Digitalisierung:Der VHS-Rekorder stirbt

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Sie stehen noch immer in vielen Wohnzimmern, doch gebaut werden Videorekorder nun nicht mehr. (Foto: Ian Waldie/Getty Images)

Der letzte Hersteller stellt die Produktion der Geräte ein - die Bauteile werden knapp. Wiederauferstehen wie Vinyl werden VHS-Kassetten nicht. Dafür sind sie einfach zu schlecht.

Von Helmut Martin-Jung, München

Totgesagte leben nicht länger, weil, sondern obwohl man sie totgesagt hat. Zum Beispiel das Video Home System. Wie, kennen Sie nicht? Na VHS, die Kassetten, die Rekorder - ja genau, der klobige Kasten, den viele noch unterm Fernseher stehen haben, und die riesigen Bandkassetten. Die mittlerweile aber nur noch selten zum Einsatz kommen. Die Qualität ist so gruselig, dass eines wohl nicht passieren wird: dass Analog-Fans sie wegen der Super-Bildqualität ausgraben und dem digitalen Teufelszeug als überlegen entgegenhalten wie bei Schallplatten.

Nein, die Videoaufzeichnung auf Magnetband ist eigentlich schon lange tot, der letzte Hollywood-Film - "A History of Violence" - wurde vor zehn Jahren auf VHS veröffentlicht, Leerkassetten werden nicht mehr hergestellt. Überlebt hat VHS, weil viele eben noch alte Kassetten zu Hause haben, oft Selbstgefilmtes oder Kaufkassetten, die sie nicht noch einmal kaufen, aber ab und zu gerne mal ansehen wollen.

VHS, Überlebender des Formatkriegs

Das könnte auf Sicht denn aber doch ein bisschen schwierig werden. Denn im japanischen Hersteller Funai hat nun der letzte noch verbliebene VHS-Mohikaner angekündigt, demnächst die Produktion von Videorekordern einzustellen. Der Grund: Es gibt kaum noch Bedarf und - vor allem - keine Bauteile mehr für die Geräte.

Und kaputtgegangen, wir erinnern uns, sind sie ja schon gerne mal, die Dinger. Plötzlich zerfloss das Bild in Streifen oder begann wie wild über den Bildschirm zu laufen. Und nicht immer konnte ein beherzter Schlag auf das Gerät die Misere beheben. Manchmal wickelte sich auch das Band um die Innereien, sodass der Mechanismus, der normalerweise die Kassette motorbetrieben aus dem Rekorder fuhr, versagte. Die Kassette war hinüber, den Rekorder konnte man mit Glück und Fingerfertigkeit wieder zur Arbeit überreden.

Ein Videosystem für den Hausgebrauch war ein lange gehegter Wunsch gewesen. Viele Lösungen wurden probiert, darunter etwa die Bildplatte, sie alle verschwanden aber bald wieder. In den 1970er-Jahren war dann zwar klar, dass es für den Heimbereich auf ein System mit Magnetbändern hinauslaufen würde - aber keineswegs, auf welches. Die Auseinandersetzung um die Technik für den Massenmarkt ging als Formatkrieg in die Geschichte ein. Und der Sieger wurde nicht etwa das System mit der besten Bildqualität, sondern eines, auf dem man auch ein Baseballspiel in voller Länge aufzeichnen konnte. Und das System, für das sich die Filmindustrie entschied: VHS.

Heutige Aufzeichnungsgeräte arbeiten digital, Flachbildfernseher und Digitalrekorder sind eigentlich nichts anderes als spezialisierte Computer. Der Bildqualität hat die digitale Übertragung sehr gutgetan. Werden die Signale nicht zu sehr zusammengequetscht (so wie das beim derzeitigen Antennenfernsehen DVB-T der Fall ist) erscheint das TV-Bild klar und knackig scharf. Die alten Kassetten und die Abspielgeräte dagegen liefern nur eine Auflösung von 576 Zeilen und etwa 320 Linien. Auf einem modernen Ultra-HD-Fernseher könnte man dieses Bild locker 20-mal anzeigen. Früher war eben doch nicht alles besser.

© SZ vom 22.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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