Auslandsinkasso:Freundliche Erinnerung

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Höheres Risiko: Deutsche Firmen müssen in Italien mehr Geduld aufbringen als anderswo. (Foto: Manuel Silvestri/Reuters)

Viele Unternehmen wollen jetzt wieder im Ausland durchstarten. Doch die Zahlungsmoral ist in jedem Land anders. Wie man mit säumigen Kunden umgeht.

Von Stefan Weber

Auch kleine und mittelgroße Unternehmen werden zunehmend grenzüberschreitend aktiv. Manche müssen dabei Lehrgeld bezahlen, wenn ihre Kunden nur schleppend bezahlen oder mitunter auch gar nicht. Doch so weit muss es nicht kommen. Was bei Mahnungsbescheiden zu beachten ist, erklärt Oliver Höfs, Leiter der Auslands-Inkasso-Abteilung beim Verband der Vereine Creditreform.

SZ: Sind Mittelständler im Umgang mit ausländischen Geschäftspartnern manchmal zu leichtsinnig?

Oliver Höfs: Kleine und mittelgroße Unternehmen sind im Auslandsgeschäft oftmals risikobereiter, aber auch flexibler als große Konzerne. Das ist Stärke und Schwäche zugleich, denn Mittelständler verfügen in der Regel über vergleichsweise wenig Erfahrung im Umgang mit internationalen Geschäftspartnern, und es fehlt häufig an notwendigen Kapazitäten für ein umfangreiches Risikomanagement. Viele werden nach der langen Pandemiezeit wieder durchstarten wollen, vergessen dabei aber wohlmöglich die Risiken, die das Auslandsgeschäft mit sich bringen kann. Unverzichtbar sind deswegen zumindest die Bonitätsprüfung von neuen Geschäftspartnern und die Überwachung bestehender Beziehungen als Vorsorgeschutz.

Wodurch unterscheiden sich die Zahlungsmodalitäten und das Zahlungsverhalten in Deutschland von den Gepflogenheiten in anderen Ländern?

In Deutschland vergehen zwischen Rechnungsstellung und Zahlungseingang im Durchschnitt weniger als 30 Tage. In Westeuropa sind es gut 40 Tage; in Osteuropa mehr als 50 Tage. Am meisten Geduld benötigen Gläubiger von Geschäftspartnern in Italien und Polen. Dort müssen sie durchschnittlich mehr als 70 Tage auf ihr Geld warten.

So viel Geduld wird manches Unternehmen nicht aufbringen wollen.

Das sollte man meinen. Aber es ist immer wieder erstaunlich zu sehen, wie gutgläubig sich viele Unternehmen von ihren Schuldnern vertrösten lassen. Spätestens wenn der bisherige Ansprechpartner plötzlich nicht mehr erreichbar ist oder auf einmal sprachliche Barrieren auftauchen, sollten die Alarmglocken schrillen.

Was ist im Forderungsmanagement mit ausländischen Geschäftspartnern zu beachten? Wie sollte zum Beispiel ein Mahnschreiben verfasst sein, eher energisch oder nachsichtig im Ton?

Vorteilhaft ist immer, in der Landessprache zu formulieren. Wer Mahnschreiben mithilfe von Übersetzungsprogrammen verfasst, wird nicht ernst genommen. Ganz wichtig: eine eindeutige Zahlungsfrist setzen. Die Tonalität kann den im innerdeutschen Geschäftsverkehr üblichen Mahntexten entsprechen. Das heißt, beginnend mit einer ersten vorsichtigen Zahlungserinnerung bis zu einer letzten Mahnung, die finanzielle und rechtliche Konsequenzen der Nichtzahlung aufzeigt.

Und wenn das auch nicht hilft? Viele Unternehmen scheuen davor zurück, ein Inkassounterunternehmen einzuschalten, weil sie fürchten, damit die Geschäftsbeziehung nachhaltig zu zerstören.

Wer zu lange damit wartet, verkleinert die Chance deutlich, sein Geld zu erhalten. Denn auch ein Inkassounternehmen ist umso erfolgreicher, je früher es beauftragt wird. Im Idealfall ist die ihm übergebene Forderung nicht älter als 60 Tage. Der Inkassodienstleister ist Vermittler zwischen Gläubiger und Schuldner. Seine Mitarbeiter sind im Umgang mit säumigen Zahlern geschult und wirken einer Eskalation entgegen. Ein entscheidender Trumpf im internationalen Inkasso ist die Kenntnis von Sprache, Mentalität und Rechtssystem des Landes, in dem der Schuldner zu Hause ist.

Oliver Höfs leitet die Auslands-Inkasso-Abteilung beim Verband der Vereine Creditreform. (Foto: Creditreform)

Im Geschäft mit Geschäftskunden kümmern sich Inkassounternehmen meist um die Begleichung kleiner und mittelgroßer Rechnungsbeträge. Warum ist es so schwer, Forderungen in Millionenhöhe zu realisieren?

Wenn ein solch hoher Betrag nicht beglichen wird, hat das meist zwei mögliche Gründe: Das säumige Unternehmen ist wirtschaftlich so stark angeschlagen, dass es den Betrag tatsächlich nicht zahlen kann. Oder Gläubiger und Schuldner sind uneins darüber, ob die Leistung tatsächlich wie vereinbart erbracht wurde. An dieser Stelle kann ein Inkassodienstleister zwar weiter vermittelnd tätig sein, allerdings bedarf es einer Leistungsklärung, damit Art und Umfang weiterer Betreibungsmaßnahmen festgelegt werden können.

Ist es erfolgversprechend, eine Forderung vor Gericht durchsetzen zu wollen?

Ein Gang zu Gericht ist sehr genau zu überlegen. Wesentliche Punkte dabei sind die Nachweisbarkeit der Forderung, die aktuelle Bonität des Schuldners, die Relation von Kostenrisiko und Forderungsbetrag sowie das Rechtssystem im Schuldnerland. Laufzeiten von drei Jahren und länger sind bei Gerichtsverfahren im Ausland nicht selten.

Viele Exporteure fühlen sich auf der sicheren Seite, wenn sie - wie in Deutschland gewohnt - auch bei Lieferungen ins Ausland einen Eigentumsvorbehalt vereinbaren. Zu Recht?

Beim Eigentumsvorbehalt bleibt der Verkäufer bis zur vollständigen Zahlung des Kaufpreises Eigentümer der Ware - so ist die Regelung im deutschen Recht. Der Eigentumsvorbehalt richtet sich immer zwingend nach der Rechtsprechung des Landes, in dem sich die Ware aktuell befindet. Im Ausland ist meist nur der einfache Eigentumsvorbehalt bekannt und auch mit anderen formellen Anforderungen verbunden. In den USA ist er sogar gänzlich unbekannt. Somit hilft ein Eigentumsvorbehalt als Sicherungsmittel oftmals nicht.

In Deutschland verjähren Forderungen nach drei Jahren. Wie sind die entsprechenden Fristen in anderen Ländern?

Drei Jahre sind eine im internationalen Vergleich eher kurze Frist. In Frankreich beispielsweise sind fünf Jahre üblich, in Italien sogar zehn Jahre. Überall beginnt die Uhr mit dem Rechnungs- oder Fälligkeitsdatum zu ticken. Nur nicht in Deutschland. Hier startet die Frist mit dem Ende des Jahres, in dem die Rechnung erstellt wurde.

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