Internet-Abzocke:Ärger um den Abmahn-Wahn

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700 Euro kostet eine Abmahnung im Durchschnitt. Und besteht meist nur aus ein paar zusammenkopierten Textbausteinen. Einige Anwälte verdienen sich damit eine goldene Nase. Jetzt streitet die Koalition über die Vorschläge aus dem Bundesjustizministerium gegen Internet-Abzocke und die Frage, was schwerer wiegt: der Urheberschutz oder die Interessen der Internetnutzer.

Daniela Kuhr

Als hätte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) nicht schon genug Ärger: Neben dem Konflikt um die Vorratsdatenspeicherung streitet die schwarz-gelbe Koalition nun auch über das Gesetz zum Schutz von Internet-Nutzern vor missbräuchlichen Abmahnungen. Unionsfraktions-Vize Günter Krings (CDU) hatte gefordert, der vom Bundesjustizministeriums vorgelegte Gesetzentwurf müsse "grundlegend überarbeitet werden". Er ignoriere völlig, "dass das geistige Eigentum im Internet mit den Füßen getreten wird". Es geht also um die Frage, die derzeit von vielen heiß diskutiert wird: Was wiegt schwerer - der Schutz der Urheber oder die Interessen der Internetnutzer?

Der Gesetzentwurf zielt in erster Linie darauf ab, das Geschäftsmodell des massenhaften Abmahnens für Anwälte weniger lukrativ zu machen. (Foto: ag.dpa)

Mit dem Entwurf, der sich momentan noch in der Abstimmung mit den anderen Ministerien befindet, will Leutheusser-Schnarrenberger gegen das mittlerweile verbreitete, massenhafte Abmahnen vorgehen, mit dem einige Anwaltskanzleien ohne jeden Aufwand sehr viel Geld verdienen: So mahnen sie beispielsweise in großem Stil private Internetnutzer ab, die zum Teil tatsächlich, zum Teil aber auch nur angeblich durch das Tauschen von Musikdateien oder Filmen Urheberrechte verletzt haben.

Für eine Abmahnung würden durchschnittlich 700 Euro verlangt, heißt es in der Begründung zu dem Gesetzentwurf. Den Großteil davon kassieren die Anwälte für ihre Arbeit. Dabei lässt sich ein illegaler Download fast schon per Knopfdruck ermitteln, und auch die Abmahnung besteht meist nur aus vorgefertigten Textbausteinen.

Hinzu kommt: Experten gehen davon aus, dass häufig Unschuldige abgemahnt werden. Sie halten den Prozess, mit dem der Internetanschluss des "Täters" ermittelt wird, für extrem fehleranfällig. Allerdings ist eben das vor Gericht nur schwer zu beweisen, sodass die Betroffenen lieber zahlen, als das Risiko einzugehen, dass am Ende noch höhere Kosten auf sie zukommen.

Maximal 84 Euro für ein Abmahnungsschreiben

Der Gesetzentwurf zielt nun in erster Linie darauf ab, das Geschäftsmodell des massenhaften Abmahnens für Anwälte weniger lukrativ zu machen. Wird ein Ersttäter außergerichtlich abgemahnt, sollen Anwälte dafür nur noch maximal 84 Euro verlangen dürfen. Leutheusser-Schnarrenberger hofft, auf diese Weise die finanziellen Anreize zu senken. Doch Unions-Fraktions-Vize Krings widerspricht:

Zwar sei es wichtig, den Verbraucher vor unberechtigten Abmahnungen zu schützen. Eine Deckelung der Anwaltsgebühren fördere jedoch "gerade die billigen und automatisierten Massenabmahnungen und verhindert gleichzeitig die berechtigten Abmahnungen", sagte Krings. Die Justizministerin würde gerade das Gegenteil dessen erreichen, was sie wolle. Insgesamt sei der Gesetzentwurf "zu einseitig" und drohe, "den mündigen Bürger zum bevormundeten Verbraucher zu degradieren".

Allerdings sieht es derzeit nicht danach aus, dass Krings für die Mehrheit in der Union spricht. So hat das CSU-geführte Bundesinnenministerium dem Vernehmen nach keine gravierenden Bedenken gegen die geplanten Maßnahmen zum Schutz vor Abmahnungen geäußert. Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) unterstützt den Vorschlag ausdrücklich: "Der effektive Schutz des Urheberrechts muss natürlich auch im Internet gewährleistet sein, doch für mich steht hier der Kampf gegen Abzocke im Vordergrund", sagte sie.

Selbst aus der Opposition erhält Leutheusser-Schnarrenberger Unterstützung. Ihr Vorstoß gehe "in die richtige Richtung", sagte der netzpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Lars Klingbeil. Die "Abmahnindustrie" habe inzwischen "missbräuchliche Ausmaße angenommen, die nicht mehr verhältnismäßig sind".

© SZ vom 21.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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