Ärzte-TÜV im Internet:"Unseriös und anonym"

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Die AOK ruft ihre Versicherten auf, Urteile über die Qualität der medizinischen Behandlung im Internet abzugeben - die Ärzteverbände protestieren.

Guido Bohsem

Die 24 Millionen AOK-Versicherten sollen ihren Ärzten künftig Noten geben. Von kommendem Jahr an könnten die Versicherten der größten deutschen Krankenkasse Leistung und Service der etwa 185.000 niedergelassenen Mediziner und Zahnärzte im Internet bewerten, kündigte der AOK-Bundesverband an. Ärzteverbände reagierten mit heftiger Kritik auf den geplanten Ärzte-TÜV. Lob kam hingegen von der Patientenbeauftragten der Bundesregierung.

Die 24 Millionen AOK-Versicherten sollen ihren Ärzten künftig Noten geben. (Foto: Foto: dpa)

"Wir wollen unseren Versicherten bei der Suche nach den besten Ärzten eine Hilfestellung geben", sagte der stellvertretende Vorstandschef des AOK-Verbandes, Jürgen Graalmann. Die Kasse werde in Zusammenarbeit mit Medizinern und der Bertelsmann-Stiftung eine Reihe von Kriterien erarbeiten.

Bewertungen von 24 Millionen AOK-Versicherten

Daran könnten sich die Patienten bei der Beurteilung des Arztes orientieren. Der "AOK-Arzt-Navigator" sei vergleichbaren Internet-Seiten überlegen, weil durch Bewertungen von 24 Millionen AOK-Versicherten ein aussagekräftiges Bild zustande komme.

Zudem wolle die Kasse der Gefahr begegnen, einseitige Urteile zu erhalten. "Wir werden die Bewertungen über die Mediziner erst veröffentlichen, wenn genügend eingegangen sind", betonte er. Bei einer Praxis mit 1000 Patientenkontakten im Monat seien zum Beispiel 50 Beurteilungen.

Auch sollten Manipulationen vermieden werden. Die Ergebnisse könnten beispielsweise in Form von Schulnoten dargestellt werden. Gravierende Mängel müssten jedoch zu einer deutlichen Warnung führen. "Ich denke, dass das eine große Sache werden kann", sagte Graalmann.

Der Vorstandschef der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, Jürgen Fedderwitz, warnte vor dem Ärzte-TÜV der AOK . Solche Bewertungsportale seien erfahrungsgemäß extrem missbrauchsanfällig. "Da muss die AOK aufpassen, dass sie kein populistisches System mit Hitparadencharakter aufbaut", sagte er. Über gute Medizin könne man nicht einfach abstimmen wie bei "Deutschland sucht den Superstar".

Auch der Präsident der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe, kritisierte das Vorhaben. Jeder Patient habe das Recht auf bestmögliche Behandlung. "Doch es ist unseriös, anonyme Fragebögen als Grundlage für Ranglisten zu nutzen, wie das einige Arzt-Bewertungsportale im Internet bereits jetzt praktizieren", sagte er. Falls die AOK tatsächlich diesen Weg beschreite, erweise sie den berechtigten Ansprüchen ihrer Mitglieder auf gesicherte Information einen Bärendienst.

Massive Zweifel an der Aussagekraft des AOK-Portals äußerte auch die Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). "Es darf nicht sein, dass hier einzelne Mediziner an den Pranger gestellt werden", sagte ein Sprecher. Schließlich seien die Patienten keine Medizin-Experten und deshalb nur in der Lage, ein subjektives Urteil abzugeben.

"Es ist die Frage, ob die AOK ein voyeuristisches Spiel aufführen oder objektive Informationen präsentieren will", sagte der Sprecher. Er verwies zudem auf Bestrebungen der KBV, die Qualität der medizinischen Versorgung zu verbessern.

Die Patientenbeauftragten der Bundesregierung, Kühn-Mengel (SPD) unterstützte die AOK hingegen. Patienten seien sehr oft bei der Suche nach den richtigen Ärzten und Spezialisten überfordert. "Ein Arzt-Navigator wie von der AOK plant kann eine Orientierung bieten", sagte sie der Süddeutschen Zeitung. Wichtig sei aber, dass die Bewertung wissenschaftlich fundiert und seriös sei. Eine Diffamierung der einzelnen Ärzte dürfe damit nicht einhergehen.

© SZ vom 13.06.2009/mri - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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