Tim Cook:Bühne frei für Mr. Apple

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Macht sein eigenes Ding: Apple-Chef Tim Cook (Foto: Stephen Lam/Reuters)

Die Apple Watch ist kein Experiment, sie ist ein Zeitzeichen. Der Wandel Apples zu einem Lifestyle-Konzern wird zur offiziellen Mission. Die Verantwortung dafür liegt bei einem Mann: Tim Cook.

Von Johannes Kuhn, Cupertino

Wer die Mythen des Manager-Kapitalismus liebt, den wird dieser Moment zu Tränen rühren. "Eine Sache noch", hat Apple-Chef Tim Cook gerade gesagt. One more thing. Es sind die berühmt gewordenen Worte seines Vorgängers Steve Jobs. Doch bevor Cook fortfahren kann mit seiner Präsentation, bevor er die neuen digitalen Armbanduhren vorstellen kann, erfasst den Saal eine Bugwelle des Beifalls. Cook wirkt kurz überrascht, doch dann winkt er lächelnd ins Publikum. Im Flint Center von Cupertino, wo Jobs vor 30 Jahren den ersten Mac vorstellte, wird sein Nachfolger in diesem Moment endgültig zum Herrscher über das Apple-Imperium.

Das ist natürlich eine Übertreibung. Lassen wir diesen Quatsch. In einem perfekt inszenierten Schauspiel wie es Apple mehrmals im Jahr darbietet, muss man sich von dem Gedanken verabschieden, es könnte da noch einen letzten Rest Authenzität geben. Fast alles ist durchgeplant. Die Wahrheit über die Ära Tim Cook versteckt sich dennoch im ersten Absatz dieses Textes, und sie hat zehn Buchstaben: Armbanduhr.

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Die Apple Watch ist kein Experiment, sie ist ein Zeitzeichen. Der Wandel Apples zu einem Lifestyle-Konzern wird nun zur offiziellen Mission. Der Kauf des Kopfhörer-Herstellers Beats war nur eine erste Andeutung.

Armbanduhren sind Accessoires

Klar gibt es jetzt wieder Unkenrufe: "Die Apple-Uhr ist hässlich und langweilig und Steve Jobs würde das auch so sehen", schreibt etwa das Technik-Blog Venture Beat. Darüber lässt sich streiten. Doch die wirklich wichtige Frage ist keine des Designs, sondern die nach dem Zweck: Ist Apple-Hardware etwas, das der Konzern als notwendig und schön verkaufen kann, also eine Art funkelndes Werkzeug - oder ist es nur ein Accessoire? Die Antwort ist eigentlich klar: Armbanduhren und Kopfhörer sind Accessoires. Das wird sich auch nicht ändern, nur weil alle plötzlich betonen, wie smart diese Geräte sind.

Die Einführung der Apple Watch lässt sich vergleichen mit der Einführung des iPod im Jahr 2001. Doch damals bot die Songauswahl bei iTunes ein quasi unschlagbares Kaufargument. Heute gibt es für die Armbanduhr keinen ähnlichen Anreiz. Der Konzern ist sich des Risikos bewusst, ein "Me-Too"-Produkt anzubieten, das möglicherweise eine viel kleinere Zielgruppe als erwartet anspricht. Die Reaktion darauf ist eine Apple Watch in allen Farben und Formen, eine Kaufhaus-Taktik der großen Auslage. Bislang kannte man das von Apple nicht. Hinter dem Wandel steht Tim Cook.

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Von Johannes Kuhn

Der Schwenk birgt durchaus Gefahren. Doch bei einem Marktwert von 586 Milliarden Dollar und wahrscheinlich auch einem weiterhin hochprofitablen iPhone-Absatz sind Bedenken solange unangebracht, bis dem Unternehmen mal ein echter Flop nachgewiesen werden kann.

Apple Pay könnte einen Massenmarkt erschließen

Vielleicht verbirgt sich der wahre Coup ja auch in einem ganz anderen Produkt, das wieder einmal im Einvernehmen mit einer Branche entwickelt wurde, die sich vor den Folgen der Digitalisierung fürchten muss: Der Bezahldienst Apple Pay ist nicht nur der Versuch, mit dem Geldbeutel ein weiteres Accessoire zu virtualisieren, er erschließt auch einen möglichen Massenmarkt, ohne die bisherigen Akteure aus dem Bankenwesen in die Defensive zu drängen. Mit dieser Strategie zog Steve Jobs bereits einst die Musiklabel für iTunes auf seine Seite.

"Tim Cook, Zen-Meister der Hardware und Software", nannte U2-Sänger Bono den Apple-Chef am Ende der Präsentation. Man kann das natürlich für hanebüchenen Bono-Blödsinn halten. Eine adäquate Beschreibung der pragmatischen Strategie des Apples-Chefs ist es aber schon. Anders als die irischen Rocker könnte der die besten Tage seiner Karriere noch vor sich haben.

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