Uni Tübingen will Gästehaus loswerden:Hitziger Streit um eine Berghütte

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Die Uni Tübingen plant den Verkauf eines Gästehauses im Allgäu. Dagegen laufen Alumni der Hochschule Sturm. Sie wollen die Berghütte für stressgeplagte Bachelor-Studierende erhalten - doch die zeigen kaum Interesse an der idyllischen Ruheoase.

Von Marlene Weiß

Der Student in Zeiten von Bachelor und Master ist ein rätselhaftes Wesen. Er geht unter in der Anonymität des Studiums, klagt über Leistungsdruck, sehnt sich nach Geborgenheit und Muße. Aber wenn man ihm das bietet, in der Abgeschiedenheit einer Berghütte, auf engstem Raum mit Professoren und Mitstudenten, dann ist es offenbar auch nicht recht.

Anders kann man sich den Streit kaum erklären, der derzeit an der Uni Tübingen tobt: Alumni laufen Sturm gegen den Plan der Uni-Leitung, ein Gästehaus im Allgäu zu verkaufen. Die Hochschule jedoch führt an, dass die Studenten gar kein Interesse mehr daran zeigten.

Das Berghaus Iseler ist zweifellos idyllisch: Die Hütte aus den Dreißigerjahren liegt auf 1230 Meter Höhe beim Wintersportort Oberjoch im Allgäu. Anfang der Siebzigerjahre kaufte und renovierte die Universität sie mittels Spenden, die der damalige Uni-Präsident Adolf Theis gesammelt hatte. Seither wird das Berghaus für Exkursionen, Kompaktseminare und als Forschungsstützpunkt genutzt. Uni-Angehörige und Externe können dort auch günstig Urlaub machen.

Nächtliche Diskussionen bis fast zum Frühstück

Doch da der Pachtvertrag im kommenden April ausläuft, erwägt die Universität, sich des Hauses zu entledigen. Seit das im Mai bekannt wurde, gibt es Ärger. Eine Online-Petition gegen den Verkauf fand mehr als 2000 Unterstützer.

Viele ehemalige Studenten und Gastwissenschaftler, die schon einmal im Berghaus Iseler waren, protestieren. Auf der Petitionsseite schwelgen sie in Erinnerungen. Von nächtlichen Diskussionen, die fast bis zum Frühstück dauerten, ist da die Rede, vom ersten Langlaufkurs, nicht zu vergessen "the fungi I first found in Oberjoch". Und alle sind sich einig: So ein Ort ist heutzutage wichtiger denn je - für Vegetationsübungen in den Kalkalpen ebenso wie für den Zusammenhalt und den direkten Kontakt zwischen Studenten und Professoren.

Franz Oberwinkler war nach eigener Aussage schon fast 70-mal mit Studentengruppen im Berghaus, so oft, dass die Gemeinde ihm einen Treue-Rucksack verliehen hat. Der emeritierte Tübinger Professor für Organismische Botanik unterstützt die Petition, die einer seiner ehemaligen Studenten lanciert hat: "Bei diesem Lamento gegen Bachelor und Master, da muss man doch etwas machen", sagt er. "Da kann man doch nicht hergehen und sagen, die Rechnung geht nicht auf. Wenn es doch um die Qualität der Lehre geht."

Und überhaupt: Da der Kauf einst aus Spenden finanziert wurde, habe die Uni gar nicht das Recht zu verkaufen, moralisch betrachtet.

Auslastung zuletzt bei 32 Prozent

Die Universität sieht das anders: Der Landesrechnungshof habe im Jahr 2010 festgestellt, dass die Uni-eigene Stiftung, die das Berghaus trägt, überschuldet sei, sagt Kanzler Andreas Rothfuß. Die Ausgaben für Renovierungsarbeiten seien in den vergangenen Jahren fünfmal höher als die Pachteinnahmen gewesen. Wenn man jetzt einen neuen Pächter suchen würde, müsse das Haus erst hergerichtet werden, und die Sanierungskosten würden sich wohl eher im siebenstelligen Bereich bewegen.

Nach Uni-Angaben lag die Auslastung zuletzt nur noch bei 32 Prozent, davon war nur knapp ein Drittel universitäre Nutzung.

Gegner des Verkaufs sehen die Schuld bei der Hochschule, weil diese keine Werbung für das Berghaus mache. Denn angesichts des sonstigen Exkursionsprogramms hat das Allgäu bei manchen offenbar schon einen schweren Stand: Da fahren etwa Zoologen nach Brasilien, Botaniker nach Chile; zum Skitouren geht es in die Surselva, zum Tauchen nach Spanien, auf Parasitenforschung nach Kamerun.

Jetzt untersucht ein Wirtschaftsprüfer die Lage - im Herbst soll entschieden werden.

© SZ vom 15.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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