Protest gegen SOPA und PIPA:Wikipedia offline - Google zensiert sein Logo

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Protest im Netz: Wikipedia hat seine englischsprachige Website für 24 Stunden vom Netz genommen - und auch andere Seiten setzten ein Zeichen, Google zensiert sein Logo. Der Protest richtet sich gegen die US-Gesetze SOPA und PIPA, die für viele den Urheberrechtsschutz zu weit treiben: "Es geht um die freie Meinungsäußerung", sagt Wikipedia-Mitbegründer Jimmy Wales.

Reymer Klüver

Das populäre Online-Lexikon Wikipedia hat seine englischsprachige Website für einen Tag vom Netz genommen. Aus Protest gegen ein in den USA geplantes Gesetz gegen Urheberrechtsverletzungen ist die Website an diesem Mittwoch nicht zugänglich. Bei Wikipedia wird statt der üblichen englischsprachigen Inhalte eine dunkle Seite mit einer Erklärung angezeigt.

"Stellen Sie sich eine Welt ohne freies Wissen vor", heißt es dort. Für mehr als eine Jahrzehnt sei Wikipedia zur größten Enzyklopädie in der Geschichte der Menschheit geworden, nun erwäge der US-Kongress ein Gesetz, dass das freie und offenen Internet "ernsthaft beschädigen" könne.

Die Aktion wirft ein Schlaglicht auf einen brisanten Konflikt in Washington, der wohl nur wegen des inzwischen turbulenteren Präsidentschaftswahlkampfs der Republikaner nicht mehr Aufmerksamkeit gefunden hat. Internetfirmen liegen darüber seit Monaten mit anderen Medienkonzernen im Streit und versuchen mit Hilfe einer Heerschar von Lobbyisten, den Kongress zu beeinflussen.

Im Senat und Repräsentantenhaus haben sich überraschende Koalitionen von Demokraten und Republikanern gebildet, die das Anti-Piraterie-Gesetz unterstützen. Das Weiße Haus machte indes am Wochenende deutlich, dass Präsident Barack Obama Kernteile des Gesetzes, das zur Abschaltung von Internet-Adressen führen könnte, ablehnt. Jedoch ging der Präsident nicht so weit, ein Veto anzukündigen. Der Senat soll am 24. Januar erstmals über das Gesetz abstimmen.

Im Einzelnen richtet sich der Protest gegen zwei Gesetzentwürfe, den Stop Online Piracy Act (kurz SOPA genannt) im Repräsentantenhaus und den sehr ähnlichen Protect IP Act (PIPA) im Senat. Beide Gesetzesvorschläge sollen es amerikanischen Urheberrechtsinhabern künftig ermöglichen, die unrechtmäßige Verbreitung ihrer Inhalte im Internet zu unterbinden.

Deshalb wird die Initiative von Medienunternehmen wie Time Warner, Sony oder CBS oder der Motion Picture Association of America, der Lobbyorganisation der Filmindustrie, unterstützt. Aber auch die US-Handelskammer und der Gewerkschaftsdachverband AFL-CIO, die eher selten auf derselben Seite zu finden sind, unterstützen das Gesetz. Sie hoffen, so künftig etwa verhindern zu können, dass illegal kopierte Filme im Internet heruntergeladen werden.

Die Gesetzentwürfe sehen unter anderem vor, dass Seiten aus Suchmaschinen genommen und ganze IP-Adressen aus dem Internet gestrichen werden können. Suchmaschinen wie Google oder Yahoo wäre es künftig verboten, Links zu Seiten wie The Pirate Bay anzubieten, von denen durch Copyright geschützte Materialen frei heruntergeladen werden können.

Google zensiert sein Logo

Sämtliche Internet-Firmen wie Google, Yahoo, Facebook, Twitter oder YouTube laufen indes Sturm gegen die Initiative. Google zensierte in den USA sein Logo und rief im Konzernblog dazu auf, eine Petition an den Kongress zu unterschreiben: "Zensiere nicht das Netz", steht über dem Text. Die Seite von Wordpress ist schwarz. SOPA und PIPA würden Innovationen im Internet verhindern, der Zensur Vorschub leisten und die Geschäftsmodelle ungezählter Unternehmen im Internet gefährden.

Jimmy Wales, der Mitbegründer von Wikipedia, erklärte, dass die US-Regierung dem Online-Lexikon künftig vorschreiben könne, welche Links es anbieten dürfe und welche nicht: "Es geht um die freie Meinungsäußerung", warnt er.

Das Weiße Haus hat sich mittlerweile auf die Seite der Internetindustrie geschlagen. Online-Piraterie sei zwar ein "wirkliches Problem, das der amerikanischen Wirtschaft Schaden zufügt, Jobs in erheblichem Umfang gefährdet und einige der kreativsten und innovativsten Firmen und Unternehmer des Landes schädigt", heißt es in einer Erklärung auf der Website des Präsidenten.

Dennoch werde man nicht Gesetze unterstützen, "welche die Meinungsfreiheit einschränken, die Risiken für die Sicherheit im Internet erhöhen oder das dynamische, innovative globale Internet gefährden". Damit machte sich die Erklärung die wichtigsten Argumente der Internet-Industrie zu eigen.

Überraschende Allianzen

Im Kongress schien dagegen bislang die Film- und Medienindustrie breite Unterstützung gefunden zu haben. Im Senat gibt es eine große Koalition von Demokraten und Republikanern, angeführt vom liberalen Demokraten Patrick Leahy, die sich für das Anti-Piraterie-Gesetz starkmacht. Bisher hat nur ein einzelner Senator, der Demokrat Ron Wyden, sich dagegen ausgesprochen.

Nicht zuletzt wegen der breiten Zustimmung hatte wohl der Chef der Demokraten im Senat, Harry Reid, die Abstimmung Ende Januar angesetzt. Das könnte sich allerdings nach der Erklärung des Weißen Hauses noch einmal ändern.

Auch im Repräsentantenhaus unterstützen Abgeordnete beider Parteien die Gesetzesinitiative, unter anderem die Vorsitzende der Demokratischen Partei, Debbie Wasserman Schultz. Doch hat sich, ebenfalls parteiübergreifend, auch Widerstand formiert - was zu überraschenden Bündnissen führt. So lehnt die linke Chefin der Demokraten im Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, SOPA genauso ab wie Darell Issa, einer der einflussreichsten - und konservativsten - Abgeordneten der Republikaner.

© SZ vom 18.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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