Neue App "Somebody":Lass andere reden

Lesezeit: 1 min

Die Künstlerin Miranda July präsentiert eine App für Schüchterne und Unbeholfene: "Somebody" holt in schwierigen Situationen Fremde zur Hilfe.

Von Kia Vahland

Was macht die Kunst, wenn in sozialen Netzen alles öffentlich ist, jede Gefühlsregung, jede Momentaufnahme einer durchfeierten Nacht? Sie mischt rege mit - und führt die Verhältnisse ad absurdum. Anlässlich der Filmfestspiele in Venedig veröffentlicht die Künstlerin, Autorin und Filmemacherin Miranda July eine App für Telefone und Tablets. Sie heißt "Somebody", weil sie in kommunikativ schwierigen Situationen "jemanden" zu Hilfe holt - und zwar irgendjemanden, der auch diese App hat.

Will man einem Freund, einem Kollegen, seiner Mutter oder dem Partner etwas sagen, bringt es aber nicht über die Lippen, ist nun "Somebody" da - eine beliebige Person, die zufällig in der Nähe ist. Man schickt ihr über die App eine Kurznachricht mit dem scheinbar Unsagbaren, sie geht stellvertretend zu dem Adressaten und trägt die Mitteilung in der erwünschten Gefühlslage vor.

Wie das aussehen könnte, demonstriert July in einem kleinen Video: Eine Jugendliche möchte sich nicht fest binden und weiß nicht, wie sie das ihrem noch bartlosen Freund sagen soll. Als "Somebody" findet sich ein hochgewachsener, älterer Schwarzer, der vor dem Freund des Mädchens niederkniet und unter Tränen gesteht: "Ich liebe dich unendlich. Aber ich brauche mehr Raum für mich und kann nicht mehr mit dir zusammen sein." Oder zwei Schülerinnen streiten auf der Straße lauthals, ohne zu wissen, worüber eigentlich. Eine tippt ein paar Worte ins Handy, prompt eilt eine alte Dame herbei und stiftet Frieden: "Ich mag dich doch!"

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Nützlich mag die App sein

Der App vorausgegangen war Julys Projekt einer Massen-E-Mail: Ziemlich persönliche Briefe von meist prominenten Freunden der Künstlerin gingen mit deren Einverständnis an jeden, der sich in den Verteiler aufnehmen ließ. Man lernte so einiges über den Umgang mit schwierigen Verwandten oder die Nöte bei Großvorhaben in Hollywood.

Neugier ist menschlich, wir sind alle kleine Spione, meint die Künstlerin - und das allseitige Vernetztsein verbessert noch lange nicht das Gesprächsniveau. Der verlassene Jugendliche jedenfalls kann sein Unglück nicht fassen, als ein Schauspieler vor seinen Augen seine Liebe zerreißt.

Nützlich aber mag die App sein. In Julys Video gießt ein Polizist brav eine verdurstende Pflanze, weil seine Kollegin als "Somebody" befiehlt: "Gib mir zu trinken!" und dann in einen Glücksrausch verfällt. Zumindest für das sprachlose Grünzeug im Büro wäre jetzt gesorgt.

© SZ vom 02.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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