Computerspiele und Gewalt:Wie heute über Killerspiele diskutiert wird

Palestinian youth play PC games at internet cafe in Jerusalem

Für viele Jugendliche öffnet sich eine Fan-Community mit ihrem Lieblingsspiel.

(Foto: Jim Hollander/dpa)

Wird aus jedem Counter-Strike-Spieler ein Amokläufer? Und können Egoshooter junge Muslime radikalisieren? Über eine Debatte, die immer wieder aufkommt.

Von Caspar von Au

Rudolf Weiß seufzt. Fünf Studien hat er durchgeführt. Mehr als 800 Schüler hat der Medienpsychologe seit 2008 dazu befragt, ob sie den jeweiligen "Mainstream-Shooter" des Jahres, wie er die Spiele nennt, spielen. Ob es ihren Eltern egal ist, wenn die Jugendlichen ihre Zeit mit sogenannten gewalthaltigen Computerspielen wie Grand Theft Auto (GTA) und Call of Duty (CoD) verbringen und welche Computerspiele sie sonst noch spielen. Jetzt reicht es ihm: "Die Untersuchung ist abgeschlossen, der Trend eindeutig".

In jeder Studie habe die Zahl der Schüler, die den jeweiligen Mainstream-Shooter spielen, zugenommen. "Zuletzt, 2013, waren es 62 Prozent der befragten Schülerinnen und Schüler zwischen zwölf und 16 Jahren." Das findet Weiß besorgniserregend. Denn gewalthaltige Computerspiele beeinflussen laut seinen Studien die Gewaltbereitschaft von Jugendlichen wie kein zweiter Faktor - gerade bei Heranwachsenden. Noch vor Horrorfilmen, Gewalt im Fernsehen und Gewalt im Elternhaus. Doch er betont: "Ich bin keiner, der sagt: Wenn du das spielst, wirst du gewalttätig. Das wäre vermessen."

Maic Masuch, Professor für Entertainment Computing an der Universität Duisburg-Essen, stimmt Weiß in diesem Punkt zu. Gleichzeitig warnt er vor einer vereinfachten Betrachtung der Ergebnisse, da er Einflüsse auf das Verhalten für nur schwer messbar hält. "Das ist eine gewünschte Monokausalität", sagt Masuch. "Er spielte das Spiel und wurde zum Amokläufer - so wie man sich eine Erkältung einfängt. Das funktioniert so nicht."

360°: Digitalisierung der Kindheit

Schon die Kleinsten wischen auf Tablets, die Größeren können sich ein Leben ohne Smartphone nicht mehr vorstellen. Ihre Kindheit verläuft ganz anders als die ihrer Eltern, aber muss das schlecht sein? Bietet nicht gerade der frühe Umgang mit neuen Medien auch Chancen? Wie Eltern ihren Nachwuchs auf dem Weg in die interaktive Welt begleiten, was sie selbst dabei lernen können - ein Schwerpunkt.

Nach den Amokläufen in Erfurt, Emsdetten und Winnenden zwischen 2002 und 2009 gerieten gewalthaltige Computerspiele in den Fokus der medialen Berichterstattung. Spiele wie Counter-Strike, GTA und Call of Duty sollten schuld daran sein, dass bei den Jugendlichen die Hemmschwelle zur Gewalt sinke, so die Argumentation der Killerspiel-Gegner.

Sind Gamer gewaltliebende Nerds?

Den Begriff "Killerspiel" prägte 1999 der damalige bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU). Er forderte ein Verbot von Gewaltvideos und -spielen.

Viele Computerspieler fühlten sich zu Unrecht stigmatisiert. Auch weil viele Politiker und Medien mit dem Thema schlichtweg überfordert schienen. "Die Debatte war eigentlich keine Debatte. Sie war grausig und schlecht", sagt Patrik Schönfeldt, Gründer und Vorsitzender des Verbands für Deutschlands Video- und Computerspieler (VDVC). Viele Medien fällten ein gemeinsames Urteil: Gamer seien gewaltliebende Nerds.

Inzwischen ist der Begriff "Killerspiele" verpönt. "Die Debatte hat sich versachlicht", stellt auch Maic Masuch fest. "Viele der Propagandisten sind in den Hintergrund getreten."

Uwe Schünemann zum Beispiel. Zwischen 2003 und 2013 war der CDU-Politiker niedersächsischer Innenminister. Er möchte sich heute nicht einmal mehr zu dem Thema äußern. Das sei "zu weit weg". 2006 hatte Schünemann noch im Stern erklärt, einige der brutalen Spiele seien so pervers, dass es keine Alternative zum Verbot gäbe.

Günther Beckstein ist mittlerweile im Ruhestand. Genau wie Christian Pfeiffer, der ehemalige Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN), der sich neben einem Verbot gewalthaltiger Computerspiele dafür einsetzte, die Unterhaltungssoftware-Selbstkontrolle (USK) abzuschaffen. Und doch lässt ihn das Thema nicht los.

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