Das neue iPhone im Test:Business-Handy für Blackberry-Junkies

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Ausgerechnet mit dem Englisch hapert es noch, ansonsten gibt es am iPhone 3GS von Apple dank neuem Betriebssystem aber wenig zu kritisieren.

Christopher Schrader

Wer am späteren Abend seine Freunde zum Lachen bringen möchte, braucht dazu ein iPhone mit einer gutgefüllten Musikbibliothek. Die Runde kann sich dann köstlich darüber amüsieren, wie schlecht das Handy, ein Produkt der kalifornischen Firma Apple, Englisch spricht. Auf die Frage: "Welcher Song ist das", meldet sich seine Computerstimme und sagt: "Sie hören Triller von Michael Jacksohn."

Ein ausgereiftes Gerät mit noch immer unerreicht einfacher Bedienung: Das neue iPhone. (Foto: Foto: Reuters)

Den Vornamen spricht es deutsch aus - wie bei dem früheren Wirtschaftsminister Glos. Der Nachname ist der Sohn der Jacke und beim Titel des berühmten Songs fehlt das zischende "th". Gute Kandidaten für Lacher sind auch Aretha Franklin, JJ Cale, Grover Washington Jr., Blood, Sweat & Tears, Gladys Knight sowie Latino-Musiker wie Jennifer Lopez. Mit dem senegalesischen Sänger Youssou N'Dour kann man das iPhone mit seinem deutschen Akzent regelrecht quälen. Und als Rätsel: Was und wer verbirgt sich wohl hinter "dänzetielwierehei von se fiehremann?"

Solcherlei Spott mögen erklärte Fans des Handys als Notwehr gelten lassen. An dem neuen iPhone 3GS, das Apple vor gut zwei Wochen auf den Markt gebracht hat, gibt es sonst wenig zu kritisieren. Es ist ein ausgereiftes Gerät mit noch immer unerreicht einfacher Bedienung, das Kraft seines neuen Betriebssystems (Version 3.0) und vieler tausend Zusatzprogramme alle Anforderungen bewältigt, die man an ein mobiles Gerät stellen kann.

Sogar Business-Kunden können zufrieden sein

Selbst als Business-Handy für Blackberry-Junkies taugt es inzwischen. Apple hat inzwischen fast alle Wünsche von Nutzern entweder selbst erfüllt oder den Weg für das Heer der Programmierer frei gemacht, die Software für das iPhone schreiben.

Der klassische Test für Business-Kunden ist natürlich, ob das Handy ihre Geschäfts-E-Mail samt Anhängen empfangen und verarbeiten kann, ganz so als säßen sie im Büro. Das geht inzwischen auf jeden Fall bei Textdokumenten, für den letzten Schliff jedoch kommt es auf den Mailserver der Firma, das Handynetz sowie die installierte Software an. Das klingt wie eine Ausflucht, doch bei den bisher genutzten Geräten für Geschäftskunden mussten diese Bedingungen ja auch erfüllt sein.

Im besten Fall also hat der Arbeitgeber einen Microsoft Exchange Server, dann synchronisiert sich die E-Mail auf dem iPhone automatisch mit dem Account im Büro. Eine Zusatzsoftware wie Documents to Go kann dann auch die Anhänge öffnen und bearbeiten, bevor sie zurückgeschickt werden. Das geht im Prinzip auch mit Tabellen oder Präsentationen.

Im schlechtesten Fall muss der Nutzer den Text aus dem Anhang einer empfangenen E-Mail herauskopieren und in eine Notiz einsetzen. Hier lässt sich der Text bearbeiten, korrigieren und umstellen, bevor er zu den Mitarbeitern im Büro zurückgeht; Formatierungen gehen dabei allerdings verloren.

Diese Möglichkeit ist neu, denn Apple hat endlich Copy & Paste eingeführt. Die Bedienung der Funktion ist so einfach wie präzise, nach einem etwas längeren Druck auf die zu kopierende Stelle erscheinen darüber wie Sprechblasen virtuelle Tasten, mit denen man Passagen auswählt. Das Feature funktioniert quer über verschiedene Programme. So lassen sich auch Telefonnummern aus Webseiten ins Adressbuch kopieren oder Links per E-Mail verschicken.

Leider versagt die Funktion bei empfangenen PDFs, aus denen es keine Passagen entnehmen kann. Außerdem waren zunächst gerade die Fremdprogramme außen vor, die sich für das Bearbeiten von Dokumenten anbieten. Ihr interner Zwischenspeicher war von dem des Systems getrennt. Documents to Go und Quickoffice haben aber inzwischen Updates geliefert und können nun Textpassagen zum Beispiel aus empfangenen E-Mails oder vorbereiteten Notizen einsetzen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite mehr über Tastatur und Kompass.

Das Einzige, was man sich als Kunde noch wünschen kann, ist Anhänge aus der E-Mail in solche Fremdprogramme übertragen zu können. Das könnte entweder Apple ermöglichen, sodass man beim langen Tippen auf das Attachement vom Betriebssystem gefragt wird, ob man es in einer anderen Software öffnen möchte. Oder deren Programmierer finden einen Weg, sich den Anhang aus dem Postfach zu holen. Das ist bei Quickoffice zumindest angekündigt.

Passend zur neuen Kopier- & Einsetzfunktion ist auch die Tastatur deutlich besser geworden. Das Handy denkt mit und antizipiert bestimmte Tastendrücke; außerdem macht es bei Tippfehlern meist gute Vorschläge. Wer "fur" tippt, dem bietet es "für" an, den Hinweis nimmt man an, indem man einfach die Leertaste drückt.

Allerdings würde man sich bei mehr Wörtern wünschen, dass das iPhone den fehlenden Umlaut statt des einfachen Vokals einsetzt. Und weil wir gerade bei den Wünschen sind: aus "Siftware" dürfte gern von selbst "Software" werden. Dieser Text ist zum großen Teil auf dem iPhone entstanden, manche Sätze auf holprigen Busstrecken ohne eine allzu starke Zunahme der Fehler.

Neue Funktion "Tethering"

Für den Umgang mit Dokumenten aus der E-Mail gibt es aber auch noch eine weitere neue Möglichkeit. Das iPhone kann sich ganz zurücknehmen und sich als Modem für einen Laptop verdingen. "Tethering" nennt der Hersteller diese Funktion, abgeleitet vom englischen Wort für einen Haltegurt. Sie funktioniert per Kabel, dann wird das Handy gleich noch geladen, oder einfacher per Bluetooth. Findet das iPhone ein UMTS-Netz, dann leidet nicht einmal seine Telefonfunktion darunter, allerdings wird das Herunterladen und Weiterleiten von Webseiten zum Laptop während des Gesprächs reichlich zäh.

Das Tethering ist jedoch nicht allein eine Frage der Hardware oder des neuen Betriebssystems, das es ermöglicht; der Netzbetreiber redet mit. Das ist zwar technisch gesehen Unsinn: Zu welchem Zweck das iPhone über seine Flatrate Daten aus dem Netz saugt, um sie selbst darzustellen oder an den Laptop weiterzureichen, könnte dem Netzbetreiber doch egal sein.

Dennoch lässt T-Mobile, der das iPhone und Tarife dazu in Deutschland exklusiv anbietet, die Nutzung nicht zu. Wann der Service kommt und was er dann extra kostet, kann der Sprecher nicht sagen; vielleicht im Vorfeld der Internationalen Funkausstellung, heißt es dann. Derweil kursieren im Internet bereits Tipps, wie sich die Beschränkung umgehen lässt.

Stillhilfe und Strategiespiele

Im weitesten Sinne zu den Business-Anwendungen gehören auch die GPS-Funktionen. Im neuen iPhone 3GS hat Apple sie durch einen Kompass ergänzt. Das Programm selbst zeigt einen altmodischen Messingkompass auf poliertem Holz. Aber das ist eigentlich nur ein Gimmick, was sich auch daran zeigt, dass man das Aussehen des Programms nicht seinem Geschmack anpassen kann.

Interessant wird die neue Fähigkeit, weil das Apple-Handy jetzt weiß und zeigen kann, in welche Richtung es gehalten wird. Für Orientierungsschwache dreht es Karten in die Blickrichtung, damit ihnen das Abbiegen nach links oder rechts sicher gelingt. Der eigentliche Clou aber ist, dass das iPhone dadurch jetzt zum Navi werden kann. Apple hatte das bisher nicht erlaubt, jetzt unterstützt es der Hersteller sogar. Der eingebaute Kompass hilft dabei.

Wer mit dem iPhone nicht arbeitet, der nutzt es vielleicht zum Spielen. Die Hersteller von Games haben das Apple-Handy begeistert aufgenommen; viele Programme nutzen die Bewegungssensoren des Geräts. Es verwandelt sich dann in das Steuerrad eines Sportwagens, mit dem der Besitzer durch Paris oder Dubai rast. Es gibt Minigolf, Strategiespiele und die Sims für das iPhone.

Lesen Sie auf der nächsten Seite mehr über die 50.000 Programme im App Store.

Neu ist dabei die Möglichkeit, mit anderen zusammen zu spielen. Die Apple-Handys koppeln sich dazu per Bluetooth oder sogar über das Internet und zeigen die verschiedenen Blickwinkel auf das Spielbrett oder die animierte Szenerie. Überhaupt ist die Phantasie Tausender Programmierer zurzeit Apples größtes Kapital im Konkurrenzkampf mit seinen Verfolgern. Deren Hardware holt erkennbar auf, aber niemand hat auch nur annähernd so viel Software im Angebot.

Es gibt Programme, die stillende, berufstätige Mütter beim Abpumpen ihrer Milch im Büro unterstützen, die in der Not Hilfe beim Binden des Krawattenknotens leisten oder das iPhone einen Anruf vortäuschen lassen, um sich aus einem langweiligen Meeting entschuldigen zu können. Andere Apps zeigen den Stand der Sterne oder der Bundesliga-Tabelle, holen Songtexte zum Mitgrölen im Rockkonzert und produzieren zum Schutz der Ohren danach weißes Rauschen. 50.000 Programme, sagt Apple, gebe es inzwischen im App Store.

Selbstbeschränkung für eine längere Durchhaltefähigkeit

Die Vielfalt und die Nützlichkeit haben aber ihren Preis: Das iPhone braucht Energie, und die Batterie ist relativ schnell erschöpft. Der Hersteller hat dem neuen Modell einen besseren Akku eingebaut als dem alten, darum sollte es eigentlich auch länger Strom bekommen. Doch in diesem Test, mit allen Funkstandards aktiviert, ständigen E-Mail-Checks und vielen Fremdprogrammen, hat das Apple-Handy selten auch nur 24 Stunden durchgehalten.

Meist musste es sowohl zu Hause als auch im Büro ans Ladegerät. Auch im Internet beschweren sich etliche Nutzer, mit dem Update auf das Betriebssystem 3.0 sei die Durchhaltefähigkeit ihres Geräts gesunken - sie hoffen nun, dass Apple die Version 3.1 etwas energieeffizienter auslegt.

Einstweilen kann jeder Nutzer das Gerät zur Sparsamkeit anhalten, indem er sich selbst beschränkt. Wird die E-Mail in der sogenannten Push-Funktion empfangen, bei der ein speziell dafür ausgelegter Server die elektronische Post sozusagen auf das Handy drückt (früher das Alleinstellungsmerkmal von Blackberry-Geräten), dann hängt das iPhone eben ständig am Funknetz und verbraucht Strom.

Apple empfiehlt ansonsten den Bildschirm etwas dunkler einzustellen, Ortungsdienste und WLAN-Empfang abzustellen, oder das Gerät unterwegs gar im Flugmodus zu betreiben. Die Umstellungen verlangen jeweils nur wenige Klicks, dennoch werden die meisten Nutzer wohl darauf verzichten, weil sie fürchten zu vergessen, die Funktionen wieder anzuschalten.

Dem deutschen Akzent kann man nur schwer entkommen

Zum Schluss noch etwas über die Sprachsteuerung mit dem deutschen Akzent. Im neuen iPhone-Modell erscheint nach einem langen Druck auf den sogenannten Home-Button, dem einzigen physischen Knopf auf der Vorderseite des Geräts, die Sprachsteuerung.

Wer nicht weiß, was er sagen soll oder kann, dem zeigen es im Hintergrund durchlaufende mögliche Kommandos wie "Wähl" oder "Spiel Wiedergabeliste" oder "Pause" oder eben "Welcher Song ist das?". So lassen sich die Telefon- und iPod-Funktionen steuern.

Ohne dass es angelernt werden muss, sucht das Apple-Handy zum Beispiel alle Frauen mit dem Vornamen Sabine aus dem Adressbuch und liest sie samt Familiennamen vor, wenn man "wähl Sabine" hineinspricht. Wenn der Nutzer die richtige Dame ausgewählt hat, fragt das Gerät noch, ob die Büro-, Privat- oder Handynummer gewünscht ist. Zum Musikhören genügt ein Kommando wie "spiel Herbert Grönemeyer" oder "nächstes Lied".

Praktisch ist die Sprachsteuerung vor allem dann, wenn das iPhone in der Tasche die Tastensperre aktiviert hat: Statt es aufzuwecken, den Code einzugeben und zum gewünschten Programm zu navigieren (neun Klicks oder Bewegungen auf dem Bildschirm), genügt der lange Druck auf Home und ein gesprochenes Kommando.

Dem deutschen Akzent kann man dabei schlecht entkommen: Wer die Sprachsteuerung auf Englisch umschaltet, dem erklärt die Computerstimme (dann eher weiblich als männlich) zwar schnarrend, da laufe "Dance till we're high by The Fireman", dafür funktioniert der Telefonanruf zu "Sabine" nicht mehr.

Bei internationalen Interpreten muss sich der Nutzer schon dem deutschen Akzent seines Handys anpassen - das wirkt immer dann peinlich, wenn andere Menschen dem Kommando zuhören könnten. Es sei denn, man macht eine Show für seine Freunde daraus.

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