordert sein?

Naser: Bayerns Sparkassen und die Landesbank haben zwei Mal viel Geld aufbringen müssen, um Pleiten von privaten Banken abzuwenden. 60 Millionen Euro bei der maroden Schmidtbank, und nun mehrere Dutzend Millionen Euro bei der IKB. Weder für die SachsenLB noch für die WestLB haben wir bislang einen Euro zahlen müssen, das haben die Eigentümer bislang selbst gelöst. Wir haften also immer nur für Privatbanken und deren Schieflagen und stehen dann zum Dank dafür auch noch am Pranger.

© SZ vom 15.2.2008/sma - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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