Hunderttausende bloggen und twittern:Die digitale Revolution erobert Afrika

Jahrhundertelang schrieben vor allem Fremde über Afrika. Jetzt ist der Kontinent am Netz und Hunderttausende nutzen die neu gewonnenen Freiheiten. Sie mailen, bloggen, twittern. Das lässt Diktatoren und Autokraten unruhig schlafen.

Arne Perras

Was früher über den Ozean kam, machte den Afrikanern oftmals Angst. Sklavenhändler, Kolonialeroberer, Ausbeuter - sie alle erreichten den Kontinent über das Meer. Auch die Invasoren des 21. Jahrhunderts kommen nun vom Wasser her, dicke schwarze Schlangen kriechen aus der See und erobern jetzt rasch afrikanisches Land. Aber niemand fürchtet sich vor ihnen. Alle Menschen sind froh, dass sie endlich aufgetaucht sind.

Internetnutzer in Afrika

Klicken Sie auf das Bild, um eine Interaktive Infografik zur Internetnutzung in Afrika zu sehen.

Fast alle. Nur die Autokraten und Diktatoren des Kontinents werden unruhiger schlafen als zuvor, weil sie spüren, dass ihre Macht unter dem Druck der neuen Zeiten bröckeln könnte.

Afrika ist jetzt am Netz. Nicht mehr über teure Satelliten wie früher, sondern über leistungsstarke Überseekabel, die in Ost und West an den Kontinent angedockt haben. Die neuen Netze schaffen neue Chancen für Afrikas Entwicklung. Aber das ist noch nicht alles. Erstmals in seiner Geschichte bekommt Afrika nun eine Stimme, die weit über seine Grenzen hinaus hörbar sein wird. Eine Stimme wie die von Rosebell Kagumire zum Beispiel, einer jungen Bloggerin aus Uganda. Aber dazu gleich mehr.

Denn was heißt überhaupt: Stimme? Es sind Hunderttausende Stimmen, die jetzt aus Afrika mailen, bloggen und twittern - und in New York, Berlin oder Tokio abrufbar sind. Vieles davon mag belangloser Smalltalk sein, wie er überall die Netze flutet. Andere Beiträge aus Afrika aber sind von größtem Wert, weil sie Zusammenhänge erhellen, von denen die Welt jenseits des Kontinents bislang kaum Notiz genommen hat.

Teilhabe an globalen Debatten möglich

In früheren Jahrhunderten schrieben fast immer Fremde auf, was sie in Afrika sahen. Missionare, Forschungsreisende, Kolonialbeamte. Es war nicht immer, aber sehr oft das Auge des Überheblichen, das diesen Kontinent betrachtet und bewertet hat. Jetzt öffnet das Internet den Weg für alle möglichen Anschauungen. Und das ist ein gewaltiger Befreiungsschlag. Nie zuvor haben die Menschen südlich der Sahara die Möglichkeit gehabt, so viel von sich nach außen zu tragen. Afrika stellt sich selber aus, statt ausgestellt zu werden. Und in seiner rasant wachsenden digitalen Galerie zeigt sich deutlicher als je zuvor, was seine Bewohner bewegt. Und wie sie dagegen ankämpfen, vom Rest der Welt ständig missverstanden zu werden.

Was früher mühsam, zeitraubend und manchmal sehr gefährlich war, ist jetzt ein Kinderspiel: Afrikas Mittelschicht, Intellektuelle und Geschäftsleute, Parlamentarier und Akademiker - sie alle verständigen sich mit Leichtigkeit über die Grenzen ihrer Staaten hinweg. Und sie können stärker in globale Debatten über Afrika eingreifen.

Rosebell Kagumire, die Bloggerin aus Kampala, hat das gerade wieder erlebt. Sie erinnert sich noch gut an den Tag, als ein ganz besonderer Zorn in ihr hochstieg. Das Video der Kampagne "Kony 2012" eroberte gerade die Welt. Aber Kagumire konnte davon kaum mehr als einige Minuten am Stück ansehen, so sehr ärgerte sie sich über den Clip. Also setzte sie sich hin und nahm ein Video auf, in dem sie alles zusammengetragen hat, was sie an dem Film aufgeregt hat. Und stellte ihn ins Netz.

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