Geldanlage:Rendite, Risiko, Ruin

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Nichts scheint so schwer zu sein, wie die richtige Anlageentscheidung für sein Geld zu treffen. Wie gewagt darf es sein? Die Antwort ist sehr persönlich.

Catherine Hoffmann

Es gab einmal eine Zeit, es ist schon gut zehn Jahre her, da stürzten sich die Deutschen auf Aktien. Jeder wollte an der Börse mitmischen. Der Schauspieler Manfred Krug warb im Fernsehen für die T-Aktie. Und für eine kurze Zeit wähnte sich so mancher reich. Längst ist vielen Deutschen die Lust auf Dividendenpapiere vergangen, weil sie die spektakulären Achterbahnfahrten an der Börse fürchten. Nun verspricht ein Tagesgeldkonto zwar ruhigen Schlaf, aber kaum mehr als ein Prozent Rendite.

Wie tendiert der Dax? Wer in Aktien investiert, dürfte sich diese Frage regelmäßig stellen. (Foto: Foto: dpa)

Wer damit nicht zufrieden ist, muss sich Gedanken machen über Rendite und Risiko, Ertragsmöglichkeiten und Verlustwahrscheinlichkeiten - und die richtige Mischung verschiedener Anlageklassen finden. Die Aufgabe ist schwierig, weil Anlageentscheidungen - anders als der Kauf von Klopapier, Turnschuhen oder einem neuen Handy - mit besonders hoher Unsicherheit behaftet ist. Dies haben viele Anleger bitter in den Jahren nach dem Absturz des Neuen Markets zur Jahrtausendwende erfahren - und nocheinmal 2008, als die Immobilien- und Kreditblase zerplatzte. Reichtum und Ruin liegen nahe beieinander. In der Sprache der Wissenschaftler heißt es: "Risiko ist eine andere Form der Unsicherheit. Es beschreibt die Gefahr, dass die tatsächliche Rendite von der erwarteten abweicht", sagt Andreas Oehler, der an der Universität Bamberg Finanzwirtschaft lehrt. "Wer glaubt, man könne das Risiko in den Griff bekommen, der irrt." Anleger müssten in jeder Situation immer wieder neu ermitteln, wie viel Unsicherheit sie ertragen können und wollen.

Anleger häufig überfordert

Sicher ist im Wettstreit von Gewinn und Verlust nur eines: Risiko und Rendite sind eng miteinander verknüpft. "Am Finanzmarkt hat alles seinen Preis - höhere Renditechancen bedeuten höhere Risiken, und mehr Sicherheit bezahlt man mit einer niedrigeren Verzinsung", erklärt der Mannheimer Wirtschaftswissenschaftler Martin Weber, der sich mit der Frage befasst, wie Menschen sich bei ökonomischen Entscheidungen verhalten. Doch selbst, wer sich darüber im Klaren ist, dass die Wahl der richtigen Wertpapiere eine Entscheidungen bei Unsicherheit ist, den überfordert häufig die große Auswahl an Finanzprodukten; Sparer tun sich schwer, den richtigen Mix aus sicheren und gewagten Investitionen zu finden. Die meisten Deutschen suchen deshalb Hilfe bei einem Anlageberater. Die Risikotests der Institute helfen aber nur selten weiter. Viele der Fragebögen hält Weber für schlecht gemacht: "Es gibt Risikotests, die sind absolut irreführend. Häufig werden dabei wissenschaftliche Erkenntnisse ignoriert." Das verwundert nicht. Schließlich verhält es sich mit Risikotest wie mit Beipackzetteln von Arzneien: Sie dienen vor allem der Risikoabsicherung der Bank, weniger der Information des Anlegers.

Ökonomen wie Weber glauben deshalb, dass sich Risiko besser im Experiment messen lässt, wenn die Menschen spielerisch prüfen können, welche Möglichkeiten der Geldanlage es gibt. Dabei erfahren sie praktisch, was ihre Entscheidung für den Geldbeutel bedeutet. Denn selbst wenn Risiko, wie der Begriff unterstellt, eine objektiv messbare Größe ist und Anleger die Wahrscheinlichkeit kennen, mit der ein bestimmter Ertrag erreicht wird oder nicht, nimmt doch jeder die Gefahren anders wahr. Risiko ist eben nicht nur eine nüchterne Zahl, es ist auch eine subjektiv empfundene Bedrohung. Die Einschätzung des Risikos hängt von unserer Erfahrung am Aktienmarkt, unserer Persönlichkeit, unserem Anlagehorizont und vielem anderen ab. Das macht es so schwer, die Risikobereitschaft von Anlegern zu messen.

Aus Sicht der Wissenschaft bestimmen drei Dinge die Investitionsentscheidungen. Erstens die subjektive Renditeerwartung des Anlegers: Wie viel, glaubt er, ist mit einem bestimmten Aktienfonds in Zukunft zu verdienen, fünf, 15 oder sogar 50 Prozent? Je größer ein Sparer die Renditechancen einer Anlage einschätzt, desto eher müsste er bereit sein, Risiken einzugehen. Zweitens beeinflusst die Risikowahrnehmung der Menschen ihre Entscheidung. Darunter versteht man, wie Anleger das objektive, messbare Risiko einer Anlage - beispielsweise die Schwankungsbreite oder Verlustwahrscheinlichkeit - subjektiv einschätzen. Dem einen scheinen 20 Prozent Verlust unerträglich, der andere meint, sie leicht verschmerzen zu können. Drittens schließlich spielt die Risikoeinstellung eine Rolle, also die Frage ob eine Person grundsätzlich risikoscheu oder risikofreudig ist.

Erschwert wird der persönliche Test des Risikoverhalten dadurch, dass es nicht stabil ist. In einem Lebensbereich gehen Personen sehr hohe Risiken ein, in einem anderen dagegen wagen sie kaum etwas. "Menschen legen nicht immer das gleiche Risikoverhalten an der Tag", sagt Weber. "Der Agent eines Bombenräumkommandos, der bei seiner Arbeit sicherlich hohe Risiken eingeht, ist nicht zwangsläufig bereit, auch beim Pokerspiel 1000 Euro zu setzen." Und Verwaltungsbeamte, die einen sicheren Job haben, müssen ihr Geld deshalb noch lange nicht in langweilige Sparbücher stecken, sie können genauso gut mit Optionsscheinen zocken. Vom Risikoverhalten im Beruf oder in der Freizeit lasse sich nicht darauf schließen, ob jemand riskante Finanzanlagen mag, sagt Weber. "Fragt ihr Anlageberater, ob sie bereit sind, einen Fallschirmsprung zu machen, sollten sie seine Tipps mit Vorsicht genießen."

Der Einfluss der Renditen

Einen großen Einfluss auf die Risikobereitschaft können dagegen die Renditen haben, die Anleger in der Vergangenheit erzielt haben. Die Forscher Richard Thaler und Eric Johnson zeigten in einem Experiment mit Studenten der Cornell Universität, dass Anleger nach langen Phasen mit herausragenden Renditen glauben, die Kursentwicklung könne weiterhin nur steil aufwärts gehen. Im Rausch der gerade erzielten Gewinne sind die Investoren bereit, Erträge direkt wieder in riskante Papiere zu stecken. Nach Verlusten zeigt sich genau der umgekehrte Effekt - siehe das Debakel der T-Aktie. Vergangene Erfolge und Misserfolge prägen also unsere Erwartungen und Vorlieben.

Zugegeben: Das ständige unberechenbare Auf und Ab von Aktien ist eine lästige Sache. Deshalb mag es angenehmer sein, wenn das Geld auf dem Tagesgeldkonto langsam, aber stetig wächst. Diese Gewissheit bietet eine unternehmerische Beteiligung nicht. Der Aktionär muss sich darauf verlassen, dass zukünftige Geschäftserfolge den Kurs schon klettern lassen, wenn auch nicht an jedem einzelnen Tag und in jedem Jahr. Und er muss überzeugt sein, dass er am Ende mehr verdient als mit dem Zinskonto. Weil viel Aktie aber viel Risiko bedeuten, empfiehlt der Wirtschaftsnobelpreisträger Harry Markowitz, das Vermögen auf Aktien und Anleihen zu streuen. "Wer sein Geld auf verschiedene Anlageklassen aufteilt, erhält mehr Sicherheit ohne zusätzliche Kosten", erklärt Weber die Idee. Es ist eine Ausnahme zum eisernen Prinzip, dass mehr Ertrag nur bei größeren Gefahren möglich ist.

Bleibt nur die Frage, wie man sein Vermögen richtig aufteilt zwischen Aktien und Anleihen, damit nicht nur die Rendite stimmt, sondern Anleger auch die Gewissheit haben, dass sie das eingegangene Risiko tragen können. Eine Antwort versprechen neue Risikotests , die das menschliche Entscheidungsverhalten im Experiment simulieren. Mit solchen Laborversuchen sind Psychologen wie Daniel Kahneman und Amos Tversky berühmt geworden. Ihr Vorteil: Sie unterstellen nicht, dass sich Anleger rational verhalten und kommen den Entscheidungen im wirklichen Leben näher als das Modell vom kühl kalkulierenden Investor. Perfekt sind sie allerdings nicht, dafür ist der Mensch zu kompliziert gestrickt.

Oehler findet das aber keineswegs frustrierend, er freut sich einerseits, dass es noch viel zu forschen gibt und empfiehlt andererseits einfache Entscheidungen jenseits von komplizierten Theorien und Experimenten. "Jeder sollte einfach versuchen, sich klar zu machen: Wie viel Geld kann ich im schlimmsten Fall verlieren? Und bleibe ich dann noch bei meiner Entscheidung?" Wer etwa im Extremfall auf 200 von 1000 Euro verzichten kann, legt eben 800 Euro konservativ an - und zockt mit dem Rest. Das, ermutigt der Bamberger Ökonom die geplagten Anleger, kann jeder selbst gut entscheiden.

© SZ vom 18.08.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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