"Horizon: Zero Dawn" im Test:Steinzeit in der Roboter-Postapokalypse

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Die Landschaften in "Horizon: Zero Dawn" sind beeindruckend. Zum Glück kann man sie als Spieler mit dem eingebauten Foto-Modus für die Ewigkeit festhalten. (Foto: Guerrilla Games / Sony / PR)
  • Das Action-Rollenspiel "Horizon: Zero Dawn" erscheint am 1. März exklusiv für die Playstation 4.
  • Es dürfte eines der Top-Spiele 2017 sein.
  • Besonders gut gelungen sind die riesige Spielewelt, die Kampfmechanik und die Handlung.

Von Caspar von Au

Ein kleines Dreieck aus Metall verändert das Leben von Aloy. Sie findet es als Sechsjährige in einer Höhle und klemmt es sich intuitiv hinter das Ohr, wie ein Bluetooth-Headset. Das Objekt, genannt Fokus, springt sofort an. Aloy hat nun eine Wunderwaffe. Der Fokus zeigt ihr Informationen zu allem in ihrer Umgebung: Er sieht Menschen und Tiere durch Wände hindurch, kann Maschinen analysieren und fungiert als Spurenleser.

Schon jetzt, Anfang März, kommt mit dem Action-Rollenspiel "Horizon: Zero Dawn" ein starker Anwärter auf den Titel des besten Spiel des Jahres auf den Markt. Und das, obwohl mit "The Legends of Zelda: Breath of the Wild" (Erscheinungstermin: 3. März) und dem lang ersehnten Nachfolger des Westernspiels "Red Dead Redemption" (noch kein Termin bekannt) 2017 mindestens zwei weitere Spiele aus demselben Genre erscheinen, an die Gamer ähnlich hohe Erwartungen richten. Horizon, das exklusiv für die Playstation 4 erscheint, besticht nicht nur durch brillante Grafik, sondern auch durch eine starke Handlung, abwechslungsreiche Kämpfe und ein ausgeklügeltes Open-World-System.

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Von "Witcher 3" bis "Assassin's Creed": Das Action-Rollenspiel "Horizon Zero Dawn" vereint die besten Ideen des ganzen Genres. Aber ergibt das insgesamt auch ein gutes Spiel?

Von Matthias Huber

"Horizon: Zero Dawn" spielt in einer postapokalyptischen Welt, 1000 Jahre in der Zukunft. Die Menschen haben den Kampf gegen die Maschinen vor langer Zeit verloren. Tierähnliche Roboter bevölkern die Welt, während die Menschen wieder als Jäger und Sammler leben. Sie haben sich in Stämmen zusammengerottet, die zu unterschiedlichen Göttern beten. Von ihrer früheren Zivilisation, die sie "Metallwelt" nennen, sind nur Ruinen übrig. Der Spieler steuert Aloy, die junge Jägerin. Von ihrem Stamm, den Nora, wurde sie als Baby ausgestoßen und wuchs bei dem Einsiedler Rost auf. Niemand weiß, wer ihre Mutter ist.

Vom Kopf der Roboter-Giraffe aus die Umgebung erkunden

Im Gegensatz zu Rost akzeptiert Aloy ihre Situation nicht. Als Ausgestoßene darf sie nicht mit anderen Nora reden und diese nicht mit ihr. Sie kann nicht verstehen, warum Rost und auch die Stammesmitglieder die gottgegebenen Regeln für unerschütterlich halten. Aloy stellt sich deshalb einer Prüfung, um als Kriegerin wieder in die Gesellschaft aufgenommen zu werden.

Sobald sie diese sogenannte Erprobung bestanden hat, öffnet sich für den Spieler die gesamte Welt von Horizon, die in ihrer Machart an andere Open-World-Spiele erinnert. "Assassins Creed", "Far Cry", "Watch Dogs". Die Entwickler haben bei der Erschaffung dieser Welt vor allem bei Games aus dem Hause Ubisoft kräftig abgeschaut. Allerdings sei den Entwicklern von Guerilla zugestanden, dass sie die verschiedenen Elemente so geschickt zusammensetzen, dass dem Spieler ein neues, einzigartiges Spielgefühl vermittelt wird.

Aloy kann auf die giraffenähnlichen Langhälse klettern, um die Umgebung zu erkunden und Details zu erfahren. (Foto: Guerrilla Games / Sony / PR)

Zum Beispiel gibt es in Horizon ähnlich wie in "Assassins Creed" Aussichtsplattformen, auf die Aloy klettern kann, um Details über noch unentdeckte Gebiete herauszufinden. Die Plattform ist allerdings kein plumper Felsen, sondern eine der tierähnlichen Maschinen. Sie erinnert an eine Giraffe und spaziert durch die Landschaft. Der Spieler muss zunächst einen Weg finden, um auf den Rücken des Roboters zu springen, und anschließend den Hals hochklettern. Auf der Plattform, dem "Kopf" der Giraffe, kann sich Aloy in die Maschine hacken, um an die Informationen über die Umgebung zu kommen. Details wie dieses verleihen "Horizon: Zero Dawn" viel Charme. Jede noch so kleine Aufgabe wird zum Abenteuer.

Anders als in "Assassins Creed" oder "Watch Dogs" werden dem Spieler aber deutlich weniger Informationen zu der Umgebung angezeigt. Auf Nebenmissionen und Aufträge stößt man nur zufällig. Aloy trifft auf ihren Reisen auch mal am Wegesrand Menschen, die sie um einen Gefallen bitten. Der Spieler hat das Gefühl, eine Welt selbst Stück für Stück zu entdecken und weniger, dass das Spiel selbst sie für ihn "entdeckt".

Das hat auch damit zu tun, dass die Welt von Zero Dawn riesig ist. Vom einen Ende bis zum anderen zu reiten, dauert mehr als eine Viertelstunde. Das Dümmste, was Aloy passieren kann, ist deshalb, ihre Reitmaschine zu verlieren. Mit etwas Pech ist die nächste Herde mit Maschinen, die als reitbarer Untersatz taugen, mehrere Gehminuten entfernt. Wer zu faul ist, die weiten Wege selbst zurückzulegen, kann zum Glück mit einem Mausklick zu jedem bereits entdeckten Lagerfeuer reisen. Das kostet jedes Mal ein Schnellreisepaket, das sich Aloy aus ein bisschen Holz und Fleisch selber herstellen kann.

Dass sich jede Aufgabe wie ein kleines Abenteuer anfühlt, hängt auch mit dem Kampfsystem zusammen. Aloy kämpft im Nahkampf mit einem Speer, für Angriffe aus der Ferne nutzt sie Pfeil und Bogen oder eine Schleuder. Per Seilwerfer fixiert sie feindliche Maschinen am Boden. Mit ähnlichen Tricks wie in "The Witcher", einer beliebten Rollenspielreihe um den Hexer Geralt, kann Aloy außerdem ihre Gegner kurzzeitig außer Gefecht setzen und verletzen. Die dafür nötigen Stolper- und Sprengfallen baut sie kurzerhand selbst aus gefundenen Rohstoffen, zum Beispiel Holz, Draht und Zündern.

Vor jedem Kampf sollte der Spieler die gegnerischen Maschinen analysieren und sich eine passende Strategie zurechtlegen. (Foto: Screenshot: Matthias Huber / Sony)

Aloys wichtigste Waffe ist aber der Fokus. Das Dreieck an ihrem Ohr verrät, wo sich die Schwachpunkte der Maschinen befinden, und mit welchen Waffen sie sich am besten ausnutzen lassen. Anschließend heißt es: Fallen platzieren, passende Munition auswählen (einige Maschinen nehmen zum Beispiel durch brennende Pfeile mehr Schaden), Schwachstelle anvisieren, Fallen auslösen und Pfeile abfeuern, mit einer Rolle der gegnerischen Attacke ausweichen und neue Munition und Fallen herstellen. Oft müssen alle diese Dinge gleichzeitig oder innerhalb von Sekunden geschehen.

Das ist anspruchsvoll, aber durchaus zu schaffen. Auch weil sich Aloys Kampfskills im Laufe des Spiels verbessern lassen, was das Kämpfen erleichtert: Sie kann dann zum Beispiel zwei oder drei Pfeile gleichzeitig auf die Sehne auflegen, die Zeit läuft langsamer, während sie zielt, oder sie lässt sich lautlos von oben auf Gegner herabfallen. Allein dieses Sammelsurium an Waffen führt dazu, dass sich die immer wieder auftretenden Kämpfe mit den gleichen Maschinen als Gegner trotzdem nicht wie eine Wiederholung anfühlen.

Seit wann schützt eine Rüstung, die den Bauch frei lässt?

Bemerkenswert im Vergleich zu anderen Blockbuster-Spielen ist die Darstellung der weiblichen Figuren in "Horizon: Zero Dawn". Als Stammesführerinnen, Generalinnen, Forscherinnen sitzen sie an den Schnittstellen der Macht in der Horizon-Welt. Die Nora glauben an die Urmutter, der Stamm lebt in einem Matriarchat.

Die Protagonistin ist eine emanzipierte Frau, so weit das in der Welt von Horizon möglich ist. Aloy glaubt in einer Welt voller Aberglaube nicht blind an das, was ihr von der Gesellschaft vorgelebt wird. Sie stellt den Banditenjäger Nil in Frage, der behauptet, es sei nur gerecht, alle Banditen auf der Welt zu töten. Und sie lässt es sich nicht gefallen, wenn der Hauptmann der königlichen Garde sie angräbt. Das ist angenehm erfrischend im Gegensatz zu den meisten anderen Videospielen, in denen Frauen nur untergeordnete Rollen spielen, wie in "Assassins Creed" oder "Grand Theft Auto". Oder im Vergleich zu den älteren "Tomb Raider"-Spielen, in denen die Archäologin Lara Croft mehr als Sexobjekt mit Knarren dargestellt wurde.

Zwischendurch gibt es trockenen Humor: "Das ist eine Tür und keine Göttin", stellt Aloy fest, als sie mit einer abergläubischen Nora-Priesterin vor einer verschlossenen Tür steht, hinter der angeblich die Urmutter wohnt.

"Horizon: Zero Dawn" hat aber auch ein paar Schwächen, als wäre den Entwicklern bei einigen Details die Puste ausgegangen. Stichwort Frauenbild: In welchen Fällen hilft eine Rüstung, die den Bauch frei lässt? Stellenweise scheinen die Dialoge aus der Konserve zu stammen. Das ist jedoch Meckern auf hohem Niveau, das den sehr guten Eindruck nicht schmälern soll, den das Spiel hinterlässt.

"Horizon: Zero Dawn" ist am 1. März 2017 für Playstation 4 erschienen.

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