Urheberrechtsschutz im Internet-Zeitalter:SOPA-Alternative mit Nebenwirkungen

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Die umstrittenen Anti-Piraterie-Gesetze SOPA und PIPA sind vorerst gestoppt - und mit "OPEN" liegt bereits ein Alternativ-Vorschlag auf dem Tisch, mit dem viele Internet-Nutzer leben können. Doch kann ein Gesetz alleine die Geschäftsmodelle der Unterhaltungsindustrie retten?

Johannes Kuhn

Anti-Sopa-Proteste in New York am vergangenen Mittwoch: Kann ein einzelnes Gesetz die Unterhaltungsindustrie retten? (Foto: AFP)

Der Blackout-Mittwoch scheint ein erstes wichtiges Ziel erreicht zu haben: Die SOPA-Abstimmung im Repräsentantenhaus und das PIPA-Votum im Senat sind auf unbestimmte Zeit verschoben worden.

Realistisch betrachtet bedeutet dies aber nicht, dass die Idee hinter SOPA und PIPA in der Versenkung verschwinden wird. Unabhängig von der Lobbyarbeit der Unterhaltungsindustrie für harte Sanktionen (am sichtbarsten in den Rechtsausschüssen) und der aktuellen Suche nach einem Kompromiss gibt es vorerst keine Mehrheit für eine Reform des Urheberrechts.

Selbst die nun als "fünfte Gewalt" betitelten Internet-Firmen wagen es nicht, in eine solche Debatte einzusteigen. Stattdessen beantwortet die Politik die Frage nach ihrer Legitimation im digitalen Zeitalter immer noch häufig mit dem Verweis auf eine verstärkte Kontrolle des digitalen Raums.

Kurz: Der Wunsch besteht weiter, jenseits der Aufhebung von Vollzugsdefiziten das gegenwärtige Urheberrecht durch Gesetze auch im Netz sichtbarer durchzusetzen. Eine Idee hierfür haben nun der republikanische Kongressabgeordnete Darrell Issa aus Kalifornien und der demokratische Senator Ron Wyden aus Oregon vorgelegt.

Der Online Protection & Enforcement of Digital Trade Act (OPEN) soll, so die bekannte Rhetorik, "eine Lösung für das Problem bieten, dass ausländische und bösartige Websites amerikanische Künstler und Innovatoren bestehlen". Das hört sich nicht besonders innovativ an, es gibt aber einige Unterschiede zu SOPA und PIPA:

[] Nicht die US-Staatsanwaltschaft, sondern die unabhängige amerikanische Behörde International Trade Commission (ITC) soll für den Kampf gegen Online-Urheberrechtsverletzungen auf ausländischen Seiten verantwortlich sein. Die ITC ist bereits heute für Patentverletzungen und Fälle zuständig, in denen gefälschte Waren in die USA importiert werden. Die Unterstützer des Gesetzes erhoffen sich mehr Unabhängigkeit und größere Kompetenzen von einer Verantwortlichkeit der ITC. Kritiker argumentieren, ITC-Beschwerden seien zu teuer und die Behörde zu träge für schnelle Entscheidungen.

[] Die ITC muss, sobald eine Beschwerde über Urheberrechtsverletzungen eingegangen ist, die betroffene Website darüber informieren. Im SOPA-Entwurf fehlt eine solche Benachrichtigung.

[] Gibt die ITC einer Beschwerde statt, kann es einzig amerikanische Werbeanbieter und Bezahldienste dazu verpflichten, die Geschäftsverbindungen zum betroffenen Portal zu beenden. Internet-Anbieter oder Suchmaschinen müssen keine Links auf den Index setzen, Netzsperren sind ebenfalls tabu; diese wurden allerdings bereits aus dem jüngsten SOPA-Entwurf gestrichen.

[] Für nicht-amerikanische Internet-Portale und Blogs wahrscheinlich der entscheidende Punkt: Die ITC kann nur gegen solche Seiten aus dem Ausland vorgehen, deren Zweck eindeutig und "fast einzig" die Verbreitung urheberrechtlich geschützten Materials ist. Und: Die Inhaber von Urheberrechten können nicht direkt gerichtlich gegen die Seiten vorgehen, die illegale Inhalte hosten.

Was den Entwurf für SOPA-Gegner sympathisch macht, ist nicht nur sein Inhalt, sondern auch seine Entstehung: Die Unterstützer haben OPEN vor einigen Monaten auf der Seite keepthewebopen.com veröffentlicht und für Anmerkungen aus der Community geöffnet, die den Verantwortlichen zufolge auch in den nun offiziell eingebrachten Entwurf ( hier als pdf) eingeflossen sind. Das ist selbst für die USA eine ungewöhnliche Form der öffentlichen Debatte über Gesetze - und steht in starkem Kontrast zum intransparenten Vorgehen über SOPA und PIPA.

Mit OPEN, das auch von Google unterstützt wird, würde in jedem Falle der Digital Millennium Act (DCMA, pdf hier) aus dem Jahr 1998 gestärkt - und damit vor allem das Prinzip "Notice and take-down". Nach dieser Regelung müssen Webseiten-Betreiber und Provider Inhalte erst offline nehmen, wenn ein Rechteinhaber dies berechtigterweise wünscht.

Nur: Wird ein Gesetz dieser Art den veränderten Nutzungsbedingungen digitaler Inhalte gerecht? Was, wenn wie zu erwarten auch OPEN den Einnahmeverlust der Unterhaltungsindustrie nicht wirksam stoppen kann? Immerhin kann ein solches Gesetz alleine weder alte Geschäftsmodelle ins digitale Zeitalter retten, noch den Austausch von Dateien über das Netz verhindern. Stünden wir nach OPEN also bald wieder vor dem nächsten Vorschlag, der in die Richtung von SOPA und PIPA geht?

Es gibt keine einfachen Lösungen - und keine SOPA-Alternativen ohne Nebenwirkungen.

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