Youtube-Star:Gegen die Regeln

Lesezeit: 2 min

Künstler wie Freddie Wong sind der Grund dafür, warum der Begriff Internet-Berühmtheit kein Schimpfwort mehr ist. Seine Kooperation mit dem Medienunternemen Lionsgate steht für einen Wandel in Hollywood.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Die Leute in Los Angeles sind stets nett zueinander - auch dann, wenn sie schlecht gelaunt sind oder jemanden nicht leiden können. "Kinder, es gibt nur eine Regel, die ich kenne: Gottverdammt, ihr müsst freundlich sein", so fasste der Satiriker Kurt Vonnegut dieses ungeschriebene Gesetz einmal zusammen. Die Kellnerin könnte ja bald eine berühmte Schauspielerin sein, der Typ in der Autowäsche ein gefeierter Autor. Auch zu Freddie Wong waren sie freundlich. Ziemlich freundlich sogar.

Freddie Wong ist erst 28 Jahre alt, er gilt jedoch als eine der schillerndsten Persönlichkeiten in Hollywood und als Symbol dafür, wie in Zukunft Filme und Fernsehserien produziert werden könnten. Mit seiner Internet-Video-Firma Rocket Jump Studios ist er eine Kooperation mit dem Filmstudio Lionsgate eingegangen, verantwortlich für Fernsehserien wie "Mad Men". Wong darf weiterhin machen, was er will, dafür aber die Marketing-Maschinerie von Lionsgate nutzen. Lionsgate hat um Wong geworben - und nicht umgekehrt.

Wong wurde berühmt, weil er sich nicht an alle Regeln gehalten hat. Nach seinem Studium an einer Filmhochschule in Kalifornien gewann er erst einmal eine Art Weltmeisterschaft der Computerspieler in der Disziplin Guitar Hero 2. Danach entwickelte er selbst Computerspiele und arbeitete an einem Horrorfilm über einen wütenden Bären. Als er Werbefilme für die Olympischen Spiele in Vancouver erstellte, hörte er von Menschen, die Videos für Youtube produzierten und damit tatsächlich Geld verdienten. Besser noch: Sie mussten Studiobosse nicht um Geld anbetteln oder Kompromisse beim Drehbuch eingehen. Sie durften machen, was sie wollten - und wenn das den Leuten gefiel, dann verdienten sie Geld.

Ein Jahr später gründete Wong gemeinsam mit Matt Arnold und Dez Dolly die Firma Rocket Jump, er besorgte sich Geld über eine Crowdfunding-Plattform. 2012 brachte er die Serie "Video Game High School" heraus, in der es darum geht, dass Jugendliche keine Sportler oder Musiker werden wollen, sondern Computerspieler. Das war ein voller Erfolg, die Videos wurden mehr als eine Milliarde Mal angeklickt und haben knapp sieben Millionen Abonnenten. Klamotten und Kaffeebecher mit dem Logo der fiktiven High School verkauft Wong über eine eigene Website. Seine Einkünfte werden auf mehr als drei Millionen Euro pro Jahr geschätzt.

Die Kooperation steht für einen Wandel in Hollywood

Wong gilt als Arbeitstier und Perfektionist: "Wenn du deine Zahnbürste mit in die Arbeit bringst, dann weißt du, dass alles gut läuft und dass es nun um die Wurst geht." Zahlreiche Projekte produziert er im Youtube-Space LA, Traumfabrik für Internetfilmer und Treffpunkt der neuen Stars der Unterhaltungsindustrie. Die professionellen Studios kann jeder nutzen, dessen Kanal mindestens 10 000 Abonnenten hat.

Die Kooperation Wongs mit Lionsgate steht für einen Wandel in Hollywood: Bis vor wenigen Jahren war der Begriff Youtube-Berühmtheit ein Schimpfwort, nun werden die Internetfilmer nicht mehr belächelt, sondern respektiert - und sie sind überaus begehrt. Kürzlich gab es einen Wettbewerb um das Youtube-Produktionsnetzwerk Maker Studios, Disney erhielt den Zuschlag. Kaufpreis: 500 Millionen Dollar plus eine mögliche Prämie von bis zu 450 Millionen Dollar für die Gründer, sollten die einzelnen Youtube-Kanäle weiterhin erfolgreich laufen.

Diese Filmemacher haben ein Gespür dafür, wofür sich junge Menschen begeistern und wie lange sie vor dem Bildschirm bleiben. Freddie Wong fügt dem verstaubten Hollywood-Regelwerk ein paar neue Paragrafen hinzu, alle Regeln werden sie freilich nicht ändern. Es gilt also nach wie vor: Gottverdammt, ihr müsst freundlich sein!

© SZ vom 22.04.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: