Internet-Jubiläum:"Ja, wir haben das L"

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Vor 40 Jahren entstand die erste Internet-Verbindung. Doch bei diesem ersten Mal verlief lief nicht alles nach Plan.

Helmut Martin-Jung

Es war ein spannender Moment für Leonard "Len" Kleinrock und Charley Kline. Der Informatikprofessor an der University of California in Los Angeles und sein Student Kline wollten erstmals zwei Computer über eine normale Telefonleitung miteinander verbinden.

Leonard Kleinrock vor IMP1, dem ersten Knotenpunkt des Arpanets (Foto: Foto: Public Domain)

Hierfür bauten sie eine Elektronik an ihren Rechner. Von dieser aus ging es via Telefon ins 500 Kilometer entfernte Stanford zu einem baugleichen Gerät, an dem wiederum ein Computer hing. Die Informatiker am anderen Ende standen mit Kline und Kleinrock parallel dazu im Telefonkontakt, die Augen auf den Bildschirm ihres Computers gerichtet.

Nun sollte sich Kline von Los Angeles aus mit dem Wort "Login" auf dem Rechner in Stanford anmelden. Er tippte ein "L". "Habt ihr das L?", fragte er per Telefon. "Ja, wir haben das L", war die Antwort. Es war der erste Buchstabe, der je über ein Datennetz verschickt wurde. Es war die Geburt des heutigen Internets.

Erst am späten Abend klappte es

Kline schickte noch erfolgreich ein "O" und ein "G" hinterher. Dann stürzte der Rechner ab. Erst am späten Abend, so zeigt es das heute noch erhaltene handschriftliche Versuchsprotokoll, um 22.30 Uhr am 29.Oktober 1969, klappten das Login und eine anschließende Datenübertragung. Es war eine Pioniertat, das war den Beteiligten klar. Dass es die Welt verändern würde, das ahnte noch keiner.

Computer waren damals teure Schränke, die mit Kränen in Labors gehievt wurden. Wäre es da nicht besser, Wissenschaftler könnten Ergebnisse direkt von Maschine zu Maschine austauschen oder sich die knappen Rechenkapazitäten untereinander aufteilen? So dachte Bob Taylor von der Advanced Research Projects Agency (Arpa) und fand in J.C.R. Licklider, einem Psychologen und Computerexperten vom Massachusetts Institute of Technology, einen Mitstreiter. Zusammen schrieben sie 1968 ein wegweisendes Essay mit dem Titel "Der Computer als Kommunikationsgerät".

Seit Mitte der fünfziger Jahre hatte Licklider von einem solchen Projekt geträumt. Andere, wie der Informatiker Paul Baran, hatten Ideen entwickelt, wie sich Informationen in Computernetzen effektiv und sicher übertragen lassen.

Der Kalte Krieg machte das Netz möglich

Dass die Ideen schließlich in die Tat umgesetzt werden konnten, war dem Kalten Krieg zu verdanken. Nach den ersten Weltraum-Erfolgen der Sowjetunion floss reichlich Geld in Forschungslabore, und plötzlich zeigte die US-Regierung, vertreten durch die eigens dafür gegründete, dem Pentagon angegliederte Arpa, auch Interesse an dem Vorhaben, Rechner zu vernetzen.

Das entscheidend Neue war, dass Daten in Päckchen übertragen wurden, die sich ihren Weg selbständig suchen. Das macht den Datenaustausch robust: Ist eine Leitung zerstört, fließen die Datenpakete auf anderen Wegen. Das fand wenig später auch das Militär interessant.

Die Wissenschaftsgemeinde war anfangs skeptisch, wollte von den neuen Möglichkeiten der Vernetzung nichts wissen; hauptsächlich aus Angst, jeder könne sich von ihrem eigenen Rechner herunterladen, was er wolle. Dennoch wuchs das Netz langsam heran.

Aus den vier Knotenpunkten von 1969 - Los Angeles, Stanford, Santa Barbara und Salt Lake City - waren 1971 immerhin 15 geworden. Ein Jahr später entwickelte Ray Tomlinson das erste E-Mail-Programm und führte das @-Zeichen ein. Und es hatte den Anschein, als habe die Menschheit nur auf diese Kommunikationsmöglichkeit gewartet: Schon zwei Jahre später machten E-Mails zwei Drittel des gesamten Datenverkehrs im "Arpanet" aus.

Experten unter sich

Noch lange aber blieb das Netz ein Werkzeug von Forschern und Militärs. Sogar als 1990 der militärische Teil des Arpanets abgeschaltet und das Netz für die kommerzielle Nutzung freigegeben wurde, waren die Experten noch unter sich. Zwar waren viele technische Standards, die noch heute gelten, bereits erfunden.

Das System beispielsweise, das die in Ziffern codierten Internetadressen in leichter zu merkende Buchstabenkombinationen übersetzt, oder das technische Regelwerk TCP/IP, nach dem Daten bis heute durch das Internet sausen.

Eines aber fehlte noch: das World Wide Web, das "Internet zum Anklicken". 1991 wurde eine dafür entwickelte Software beim Forschungszentrum Cern in Genf erstmals eingesetzt, zwei Jahre später auch außerhalb. Plötzlich war alles im Netz mit allem verbunden.

Der Rest ist die Geschichte jenes schwindelerregenden Wandels, den das Internet in die Welt gebracht hat. Die ganze Welt? Wer nicht einmal Strom hat, der hat auch keinen Computer und kein Netz. Obwohl es alle Menschen verbinden könnte, geraten auch im Internet die Ärmsten ins Abseits.

© SZ vom 29.10.2009/joku - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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