DLD-Konferenz:Thesen, knallig bis rollenadäquat

Lesezeit: 2 min

Beim DLD wollen Piratenchef Sebastian Nerz und der 4chan-Gründer Chris Poole über Anonymität im Netz und den Schutz von Nutzerdaten diskutieren. Doch leider gibt es nur Floskeln oder knallige Thesen zu hören.

Mirjam Hauck

EU-Justizkommissarin Viviane Reding spricht auf dem DLD. (Foto: Getty Images)

Wer aus dem Silicon Valley kommt oder eben irgendwas mit "Internet" macht, legt gerade einen Zwischenstopp in München ein. Sozusagen als Prequel zum Weltwirtschaftsforum in Davos veranstaltet das Medianhaus Burda dort seine jährliche die Internetkonfernez DLD.

Neben den üblichen Verdächtigen wie Medienguru Jeff Jarvis, der wie jedes Jahr pünktlich Ende Januar aus der Post-Privacy-Mottenkiste steigt und die Bühne der Konferenz entert, gilt dieses Jahr Facebooks Nummer Zwei Sheryl Sandberg als Stargast. Akzente hätte womöglich auch EU-Justizkommissarin Viviane Reding setzen können, wäre sie nicht an die Rhetorik der Brüsseler Bürokratie gebunden. Immerhin: Ihre Werbung für die geplanten neuen EU-Datenschutzregeln, die sie in Brüssel erst am 25. Januar vorstellen wird, gab ihren Worten den Hauch von Exklusivität.

Im anschließenden Panel sollte das Thema Datenschutz mit der DLD-Community diskutiert werden, doch die Zuhörer waren verleitet, im Presseheft nochmal nachzuschlagen, ob auch wirklich eine Debatte angedacht war. Ob es am "wie immer sympathisch aufgekratzten Münchner Auditorium" lag, wie kress.de schreibt? Oder doch an der kruden bis konfusen Auswahl der Panel-Teilnehmer?

Der gute IE

Diskutiert wurde jedenfalls nicht viel: Zunächst erklärte Dean Hachamovitch, wie großartig der Internet Explorer 9 sei, dass er alle Vorgaben der "W3C Tracking protection privacy group" erfülle und beispielsweise über eine Privacy-Liste verfüge. Die Pointe: Hachamovitsch ist Chef des Internet-Explorer-Teams bei Microsoft.

Es folgte der notorisch schlecht gelaunte Andrew Keen, Autor des Blogger-Pamphlets "Stunde der Stümper" und selbsternannte Antichrist des Web 2.0. Keen polemisierte gegen Sheryl Sandberg und deren Ausführungen im Economist:

Die hatte dort erklärt: "Expressing our authentic identity will become even more pervasive in the coming year. Profiles will no longer be outlines, but detailed self-portraits of who we really are, including the books we read, the music we listen to, the distances we run, the places we travel, the causes we support, the videos of cats we laugh at, our likes and our links. And, yes, this shift to authenticity will take getting used to and will elicit cries about lost privacy." Er wisse nicht, wer er wirklich und wann er authentisch sei und überhaupt hasse er Katzenvideos, so Keen, sich sichtlich in der Bad-Boy-Rolle gefallend.

Knallige Thesen von Andrew Keen

Es folgten ein paar knallige Thesen: Social Media sei eine demokratisch verbrämte Spielart des Totalitarismus und bei Facebook seien doch lauter kleine Big Brothers zugegen, erklärte der Internetkultur-Kritiker. Keen bringt in einigen Monaten sein neues Buch "Digital Vertigo" auf den Markt. Man ahnt, was darin zu lesen sein wird.

Zu einer kleinen Diskussionrunde kam es schließlich doch noch - vielleicht, weil die Teilnehmer derzeit keine Browser und Bücher verkaufen müssen. Sebastian Nerz, Bundesvorsitzender der Piratenpartei, Stefan Groß-Selbeck, CEO von Xing und Chris Poole, Gründer von 4chan sprachen über Privatsphäre.

Die Erkenntnis aus dieser Runde: Nerz könnte Helmut Kohls Enkel sein, so sehr hat das ehemalige CDU-Mitglied dessen Gestus und Habitus verinnerlicht. Inhaltlich gab es allerdings fast nichts außer rollenadäquaten Floskeln wie "Anonymität ist eine Grundvorraussetzung der Meinungsfreiheit" (Nerz) oder "Nutzerdaten sind das Öl des 21. Jahrhunderts (Groß-Selbeck).

Bei allem Respekt vor der Fähigkeit der Veranstalter, Teile der Internet-Branche für einige Tage nach München zu holen, bleibt nach dem ersten Tag ein Verdacht: Der DLD ist einfach der falsche Rahmen für die wichtigen Internet-Diskussionen.

© Süddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: