Analyse des Wohnungsmarkts:Von Schwarmstädten und lila Lagen

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Forscher empfehlen beim Wohnungskauf zur Altersvorsorge, auf Regionen zu achten, in denen viele junge Leute leben. Denn es gibt jenseits von Zuwanderungsregionen wie München und Umgebung "echte Perlen" - auch im Osten.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Wer schon einmal mit dem Gedanken gespielt hat, eine Immobilie zu kaufen, kennt den Spruch: Auf die "Lage, Lage, Lage" kommt es an. Aber reicht das aus, um sich beim Erwerb einer Wohnung oder eines Hauses richtig zu orientieren? Nein, sagen Experten. Stattdessen müsste die Devise nun lauten "Region, Region, Region". Das geht zumindest aus einer Studie des Marktforschungsunternehmens Empirica hervor, das im Auftrag des von der Deutschen Bank finanzierten Deutschen Instituts für Altersvorsorge (DIA) den Wohnungsmarkt untersucht hat.

Früher war alles ganz einfach: In den Boomjahren stieg die Wohnungsnachfrage bundesweit, entsprechend wichtig war die Lage. Heute erscheint der Markt gespalten: Es gibt Zuwanderungsregionen wie München und Umgebung, in denen die Anzahl der Einwohner steigt und das Wohnungsangebot nicht Schritt hält mit dem Zuwachs der Haushalte. Und es gibt Abwanderungsregionen wie in der Eifel oder in Mecklenburg-Vorpommern, in denen die Bevölkerung und die Anzahl der Haushalte zurückgehen. "Es gibt aber auch versteckte Perlen", heißt es in der Untersuchung mit dem Titel "Wohnimmobilien zur Altersvorsorge - Worauf muss man achten?".

Viele glaubten immer noch, "dass nur die westdeutschen Wohnungsmärkte attraktive Anlagechancen bieten". Dabei sei dies im Osten auch der Fall, schreiben die Forscher. Sie empfehlen Interessenten, die dort einsteigen wollen, wo die Nachfrage steigt, sich künftig das Wort lila zu merken.

Attraktiv für Investoren

Lila steht in diesem Fall nicht für die Farbe. LILA steht für Landschaft, Infrastruktur, Lebensqualität und Arbeit. "Investitionen lohnen, wo es schön ist (Landschaft = Berge, Wälder, Seen), wo man gut hinkommt (Infrastruktur = ICE, Autobahn und Breitbandkabel), wo etwas geboten wird (Lebensqualität = Kunst, Kultur und Lebensart) und wo man Arbeit findet", schreiben die Autoren der Studie, Ulrich Pfeifer und Reiner Braun.

Solche Regionen gebe es nicht nur im Westen oder in Großstädten, sondern auch im Osten, auf dem Land und in kleineren Städten. Als Beispiel nennen sie etwa Regensburg, Ingolstadt, Potsdam, Jena, die Landkreise Erding und Dachau, Bamberg, Münster, Kiel, Braunschweig, Aachen oder Halle an der Saale.

Besonders attraktiv können für Investoren dabei die sogenannten Schwarmstädte sein. Nach Angaben der Wissenschaftler leben 20- bis 35-Jährige heute viel stärker räumlich konzentriert in bestimmten Städten als früher. Der Anteil dieser Altersgruppe lag im Jahr 2000 nur in vier Städten (Münster, Würzburg, Heidelberg und Freiburg) mehr als 30 Prozent über dem Bundesdurchschnitt. Im Jahr 2011 traf dies bereits auf 18 Städte (Karlsruhe, Erlangen, Bayreuth, Regensburg, Darmstadt, Leipzig, Flensburg, Rostock, München, Kiel, Dresden, Freiburg, Münster, Mainz, Trier, Jena, Heidelberg und Würzburg) zu.

Regelrechte Fluchtwanderungen

Anders ausgedrückt: Im Jahr 2000 wohnten erst fünf Prozent der jungen Erwachsenen in Schwarmstädten, 2011 waren es bereits 25 Prozent. Dies deute darauf hin, dass der Anteil eines Jahrgangs, der seine Heimat verlässt, zugenommen hat. "Dieser Trend könnte sich künftig selbst verstärken, wodurch es zu regelrechten Fluchtwanderungen aus den sich entleerenden Städten und Landkreisen kommen könnte - nach dem Motto ,Ich will hier nicht der letzte junge Mensch sein'", merken die Wissenschaftler an.

Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass trotz des Geburtenrückgangs und eines prognostizierten Rückgangs der Bevölkerungszahl um 2,5 Millionen bis 2030 regional die Wohnungsnachfrage weiter zunimmt. Entscheidend sei die Anzahl der Haushalte. Weil die Größe der Haushalte zurückgehe, steige die Anzahl sogar noch an. "Selbst bis zum Jahr 2030", heißt es in der Untersuchung, "werden es nicht weniger sein als heute."

© SZ vom 29.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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