Baufinanzierung:Boom mit Risiken

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Das billige Geld treibt viele in teure Immobilien, und mancher hat sich dabei schon übernommen. Nun gibt es strengere Regeln für die Kreditvergabe.

Von Simone Gröneweg

Die Deutschen bauen. Das billige Geld, die hohen Mieten und die steigenden Immobilienpreise bleiben nicht folgenlos: Die Zahl der Baugenehmigungen für Wohnungen in Einfamilienhäusern erhöhte sich im Januar dieses Jahres um 35,3 Prozent im Vergleich zum Januar 2015. Egal, wie die Wunschimmobilie aussieht - die eigenen vier Wände werden für immer mehr Menschen hierzulande zum erklärten Ziel.

Wenig verwunderlich, denn wer für eine gemietete Vierzimmer-Wohnung monatlich 1200 Euro ohne Nebenkosten zahlt, zum Taschenrechner greift und den Immobilienkauf durchkalkuliert, kommt bei den extrem günstigen Zinsen ins Grübeln. Kredite mit einer Laufzeit von zehn Jahren kosten mitunter nur noch 1,5 Prozent oder sogar weniger. So lag der entsprechende Baugeldindex der FMH-Finanzberatung, einem Spezialisten für Zinsvergleiche, kürzlich bei 1,31 Prozent. Leiht sich jemand zu solchen Konditionen 250 000 Euro, liegt die monatliche Belastung bei einer anfänglichen Tilgung in Höhe von zwei Prozent knapp unter 690 Euro.

Die niedrigen Zinsen sollten jedoch nicht der einzige Grund für die Anschaffung einer Immobilie sein. Schließlich stellt solch ein Wohnungskauf oder Hausbau oftmals die größte Investition im Leben dar. "Immer wieder sitzen verzweifelte Kunden vor mir, die sich mit dem Erwerb einer Immobilie übernommen haben", erzählt etwa ein Münchner Vermögensberater.

Selbst bei Immobilienscout 24 mahnte man vor Kurzem zu mehr Vorsicht und Besonnenheit beim Immobilienkauf. Das Branchenportal hatte zuvor fast 170 000 Kreditanfragen aus den Jahren 2013 bis 2015 analysiert. Das Ergebnis: eine wachsende Bereitschaft, sich für die eigenen vier Wände höher zu verschulden. So stieg die gewünschte Kreditsumme bundesweit im Schnitt um 24 Prozent auf knapp 200 000 Euro.

An der Spitze dieses Trends rangierte die Stadt München. Das anvisierte Kreditvolumen von potenziellen Käufern in der bayerischen Hauptstadt schnellte um 53 Prozent auf 340 000 Euro hoch, dahinter lag Hamburg mit einem Plus von 42 Prozent auf 279 500 Euro. Allerdings handelt es sich bei diesen Daten um Anfragen. Es geht aus den Statistiken also nicht hervor, ob die Nutzer sich am Ende tatsächlich so viel Geld für ihren Wohnungs- oder Hauskauf geliehen haben.

Nach Angaben des Finanzdienstleisters Dr. Klein & Co. AG sind die Immobilienkäufer in den vergangenen Jahren sogar eher vorsichtiger geworden. So sank die Zahl der sogenannten 100-Prozent-Finanzierungen seit dem Jahr 2004 deutlich. Ließen sich damals noch 11,4 Prozent der Käufer ihre Immobilien komplett finanzieren, waren es Anfang 2016 nur noch 2,6 Prozent. Auch die Zahl derjenigen, die nur sehr wenig Eigenkapital - unter zehn Prozent - in die Immobilienfinanzierung einbringen, habe sich deutlich reduziert, heißt es.

Der Wettbewerb ist zu stark, als dass ein Anbieter höhere Zinsen durchsetzen könnte

Künftig müssen die Bankberater ohnehin noch genauer hinschauen, wenn sie einem Kunden einen Immobilienkredit vermitteln. So wurde am 21. März dieses Jahres eine EU-Richtlinie zu Immobilienkrediten in deutsches Recht umgesetzt. Die sieht unter anderem vor, dass die Vermittler ihre Kunden gründlicher beraten. "Die Gesetzesänderung machte sich vor allem durch einen spürbaren Rückgang beim Neugeschäft bemerkbar", meint Stephan Gawarecki, Vorstandssprecher der Dr. Klein & Co. AG. "Die Institute und die Vertriebe müssen ihre Systeme umstellen und ausloten, welche Details sie in der Praxis zu beachten haben", erklärt er. Mittlerweile habe sich die Lage aber wieder entspannt.

Dass es bei den Zinsen noch weiter nach unten geht, bezweifelt Gawarecki. Viel Spielraum nach unten gebe es einfach nicht, meint er. Das zeigte sich schon Mitte März, als die Europäische Zentralbank (EZB) den wichtigsten Leitzins auf null Prozent senkte. Mancher spekulierte darauf, dass das Baugeld noch billiger werden würde. Dazu kam es jedoch nicht. "Die EZB-Leitzinssenkung wurde nicht an die Baufinanzierungskonditionen weitergegeben", sagt Zinsexperte Klaus Fleischer, Professor an der Hochschule München. Das sei ein sicheres Zeichen dafür, dass die Kapitalmärkte die sich abzeichnende Nullzinspolitik bereits vorab eingepreist hätten, meint er. Einzelne Banken setzten die Zinsen kurz nach der EZB-Entscheidung sogar leicht nach oben. "Die Zinsen für Hypothekenkredite orientieren sich an den langfristigen Kapitalmarktzinsen und entwickeln sich eher wie die Rendite von Bundesanleihen", erklärt Gawarecki. Allerdings beeinflussen noch andere Faktoren die Höhe der Zinsen.

"Der Baufinanzierungsmarkt boomt, was eigentlich sogar für Preisanhebungen sprechen würde", sagt Fleischer. So erreicht das Volumen bei den Wohnungsbaukrediten laut Bundesbank Ende 2015 mit 1230 Milliarden Euro einen Rekord. Der Markt ist jedoch stark umkämpft. Die Banken haben Schwierigkeiten, Geld renditestark und sicher anzulegen. Darum sind sie sehr am Baufinanzierungsmarkt und den Margen, die man damit verdienen kann, interessiert. Der Wettbewerb zwischen den Anbietern ist zu groß, als dass einzelne Anbieter höhere Zinsen durchsetzen könnten. Hinzu kommt, dass der Markt sehr transparent ist. Schon bei der Suche im Internet findet man viele Informationen zum Thema Baugeld inklusive Zinsvergleiche. "In diesem Umfeld lassen sich höhere Margen nur schwer durchsetzen", sagt Fleischer.

Für die Kunden ist das ein Vorteil. Sie können sich über die niedrigen Zinsen freuen, müssen aber gleichzeitig besonders aufpassen: "Mangels Anlagealternativen werden die niedrigen Baufinanzierungszinsen die Nachfrage nach dem sogenannten Betongold weiter verstärken", ist sich Gawarecki sicher. In beliebten Vierteln von Metropolregionen seien somit weiter anziehende Kaufpreise zu erwarten.

© SZ vom 29.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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