Automatisierung und Arbeitslosigkeit:"Bürojobs sind stärker als andere bedroht"

Honda's latest version of the Asimo humanoid robot walks up stairs during a presentation in Zaventem near Brussels

Ein Roboter bei einer Präsentation in Belgien. Die Debatte über die Zukunft der Arbeit im Zeitalter der Computerisierung hat begonnen.

(Foto: Francois Lenoir/Reuters)

Was passiert, wenn kluge Software und mit Sensoren ausgestattete Roboter plötzlich zur Konkurrenz für den Menschen werden? Nichts Gutes, sagt der IT-Experte Martin Ford. Ein Gespräch über eine Zukunft ohne Arbeit.

Von Johannes Kuhn, San Francisco

Als Martin Ford 2009 sein Buch "The Lights in the Tunnel" veröffentlichte, wirkten seine Thesen noch unzeitgemäß: Die Digitalisierung nahm gerade Fahrt auf, aber Massenarbeitslosigkeit durch den Siegeszug intelligenter Maschinen klang wie Science-Fiction. Doch Ford, der die Entwicklungen als Gründer einer Software-Firma im Silicon Valley miterlebte, warnte bereits damals, die Fähigkeiten künftiger Maschinen-Generationen nicht zu unterschätzen. Wenn im Mai sein neues Buch, "Rise of the Robots: Technology and the Threat of a Jobless Future" erscheint, wird der 52-Jährige größere Aufmerksamkeit erfahren: Die Debatte über die Zukunft der Arbeit im Zeitalter der Computerisierung hat begonnen.

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Süddeutsche.de: Wie sieht die Zukunft der Arbeit aus? Oder hat Arbeit überhaupt eine Zukunft?

Martin Ford: Nicht jeder unserer Berufe wird automatisiert, aber jede Arbeit, die aus einer vorhersagbaren Routine besteht, ist in den kommenden Jahren gefährdet. Und das sind genauer betrachtet die meisten Jobs. Menschen gehen auf die Arbeit, um die selben Dinge wieder und wieder zu machen. Doch bald können solche Aufgaben lernende Maschinen erledigen, ein Algorithmus wird die Tätigkeiten in Daten umwandeln und herausdestillieren, wie es funktioniert.

Unsere Erfahrung und unser Verstand sagen: Menschen sind in vielen Tätigkeiten besser.

Es gibt noch viel, das nicht automatisiert werden kann, aber die Grenze verschiebt sich immer weiter. Die Ausstattung der Welt mit Sensoren, ständig wachsendes Datenmaterial und steigende Rechenkraft beschleunigt das. Die Universität von Oxford hat 700 Berufsgruppen in den USA untersucht und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass 47 Prozent davon durch die Computerisierung bedroht werden. Und selbst wenn es nur 25 bis 40 Prozent sind, ist es trotzdem gefährlich. Wir reden von einer gewaltigen Arbeitslosigkeit wie in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als das Fundament des Kapitalismus zu wackeln begann.

Wer ist besonders gefährdet, ersetzt zu werden?

In der Industrie wurde bereits viel automatisiert, wenn man so möchte, erleben wir hier gerade das Endspiel. Die Firma Industrial Perception, die inzwischen von Google gekauft wurde, baut Roboter mit 3-D-Sehvermögen - damit konkurrieren sie mit Menschen in einem Feld, in dem diese noch am besten sind: dem der visuellen Wahrnehmung. Die Roboter können mittlerweile Lkws ein- und ausladen oder im Produktionsprozess Teile von einer Maschine zur anderen bringen, sie ordnen. Es ist absehbar, dass in der Fabrik der Zukunft nicht mehr viele Menschen arbeiten werden. Womöglich erleben wir nach der Verlagerung von Fabriken westlicher Unternehmen in Niedriglohnländer nun eine Rückkehr der Produktion - nur dass statt Tausenden vielleicht nur noch Hundert Menschen dort arbeiten werden.

Viele Arbeitsplätze finden wir heute ohnehin im Service-Bereich.

Selbstbedienungskassen werden immer besser, genauso wie Systeme zur Selbstinformation. Orchard Supply Hardware, ein Heimwerker-Laden, setzt in seiner Filiale im Silicon Valley inzwischen Roboter ein, die Menschen zu den richtigen Regalreihen bringen. Wir werden mehr solcher Beispiele sehen, im Einzelhandel wird zudem das Smartphone immer wichtiger: Stellen Sie sich vor, Sie wollen etwas wissen und haben per App Zugriff auf einen Assistenten mit Supercomputer-Fähigkeiten wie IBMs Watson. Dazu gibt es dann noch intelligente Verkaufsautomaten, wie teils jetzt schon an Flughäfen. Sie können sich da Ihr neues Smartphone einfach per Knopfdruck ziehen. Und wenn der Automat einmal kaputt ist, wird er aus der Ferne gewartet. Solche Maschinen werden konzipiert, um möglichst viel zu automatisieren.

Aber wenn ich selber Artikel einscanne und Fragen in ein Smartphone tippe, ist das keine Computerisierung im klassischen Sinne.

Viele Aufgaben wurden und werden wieder dem Kunden übertragen. Das ist nicht neu: Als es in den Siebzigern noch Tankwarte gab, gab es viele Überlegungen, was ihren Job einmal bedrohen würde. Vielleicht Roboter, die für uns auftanken, dachte man. Und dann machten die Firmen das Tanken schlicht so einfach, dass der Kunde es selbst erledigen konnte.

Automatische Konkurrenz

Sie sind Zahnarzt, Psychologe oder Choreograph? Dann haben Sie den richtigen Beruf gewählt - so schnell wird wohl kein Roboter auf Ihrem Platz sitzen. Schwieriger wird es für Arbeitnehmer in Transport- und Logistikberufen oder gar im Callcenter. Das sagt zumindest eine Studie, die für den US-Arbeitsmarkt die Zukunftsaussichten von 700 Berufsgruppen angesichts der Konkurrenz durch Roboter und Computer berechnet hat: Fast die Hälfte der Arbeitsplätze ist in den kommenden 20 Jahren bedroht. Eine Studie der London School of Economics kommt für Deutschland zu ähnlichen Ergebnissen.

In den Rechner unten können Sie Berufe eingeben - und sehen, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass die Tätigkeit von einem Computer oder Roboter übernommen werden kann. Die Studie hat allerdings den amerikanischen Arbeitsmarkt untersucht. Nicht jeder Beruf hat eine deutsche Entsprechung, deshalb sind nicht alle 700 Jobs erfasst. (Die komplette Liste aus der Studie finden Sie hier). Zudem lässt sich nicht jede, oft sehr spezielle US-amerikanische Berufsbezeichnung eins zu eins auf deutsche Berufe übertragen, deshalb sind die Werte lediglich Annäherungen. Klar wird aber: Insbesondere Jobs, in denen soziale und kreative Kompetenzen wichtig sind, lassen sich nur schwerlich durch eine Maschine ersetzen.

Axinja Weyrauch

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