Reaktion auf Überwachungs-Skandal:Bundesregierung will Spionageabwehr ausbauen

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Nach der NSA-Affäre ist das Vertrauen erschüttert - nun setzt die Regierung in Berlin auf Kontrolle. Einem Medienbericht zufolge gibt es konkrete Pläne, die Spionageabwehr auszubauen. Sie soll nun auch die USA und Großbritannien treffen.

Die Enthüllungen von Whistleblower Edward Snowden haben offen gelegt, dass die Geheimdienste der USA und von Großbritannien auch die Bundesregierung überwacht haben. Nun erwägt die Bundesregierung, die Tätigkeit westlicher Geheimdienste auf deutschem Boden durch eigene Agenten beobachten zu lassen. Nach Informationen des Nachrichtenmagazins Spiegel gibt es im Bundesamt für Verfassungsschutz bereits Pläne, die Abteilung Spionageabwehr massiv auszubauen.

Künftig sollen etwa die Botschaften von Partnerländern wie den USA und Großbritannien einer sogenannten "Sockelbeobachtung" unterzogen werden, berichtet der Spiegel weiter. Dabei gehe es auch darum, genaue Kenntnisse über diplomatisch akkreditierte Nachrichtendienst-Mitarbeiter in Deutschland und über die technische Ausstattung von Botschaftsgebäuden zu erlangen.

Damit reagiert die Regierung auf den Verdacht, dass von der US-Botschaft in Berlin aus das Mobiltelefon von Bundeskanzlerin Angela Merkel abgehört wurde. Dies hatten Recherchen der Süddeutschen Zeitung ergeben.

Im Dezember hatte bereits der Hamburger Verfassungsschutz vor dem US-Geheimdienst NSA gewarnt, allerdings ohne sich festzulegen, ob die USA im Jahresbericht der Behörde auftauchen werden.

Große Koalition befürwortet Kehrtwende bei der Sicherheitspolitik

Auch der Militärische Abschirmdienst (MAD) der Bundeswehr soll Spiegel-Informationen zufolge derzeit prüfen, ob er bei der Spionageabwehr stärker in Richtung befreundeter Nachrichtendienste blicken sollte. Der Schritt wäre eine Abkehr von der jahrzehntelang geübten Praxis, zwar systematisch die Tätigkeit von Ländern wie China, Russland oder Nordkorea zu überwachen, kaum aber die Aktivität westlicher Partnerländer. Eine endgültige politische Entscheidung solle fallen, sobald sich das Bundeskanzleramt, das Innenministerium und das Auswärtige Amt abgestimmt haben.

Innenpolitiker aller drei Regierungsfraktionen befürworten offenbar die Kehrtwende in der Geheimdienstpolitik. "Wir müssen die Ungleichbehandlung beenden und alle auf gleiche Höhe bringen", sagte Clemens Binninger (CDU), der neue Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums. SPD-Innenexperte Michael Hartmann verlangte gegenüber dem Spiegel: "Wir müssen uns schützen, egal von wem die Gefahr droht." Auch der innenpolitische Sprecher der CSU, Stephan Mayer, sagte: "Man darf befreundete Staaten nicht außer Acht lassen."

Spionageangriff aus China

Chinesische Geheimdienste sollen dem Spiegel zufolge einen Spionageangriff auf die Bundesregierung unternommen haben. Im Vorfeld des G-20-Gipfels in Sankt Petersburg im vergangenen September sollen E-Mails an hochrangige Mitarbeiter mehrerer Bundesministerien und Banken verschickt worden sein, die eine Schadstoffsoftware enthielten. Eine Regierungssprecherin bestätigte dem Nachrichtenmagazin Versuche "die Informationssicherheit im Bundeskanzleramt auf dem beschriebenen Weg zu kompromittieren". Diese Angriffe seien abgewehrt worden.

Die in der E-Mail enthaltene Schadsoftware sollte dem Spiegel zufolge Informationen nach China liefern. Laut internen Erkenntnissen des deutschen Verfassungsschutzes könne der Angriff "nachrichtendienstlichen Urhebern zugeordnet" werden: chinesischen Geheimdiensten.

Westliche Nachrichtendienste beobachten seit längerer Zeit wachsende Aktivitäten der Spione aus China. Im Vorfeld des G-20-Gipfels 2013 waren bereits Außenministerien in fünf EU-Staaten zum Ziel einer mutmaßlich aus China gesteuerten Spionageattacke geworden.

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