Argentinien: Präsidentin Kirchner:Jagd auf die Unnahbare

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Das Land Argentinien hat Anleger um Milliarden geprellt. Darum verfolgen die Gerichtsvollzieher nun Argentiniens Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner auf der Buchmesse. Sollen sie das Flugzeug der Präsidentin pfänden?

Simone Boehringer

Argentiniens schrille Präsidentin ist für einige Tage zu Gast in Deutschland - und wird verfolgt von Gerichtsvollziehern. Die Regierung in Buenos Aires schuldet Anlegern noch immer zehn bis 15 Milliarden Dollar - ein Gutteil davon amerikanischen, italienischen und auch vielen deutschen Privatleuten, die bis zur Jahrtausendwende in renditeträchtige Argentinien-Anleihen investiert hatten. Seit der Bankrotterklärung des Andenstaats 2001 kämpfen sie um ihr Geld - aktuell auf der Frankfurter Buchmesse, bei der Argentinien Ehrengast ist.

Argentinien hatte vor neun Jahren die Rückzahlung seiner Schulden ausgesetzt. Längst befindet sich das Land wieder auf Wachstumskurs, doch Präsidentin Kirchner denkt überhaupt nicht daran, die geprellten Anleger zu entschädigen. (Foto: dapd)

"Wir haben zwei Vollstreckungsaufträge erhalten und einen Gerichtsvollzieher deshalb auf die Messe geschickt", bestätigt der Vizepräsident des Frankfurter Amtsgerichts, Bernhard Olp, auf Anfrage, "haben aber bislang nichts Pfändbares gefunden".

Frankfurt ist der Gerichtsstand für die meisten Prozesse, die Anleger aus Italien, Deutschland oder auch Argentinien gegen die Südamerikaner geführt und oft auch gewonnen haben. Sie gehören zu den Investoren, die auch das zweite Umschuldungsangebot Argentiniens vom Sommer nicht angenommen haben, weil ihnen dabei nur ein Bruchteil der ursprünglich investierten Summe zurückerstattet worden wäre. Anwälte sprechen von weniger als der Hälfte, bei Aufgabe aller Gläubigerrechte aus den Papieren.

Dinosaurier? Nix da!

Das sehen viele Investoren nicht ein, da das Land längst wieder auf Wachstumskurs liegt und nachweislich auch über üppige Devisenreserven verfügt - die Cristina Fernández de Kirchner aber offenkundig lieber anderweitig verwendet als zur Begleichung von Altschulden.

Daher versuchen die Anwälte der geschädigten Anleger seit Jahren, Wertgegenständen und Forderungen Argentiniens habhaft zu werden, die das Land im Ausland, zum Beispiel in Deutschland, hält. Dabei geht es um Botschaftskonten, Kunstexponate oder auch mal um international angelegte Gelder der argentinischen Zentralbank. Es ist sogar versucht worden, die altersschwache Präsidentenmaschine Tango 01 zu pfänden - zum Beispiel bei der Fußballweltmeisterschaft 2006, als die Maschine wegen eines Kurzbesuchs der Regierung auf deutschem Boden landete. Der Erfolg dieser Aktionen war jedoch nahe null. Entweder sprachen diplomatische Gründe gegen eine Pfändung oder es fand sich wie zuletzt bei einer Dinausaurier-Ausstellung in Rosenheim im Frühjahr eine Regierungsstelle, die die Exponate in letzter Minute zu unpfändbaren Kulturgütern erklärte.

Ein anderes Problem hat nun auch der Gerichtsvollzieher in Frankfurt: In Frage kommende Exponate und Messeutensilien "gehören schlicht nicht der Republik Argentinien, sondern einer anderen juristischen Person", erklärt Amtsgerichtsvizepräsident Olp. "Früher ist das Land auf eigene Rechnung zu Messen und anderen Gelegenheiten erschienen, heute ist alles geleast oder gehört Drittfirmen, sodass nicht dranzukommen ist", sagt Rechtsanwalt Jakob Heichele aus Augsburg. Er vertritt mehr als 100 geprellte Argentinien-Anleger und auch sich selber.

Dass die argentinische Präsidentin auf der Buchmesse so hofiert wird, "ihr der rote Teppich ausgerollt wird und sie dann noch auf Steuerzahlerkosten mit Kanzlerin Angela Merkel speist, während sie geltendes Völkerrecht mit Füßen tritt", macht ihn wütend.

Er spielt dabei auf das Haager Abkommen zu Zivilprozessen an, wonach Staaten die jeweils in anderen Ländern gefällten Urteile anerkennen müssen. "Argentinische Gerichte ignorieren die deutsche Rechtsprechung, was selbst die Eintreibung von Forderungen im Mutterland unmöglich macht", erklärt Bernd Jochem von der Rechtsanwaltskanzlei Rotter, der ebenfalls 70 Sparer in dem Fall vertritt.

Heichele hat wegen dieser vertrackten Situation sogar schon diverse Briefe an die Regierung geschrieben, zuletzt an Merkel direkt, und sie aufgefordert, das Land, "auch unter Androhung von Sanktionen, zur Einhaltung völkerrechtlicher Grundsätze anzuhalten".

Die Antwort steht noch aus. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hatte Heichele zuvor mitgeteilt, dass Bund und Länder dieselben Probleme hätten wie private Gläubiger, was "die Durchsetzung von Gerichtskostenforderungen" angeht.

"Dies kann dazu führen, dass von einem Kostenansatz wegen Aussichtslosgkeit der Beitreibung abgesehen wird", so die Ministerin in einem Antwortschreiben an die Augsburger Kanzlei. Die Frankfurter Gerichtskasse bezeichnet die ausstehenden Kosten aktuell "als immens", ohne eine konkrete Summe nennen zu können. Schätzungen von Experten gehen von zehn bis 15 Millionen Euro aus. Und die Summe wächst. "Es gibt immer wieder neue Klagen, um alte Ansprüche nicht zu verlieren", erklärt Anwalt Rotter und sucht weiter nach neuen Ideen, an Vermögensgegenstände oder Geld der Argentinischen Republik heranzukommen.

Währenddessen reist Präsidentin Kirchner unbehelligt von Frankfurt weiter nach Berlin und dann nach Hannover. "Eine Pfändung ihres Flugzeuges ist schwierig, weil die Maschine juristisch der Fluglinie gehört, nicht der Regierung", verwirft Jochem gleich wieder den Gedanken an einen neuen Anlauf. "Eine Taschenpfändung wäre noch möglich bei Frau Kirchner, um die Reisespesen zu pfänden", ergänzt Jochem mit sarkastischem Unterton. Für einen solche undiplomatischen Schritt einen Gerichtsvollzieher zu finden, dürfte schwer sein.

© SZ vom 07.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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