Angriff auf Belgacom:Britischer Geheimdienst spähte belgische Telekomfirma aus

Lesezeit: 2 min

Ziel der Geheimdienste: Firmen wie Belgacom (Foto: AFP)

EU-Institutionen gehören zu seinen Kunden: Der belgische Konzern Belgacom wurde Opfer einer Cyberspionageattacke. Wie Dokumente von Edward Snowden nun zeigen, ging der Angriff vom britischen Geheimdienst GCHQ aus.

Der britische Geheimdienst GCHQ hat nach einem Bericht des Spiegel gezielt den belgischen Telekom-Konzern Belgacom attackiert. Mehreren Angestellten des halbstaatlichen Unternehmens sei eine Spähsoftware untergejubelt worden, berichtet das Magazin. Das gehe aus Unterlagen des ehemaligen US-Geheimdienstlers Edward Snowden hervor, die das Magazin ausgewertet habe.

Demnach lief die Operation unter dem Decknamen "Sozialist". Der britische Geheimdienst habe die Zielpersonen offenbar ohne ihr Wissen auf Webseiten umgeleitet, die deren Rechner mit Schadsoftware infiziert hätten. Von diesen Mitarbeitern ausgehend habe sich der GCHQ weiter in das Unternehmensnetzwerk von Belgacom vorgearbeitet. Undatierten Präsentationsfolien zufolge sei das Ziel der Briten gewesen, die Belgacom-Infrastruktur zum Ausspähen von Smartphone-Nutzern einzusetzen. Der Spiegel hat drei Folien online veröffentlicht.

So erklärt der GCHQ den Angriff auf Belgacom intern (Foto: Spiegel/Snowden)

Belgacom selbst hatte nach den ersten Snowden-Enthüllungen eine interne Untersuchung angesetzt, um potenzielle Einbrüche zu finden. Tatsächlich hat das Unternehmen einen Angriff festgestellt und Anzeige gegen unbekannt erstattet, wie das Unternehmen Anfang der Woche mitteilte. Belgiens Premierminister Elio Di Rupo sprach von einem "Cyberspionageangriff" durch ein anderes Land. Dies sei ein Anschlag auf die Integrität eines öffentlichen Unternehmens. Belgacom ist mehrheitlich im Staatsbesitz.

Die belgische Staatsanwaltschaft vermutet derzeit, Ziel der Attacke sei das Sammeln "strategischer Informationen" gewesen, nicht eine Störung des Betriebs. Die Untersuchung zeige, dass der Angriff nur mit "erheblichen finanziellen und logistischen Mitteln" möglich war. Dies sowie die technische Komplexität und Reichweite der Attacke deuteten auf "eine internationale Staatsspionage-Operation" hin.

Belgische Medien hatten am Montag berichtet, es gebe nur wenige Zweifel daran, dass der US-Nachrichtendienst NSA hinter der Attacke stecke. Nun rückt der GCHQ in den Fokus - und damit Großbritannien und die EU. Denn zu Belgacoms Großkunden gehören auch Institutionen wie die EU-Kommission, der Rat der Mitgliedstaaten und das Europaparlament. Dort werden Entscheidungen getroffen, die für Großbritannien bindend sind.

Die Enthüllung der Operation "Sozialist" könnte für diplomatische Spannungen sorgen. Belgiens Premierminister Elio Di Rupo sagte laut Spiegel-Online: "Sollte sich die These bestätigten, dass ein anderes Land für diese Eingriffe verantwortlich ist, werden wir entsprechende Gegenmaßnahmen prüfen."

Im Europaparlament wird der Ruf nach Sanktionen laut. "Dass eine EU-Regierung die Grundrechte der Bürger derart mit Füßen tritt, haben viele zwar befürchtet, aber das nun enthüllte Ausmaß der Überwachung ist skandalös", sagte der sozialdemokratische EU-Abgeordnete Josef Weidenholzer aus Österreich. Seine deutsche Fraktionskollegin Birgit Sippel forderte "empfindliche Sanktionen gegen Missbrauchsfälle". Die Abgeordneten fordern, dass sich ein Untersuchungsgremium des EU-Parlaments mit der Arbeit der europäischen Nachrichtendienste befasst.

© Süddeutsche.de/dpa/afp/mri/bbr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: