Computerspiele:Mafia 3: Ballern, aber mit Stil

Lesezeit: 4 min

Vietnam-Heimkehrer Lincoln Clay ist der Protagonist von "Mafia 3". (Foto: dpa-tmn)

Im Open-World-Spiel "Mafia 3" kehrt Lincoln Clay zurück aus dem Vietnamkrieg ins rassistische New Orleans der Sechziger. Er will natürlich schießen, aber auch eine Geschichte erzählen.

Von Philipp Bovermann

Die Liebe hat zu Spielbeginn eine Ladezeit von etwa zehn Sekunden, dann ist sie wieder da. Aus den Lautsprechern knallen die ersten Riffs von Jimi Hendrix' "All Along The Watchtower", wie aus einem Urlaub herübergeweht, den man noch gar nicht gemacht hat, aber man kennt schließlich das Hotel. Ihre besten Momente hat die Game-Serie "Mafia" schon immer über ihre phantastischen Soundtracks erzeugt. Jetzt erscheint der dritte Teil.

Vom 2002 erschienen Beginn der Serie ist nur noch eine vage Erinnerung geblieben: Wie man auf den Straßen eines fiktiven New Yorks der Dreißigerjahre vor der Polizei flüchtet, die Lupara (Schrotflinte) auf dem Beifahrersitz, denn jemand hatte das Gesetz der Omertà ("Niemals mit den Cops reden!") gebrochen - und über das Hupen der Autos und das Klingeln der Straßenbahnen hinweg dröhnt das hektische Gezupfe des Jazzgitarristen Django Reinhardt aus dem Autoradio.

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Eben noch eine dramatische Videosequenz...

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...und schon kann der Spieler aus purer Lust am Wahnsinn die Stadt ins Chaos stürzen.

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Diese Inkonsequenz aller "Open World"-Spiele versucht "Mafia 3" erzählerisch zu lösen.

Der Vietnam-Krieg tobt, und Lincoln Clay hinterlässt Blutspuren

Inzwischen sind ein paar echte und noch mehr fiktive Jahre vergangen. Die Welt von "Mafia" steckt im dritten Teil mitten im Vietnam-Krieg; ein schwarzer Kriegsheimkehrer wirft seinen Seesack auf den Rücksitz eines Autos. Bei der Willkommensfeier fragt ihn sein ebenfalls schwarzer Stiefvater, wer denn der riesige Mann sei, der seinen kleinen Lincoln gefressen hat. Gelächter, Prost. Lincoln ist einfach erwachsen geworden. Und er hat sich verändert. Er träumt nachts schlecht.

Den realen Alptraum, in den sich sein Leben bald verwandeln wird, erzählt "Mafia 3" pseudo-dokumentarisch in einer Reihe von Rückblenden. Aus der Sicht des Geistlichen James. Er ist Lincolns Vertrauter, im Rückblick selbst noch ein junger Mann, aber eben auch in Auszügen der Anhörung eines Geheimdienstkomitees, in dem es um die Causa Lincoln Clay befragt wird. Wie konnte es zu dieser unfassbaren Blutspur kommen, die der junge Mann hinterlassen hat?

Die Mischung aus Film und Spiel bringt die Charaktäre sehr nah

Das ist oft die Frage in "Open World-Games" wie Mafia, in denen sich der Spieler frei durch eine offen zugängliche und mit künstlichen Bewohnern bevölkerte Welt bewegt, anstatt peu à peu Levels abzuarbeiten. Sie lautet: Was ergibt es denn für einen Sinn, dass wir den Protagonisten eben noch in einer Video-Sequenz schwer hadernd mit sich und der Welt gesehen haben - und dann wird das Spiel wieder freigegeben, und als Erstes lassen wir als Spieler ihn auf die Straße rennen, zerren eine Frau aus ihrem Auto und überfahren auf dem Weg zum nächsten Auftrag zwei Handvoll Fußgänger. Die Antwort ist simpel: Von A nach B zu gurken wäre ohne das eine oder andere Verbrechen unterwegs ganz schön langweilig.

Der Platzhirsch unter den "Open World-Games", die "Grand Theft Auto"-Reihe, geht diese potenzielle Schizophrenie der Helden offensiv an. Dort steuern wir stereotype Gangstertypen ohne echte Innerlichkeit, eher Vehikel für den Spieler als auserzählte Figuren, man könnte auch sagen: Psychopathen. Der umjubelte fünfte und letzte "GTA"-Teil setzte dem Ganzen die blutige Krone auf. Einer der drei Protagonisten war ein verrückter Sadist, in dessen Haut wir an einer Stelle der Handlung einen wehrlosen Menschen foltern mussten, sonst ging das Spiel nicht weiter. Ein konsequenter, wenn auch schwer verdaulicher Kommentar der Entwickler: Wir zeigen dir eine Welt der Gewalt, und wir zeigen dir, dass du hier die Knöpfe drückst.

Die "Mafia"-Reihe als älteste und profilierteste Konkurrenz zu "GTA" versucht hingegen, die Brücke zum mordenden Monster, in das sich die Figur unter der Kontrolle des Spielers verwandelt, erzählerisch zu schließen. Es sind Typen, mit denen man sich identifizieren kann, die unschuldig auf die schiefe Bahn geraten. Im ersten Teil war es ein Taxifahrer, der bei einem Überfall zwischen die Fronten zweier Mafia-Clans gerät, jetzt sitzt da eben der junge Clay mit leerem Blick und raucht seine Zigarette. Dieser Kerl hat nicht einfach Lust, Leute zu erschießen, sondern er kommt mit einer persönlichen Geschichte, die nicht nur von ihm handelt, sondern auch der Zeit, in der er lebt.

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Als Kriegsheimkehrer ist Clay eine historische Figur. Sein Amoklauf ist letztlich eine Konsequenz amerikanischer Geschichte. An einem Punkt der Handlung, als Lincoln auf brutale Art alles genommen wird, hämmert zwischen den Flammen "Paint It Black" aus dem Off: "Es ist nicht leicht, sich den Dingen stellen, wenn deine ganze Welt schwarz ist", singen die "Rolling Stones". Denn da ist nicht nur ein sinnloser Krieg, den Lincoln nach Hause trägt. Da ist auch seine Hautfarbe.

In "New Bordaeux" ist der Rassismus überall zu spüren

Es ist eine der mutigsten und für die spezielle Atmosphäre dieses Spiels zuträglichsten Entscheidungen, dass der Spieler als Lincoln zum Beispiel gleich bei der ersten Mission in einer geklauten Polizeiuniform hinter seinen weißen Kollegen her marschieren muss. Sie lassen ihn allein die Geldsäcke tragen, während sie sich darüber beschweren, dass "gottesfürchtige Amerikaner" keine Jobs bei der Polizei bekommen, während man "irgend einem dahergelaufenen" - und hier fällt nicht zum ersten Mal das verpönte Wort mit "N" - sofort Stern und Knarre in die Hand drücke.

Rassismus ist im "New Bordeaux", einem fiktiven Zwilling von New Orleans in den späten Sechzigerjahren, überall zu spüren. Wie bitte, man ist als Spieler wie als Mensch noch nie eines Lokals verwiesen worden, weil der Kellner zu meint, hier würden keine Affen bedient? Dann wird's mal Zeit! Die Figur Lincoln Clay zu spielen ist eine eigenartige Erfahrung: Wohin auch immer man geht in dieser vordergründig freien "Open World", überall schauen die Leute einen an und pressen ihre Handtaschen enger an sich.

Anders als das zum Actionspielplatz überzeichnete Amerika aus "GTA", das in einer unbestimmten Gegenwart schwebt, lebt die "Mafia"-Reihe von räumlicher und historischer Bestimmtheit. Hier ist das French Quarter, die Betrunkenen vor den Kneipen, die Alligatoren in den Sümpfen, die karamellfarbene Sonne hinter dem Dunstvorhang. Und im Radio der tonnenschweren Stahlschüsseln, die amerikanische Autos damals waren, singen "Creedence Clearwater Revival" vom Aufgehen eines bösen Monds, "Bad Moon Rising".

© SZ vom 15.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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